Kriegsschauplatz Irak: wieder ein 'Krieg für Demokratie und Menschenrechte'
von Angelika Claußen, Detlef Enge-Bastien, Jürgen Rose, Andreas Neumann, Andreas Hauß, Rainer Rupp, Ralf Wurzbacher...

Frieden ist Menschenrecht!

Rede von Angelika Claußen (IPPNW) bei der Demonstration gegen den geplanten Irak-Krieg, Berlin, 15.2.2003

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir alle sind heute hierher gekommen, um gemeinsam gegen den angekündigten und zutiefst menschenverachtenden Angriffskrieg der Regierungen Bush und Blair zu protestieren.

Erlauben Sie mir, mit Ihnen zunächst die Erfahrungen meiner Irakreise im Januar dieses Jahres zu teilen. Ich bin als Ärztin in den Irak gefahren, weil ich meine eigene Hilflosigkeit angesichts der laufenden Kriegsvorbereitungen nicht mehr ertragen konnte. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, wie es den Menschen in diesem Land geht. Mir war klar, dass es eine bedrückende Reise wird, denn die Folgen der nun schon seit 12 Jahren bestehenden Sanktionen waren mir bekannt:

Tatsache ist:
  • dass der Irak zu den fünf armsten Ländern der Welt gehört
  • dass durchscnittlich jeden Tag 250 Menschen an den Folgen der Sanktionen sterben
  • dass jedes 8. Kind im Irak stirbt bevor es sein fünftes Lebensjahr erreicht. Die Ursachen: Durchfallerkrankungen, Atemwegserkrankungen und keine Medikamente, die zur Behandlung nötig sind.
  • dass 32 % aller Kinder unterernährt sind dass 2/3 der irakischen Bevölkerung als einzige Einnahmequelle nur den Lebensmittelkorb aus dem Nahrungsmittel-für -Öl-Programm besitzen. Das heißt, 2/3 der Bevölkerung dieses Landes ist bettelarm und das seit 12 Jahren.
  • dass der Irak eine der höchsten Kinderleukämieraten der Welt hat.
Irakische Ärzte machen dafür das die 300 Tonnen Urangeschosse, die im Golfkrieg 1991 eingesetzt worden sind, verantwortlich. Die Kinderleukämierate ist um 250 % gegenüber 1991 angestiegen. In Basra einer Stadt im Süden Landes, wo besonders viel Urangeschosse abgeworfen wurden, kommen 3 % der Kinder schwerst missgebildet auf die Welt, Es sind bizarre Missbildungen, die wir Mediziner normalerweise in unseren Lehrbüchern nicht finden. Sie erinnern an die Missbildungen, die wir nach Tschernobyl sahen.

Das Elend der Menschen, ihre Hoffnungslosigkeit zu sehen und mitzuerleben, ist für einen mitfühlenden Menschen kaum zu ertragen. Immer wieder müssen die Ärzte in den Krankenhäusern ihren Patienten sagen: wir können nicht helfen, denn das Antibiotikum oder das Mittel gegen den Krebs ist nicht vorhanden. Eine unmenschliche Triage!

Eine Kollegin aus Österreich, die seit 10 Monaten versucht, die Geräte für eine Blutbank nach Basra Zu bringen, bekommt bisher nur abschlägige Antworten von dem Sanktionskomitee. Der amerikanische Vertreter im Sanktionskomitee antwortete auf ihre Bitten, dem Transport der notwendigen Geräte nun endlich zuzustimmen: "Ich rede mit Ihnen nicht über leukämiekranke Kinder, ich rede mit Ihnen nur über das Regime von Saddam Hussein".

Ich denke, dieser Satz macht die ganze Menschenverachtung der Kriegsplaner in den USA deutlich: Es geht hier nicht um Massenvernichtungswaffen und es geht nicht um die schrecklichen Menschenrechtsverletzungen, die der irakische Herrscher Saddam Hussein zu verantworten hat.

Das zeigen auch die neuesten Verlautbarungen über die Kriegsstrategie der Militärplaner. "Schock und Furcht" - nennen sie ihr Programm. Der US-amerikanische Militärstratege Harlan Ullmann spricht von 400 Cruise Missile-Bomben, die täglich über dem Irak abgeworfen werden sollen. Er schwärmt davon, dass es so sein wird wie in Hiroshima, nur dass es nicht Wochen und Monate, sondern nur wenige Minuten dauere. Die Hundertausende von Menschen, die sterben werden, die Millionen von Flüchtlingen erwähnt er nicht.

Was können die KriegsgegnerInnen, die Friedensbewegung tun? Sind wir nicht gefangen zwischen zwei großen Übeln: Auf der einen Seite die Bush-Regierung, die imperiale Herrschaftsinteressen, hier im Nahen Osten die Kontrolle über die Ölströme u.U. mit allen Mitteln einer Großmacht, eben auch Krieg und Terror durchzusetzen bereit ist und auf der anderen Seite ein brutaler Diktator, der sein eigenes Volk als Geisel benutzt, Giftgas gegen seine eigenen Bürger einsetzt?

Ich denke, dass wir, die Friedensbewegung zuallererst einen langen Atem, Geduld und Zuversicht in unsere eigene Stärke benötigen.

Aus der Erfahrung der letzten zwei Weltkriege und vieler anderer wissen wir: Krieg ist keine Löung für die anstehenden Probleme. Der Krieg ist wie eine Wunde in der Seele des Menschen, und der Schmerz in ihr ruft nach immer grausameren Taten. So wird ein Krieg gegen den Irak die Bildung von neuen Terror-Gruppen immer weiter steigern, ein Vielfaches an terroristischen Anschlägen auf der ganzen Welt ist die Folge.

Die Friedensbewegung hat eine Vielzahl von Alternativen zum Krieg:

a) zum Irak-Krieg:
  • Zuallererst die Fortsetzung der Waffeninspektionen, denn diese sind bisher höchst erfolgreich
  • Möglichst viele Staaten in der EU, Russland und die Türkei sollen die Präventivkriegsstrategie der USA verurteilen und eine Vermittlungsinitiative anbieten.Die darauf folgenden einzelnen Schritte sind bekannt: Rücknahme der Stationierungs- bzw. Überflugrechte, Rücknahme der Spürpanzer für die Bundesrepublik, keine AWACS-Aufklärer in die Türkei.
  • Die EU sollte einen Dialog-Prozess im Nahen Osten initiieren ähnlich dem KSZE- Prozess während des Ost-West-Konflikts. Thema: Abrüstung von Massenvernichtunswaffen im gesamten Nahen Osten einschließlich Israel und Iran), Lösung des Isreal/Palästina-Konflikts
b) Unabhängig vom drohenden Irak-Krieg:
  • Die EU muss in den Katalog der Grundwerte der Europäischen Union auch friedenspolitische Ziele aufnehmen. Sie muß den Einsatz militärischer Gewalt als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle verurteilen. Sie muss sich zum Vorrang ziviler Konfliktschlichtung bekennen.
Auch wenn diese Vorstellungen im Augenblick angesichts der aus den USA herüberschwappenden Verunglimpfungen utopisch klingen mögen: Wir wissen, dass viele amerikanische Bürgerinnen und Bürger unsere Ziele teilen. Amerikanische Bischöfe, ja ganze Städte in den USA haben sich gegen den Krieg ausgesprochen und begreifen jedes mutige Wort eines europäischen Regierungschefs und insbesondere auch die Äußerungen unserer Regierung als Unterstützung für das andere Amerika, für das Amerika des Friedens und der Demokratie. Unsere Regierung muß sich wesentlich mutiger und entschlossener für den Frieden einsetzen.

Frieden ist Menschenrecht. Hier und überall auf der Welt.

Quelle: http://www.uni-kassel.de


Der Krieg gegen den Irak: ein vorsätzliches großes Verbrechen

Stellungnahme zum Krieg gegen den Irak von Dr. Detlef Enge-Bastien, Arzt für Innere Medizin im Krankenhaus Bitburg - im Auftrag der "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW) zwischen Januar und Juli 1991 für vier Monate im Irak, 23.3.2003

Mit Trauer und Mitgefühl denke ich an die Menschen im Irak. Diese Invasion wird wieder Menschen verletzen, krank machen und sterben lassen.

Als Arzt war ich 1991 während des Golfkrieges und danach im Irak und erlebte persönlich die medizinischen Auswirkungen jenes "chirurgischen Krieges", der angeblich die Zivilbevölkerung verschonen sollte.

1991 zerstörten Bomben 9000 Wohnungen im Irak und machten 70000 Menschen obdachlos. Die jetzt erwarteten Flüchtlinge im Irak sind bereits vor Kriegsbeginn durch die jahrelangen Wirtschaftssanktionen unterernährt und abwehrgeschwächt. Anstrengung, Hunger und Trinkwasserhygiene werden eine immense gesundheitliche Bedrohung für sie darstellen.

1991 kamen 120000 irakische Soldaten und 40000 irakische Zivilisten im Krieg um. Die jetzigen Bomben auf iraktische Städte töten wieder Menschen. Ein Bodenkrieg um Bagdad bringt die Menschen dort in größte Gefahr.

1991 zerstörten die Bomben Elektrizitätswerke, Wasseraufbereitungsanlagen und Abwassersysteme im ganzen Irak. An Durchfallerkrankungen starben im ersten Jahr nach dem Krieg 170000 Kinder unter fünf Jahren. 5000 Fälle von Cholera und 70000 Erkrankungen an Typhus wurden verursacht.

1991 wurde der Krieg gezielt gegen die Zivilpersonen im Irak geführt. Ich befürchte, dass auch die jetzige Irakinvasion zu einer erneuten medizinischen Katastrophe führen wird.

Die jetzige Invasion des Irak durch Truppen der USA, Großbritanniens, Australiens setzt unschuldige Menschen großem Leid aus und tötet menschliches Leben. Ich halte diesen Krieg für ein vorsätzliches großes Verbrechen. Ich protestiere gegen diesen vorsätzlichen Krieg und beteilige mich aus diesem Grund an Aktionen des zivilen Ungehorsams gegen Militäreinrichtungen der USA in der Bundesrepublik Deutschland.


US-Doktrin: Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Staates

Aus dem Vortrag "Krieg gegen Irak - Frieden schaffen mit aller Gewalt?" von Jürgen Rose, Oberstleutnant der Bundeswehr - gehalten u.a. am 21.1.2003 in Köln

Die militärische Operationsführung mit konventionellen Waffen folgt dem seit dem Golfkrieg 1991 von den USA unter dem Rubrum »Revolution in Military Affairs« entfalteten neuen Paradigma. Dieses basiert auf ihrer beispiellos überlegenen Rüstungstechnologie und manifestiert sich in Doktrinen, welche die amerikanischen Streitkräfte unter den Termini »Joint Vision 2010«, »Concept for Future Joint Operations«, »Joint Vision 2020« und »Force XXI« entwickelt haben. Die strategische Zielsetzung dieser Konzeptionen besteht im Kern darin, “[to] provide America with the capability to dominate an opponent across the range of military operations. This Full Spectrum Dominance will be the key characteristic we seek for our Armed Forces in the 21st century.” Diesem Paradigma zufolge werden Kriege mit Hilfe von High-Tech-Waffensystemen geführt, - Waffen, auf welche die USA und ihre Rüstungsindustrie ein Quasi-Monopol besitzen. Es handelt sich hierbei vor allem um überlegene, weltraum- und luftgestützte Aufklärungssysteme, modernste Informations- und Führungstechnologie sowie konkurrenzlos überlegene Luftkriegsmittel. Dieses Instrumentarium soll die Kriegführung aus der Distanz ermöglichen, eigene Verluste vermeiden und auch gegnerische soweit wie möglich verringern. Wenn überhaupt, kommen bodengebundene Streitkräfte nur in geringer Stärke zum Einsatz, wobei sie in diesem Fall vornehmlich der Unterstützung des Luftkrieges mittels Aufklärung und Zielbeleuchtung sowie sonstigen Spezial- oder Kommandooperationen dienen. Mittlerweile ist es den US-Streitkräften gelungen, das Zusammenwirken von Special Forces und Air Force bei der Zielaufklärung, -markierung und -bekämpfung in bis dato nicht für möglich gehaltener Weise zu verbessern.

Da für die konkrete Besetzung gegnerischen Territoriums Landstreitkräfte erforderlich sind, deren Einsatz indessen stets mit erheblichen Verlustrisiken verbunden ist, streben die USA an, daß die Verbündeten oder jeweiligen Koalitionspartner ihre Truppen für den Einsatz am Boden bereitstellen. Generell gilt für den Einsatz bodengebundener Streitkräfte unter dem Aspekt der Ökonomie des Krieges und im Kontext massenmedialer Omnipräsenz, daß jene tunlichst nicht in Massenschlächtereien traditioneller Art, sondern vorzugsweise erst nach der gegnerischen Kapitulation zum Zwecke der Stabilisierung und Absicherung einer Waffenstillstandsvereinbarung oder Friedensregelung sowie zur sogenannten „Kriegsfolgenbereinigung“ zum Einsatz kommen sollen. Schon die Kriege in Kroatien und Bosnien 1995 sowie im Kosovo 1999 demonstrierten, wie effektiv dieses neue Paradigma der Kriegführung in die Tat umgesetzt wurde und der Krieg in Afghanistan unterstreicht dies erneut. Einen weiteren Beleg liefern die bekannt gewordenen Überlegungen des Pentagons, für den ins Auge gefaßten Krieg gegen den Irak die schiitische Opposition im Süden und die kurdische im Norden für den koordinierten Kampf mit den US-Luftstreitkräften auszubilden und auszurüsten.

In diesem Kontext ist auch ein Blick auf die derzeit gültige Luftkriegsdoktrin der U.S. Air Force höchst aufschlußreich. Entwickelt worden war diese bereits im Frühjahr 1988 von dem damaligen Colonel John A. Warden III, dessen Überlegungen in der Folge den strategischen Luftkrieg gegen den Irak 1991 sowie gegen Jugoslawien 1999 entscheidend prägen sollten. Den Kern des strategischen Ansatzes Wardens stellt sein sogenanntes 'Fünf-Ringe-Modell' dar.

Zielprioritäten für den strategischen Luftkrieg (beginnend mit der höchsten Priorität)
  • I. Leadership (politische und militärische Führungsspitze)
  • II. Organic Essentials (Schlüssel-Industrie)
  • III. Infrastructure (Transport-Infrastruktur)
  • IV. Population (Zivilbevölkerung)
  • V. Fielded Military (Militär)
Quelle: General A. Warden III: "The Enemy as a System" und "Air Theory for the Twentyfirst Century", Air University, Maxwell AFB, Alabama 1998

Ausgehend von einer systemtheoretischen Betrachtungsweise beschreibt Warden einen potentiellen Gegner als ein System konzentrisch angeordneter Ringe, deren strategische Relevanz von innen nach außen abnimmt. Angewendet auf einen feindlichen Staat definiert Warden dieses System der gestaffelten Ringe folgendermaßen: Im Zentrum befindet sich die politische und militärische Führungsspitze. Darum herum gruppieren sich die Schlüssel-Industrie, die Transport-Infrastruktur, die Zivilbevölkerung und ganz außen das Militär.

Aus der Wichtigkeit dieser Elemente im Hinblick auf die Überlebensfähigkeit des Staates sowie aus ihrer Verwundbarkeit gegenüber Luftangriffen leiten sich direkt die Zielprioritäten für den strategischen Luftkrieg ab.

Hervorzuheben ist, daß diese Luftkriegsdoktrin ganz bewußt auf die Zerstörung der Lebensgrundlagen eines Staates abzielt und insbesondere auch die Zivilbevölkerung selbst zum expliziten Ziel deklariert.

Der Luftkrieg gegen Afghanistan illustrierte dies wiederum in exemplarischer Weise. Während der Weltöffentlichkeit suggeriert wurde, daß die U.S. Air Force selektiv und präzise die Infrastruktur von Osama bin Ladins Al-Quaida sowie das rudimentäre Militärpotential der Taliban zertrümmerte, meldete der amerikanische Fernsehsender NBC unter Berufung auf einen hochrangigen Offizier der amerikanischen Streitkräfte, daß die amerikanische Luftwaffe die entsprechend völkerrechtlicher Regularien deutlich gekennzeichneten Lager des IKRK in Afghanistan vorsätzlich bombardiert hatte, um die dort deponierten Lebensmittel und Hilfsgüter nicht in die Hände der Taliban fallen zu lassen. Indes verbietet es Artikel 54 des Zweiten Zusatzprotokolls zur Genfer Konvention, „für die Zivilbevölkerung lebensnotwendige Objekte“ anzugreifen oder zu zerstören. Vorsätzliche Angriffe auf humanitäre Einrichtungen fallen demnach unter die Kategorie der Kriegsverbrechen. Insgesamt sollen mehr als achtzig Prozent der IKRK-Strukturen in Afghanistan zerstört worden sein. Symbolhaften Gehalt besaß schon die Zerstörung eines Büros der Vereinten Nationen in Kabul zu Beginn der Bombardierungen, wobei vier lokale Mitarbeiter, deren Aufgabe darin bestand, im Rahmen eines humanitären UNO-Projektes Minen zu räumen, getötet worden waren. Darüber hinaus ist bis heute ungeklärt, ob die Bombardierung des Kabuler Büros des arabischen Fernsehsenders »Al Djasirah«, der mehrfach Interviews mit Osama bin Ladin ausgestrahlt hatte, die ihm zuvor auf Videobändern zugespielt worden waren, durch die U.S. Air Force Absicht oder Zufall war.

Andererseits rückt das gegnerische Militär auf der Liste der Zielprioritäten ganz nach hinten. Die von Warden gegebene Begründung hierfür ist schlagend: „Contrary to Clausewitz, destruction of the enemy military is not the essence of war; the essence of war is convincing the enemy to accept our position, and fighting his military forces is at best a means to an end and at worst a total waste of time and energy.“ In der Realität des Krieges gegen Afghanistan resultierte aus einer solchen Doktrin, daß ein ohnehin unbewohnbares Land noch unbewohnbarer gemacht wurde.

(Der Autor vertritt in diesem Beitrag seine persönlichen Auffassungen)


"Das ganze hat überhaupt nichts mit Öl zu tun."

Die irakische Ölindustrie verstaatlicht und diesen Schritt auch noch propagandistisch ausgeschlachtet: das geht zu weit - Betrachtungen von Andreas Neumann vom 12.3.2003

In einem ungewöhnlichen Artikel von Christiane Oelrich im Online-Angebot der Heilbronner Stimme lesen wir am 1.2.2003: "'Ein Regime-Wechsel in Bagdad würde die Karten neu mischen und amerikanischen und britischen Ölfirmen erstmals nach 30 Jahren einen guten Start für den direkten Zugriff auf das irakische Öl geben', sagt Michael Renner vom Worldwatch-Umweltinstitut. 'Die US-Regierung wird versuchen, einen Krieg zu führen, der nichts kostet, indem sie das irakische Öl plündern und den US-Firmen dann Verträge zuschustern', sagte Politikprofessor Ian Lustick von der Universität Pennsylvania kürzlich auf einer Podiumsdiskussion in Washington. 'Unsinn', kontert US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. 'Das ganze hat überhaupt nichts mit Öl zu tun.' Der Irak hat mit 112 Milliarden Barrel die höchsten Ölreserven nach Saudi-Arabien..."

Und dann kommt sie auf die Verstaatlichung der irakischen Ölindustrie und ihre Folgen für diejenigen Kräfte, die heute den Krieg gegen den Irak (für Demokratie und Menschenrechte) planen, zu sprechen:

"Bis zur Verstaatlichung der irakischen Ölindustrie 1972 saßen überwiegend amerikanische und britische Konzerne im Irak am Hebel. Nach dem irakisch-iranischen Krieg und Bagdads Überfall auf Kuwait war der Ofen für die amerikanischen und britischen Konzerne ganz aus... Auch wenn die UN-Sanktionen internationalen Ölkonzernen Geschäfte im Irak praktisch unmöglich machen, sitzen viele bereits in den Startlöchern für 'die Zeit nach Saddam'. An der großen Öl- und Gasmesse in Bagdad im September 1999 nahmen mehr als 50 Firmen teil. Alle außer Amerikanern und Briten waren vertreten. Die französische TotalFinaElf hat eine Vereinbarung zur Entwicklung des Ölfeldes Majnoon rund 50 Kilometer nördlich von Basra in der Tasche, die größte russische Ölfirma Lukoil sicherte sich schon 1997 einen Vertrag zur Modernisierung des West Kurna-Feldes im Umfang von 3,5 Milliarden Dollar. Chinas National Petroleum Corporation bekam den Zuschlag für das nördliche Rumailah-Feld... Die drei größten Ölkonzerne, die amerikanische Exxon-Mobil, die anglo-niederländische Royal Dutch Shell, die britische BP und der US-Konzern Chevron-Texaco, sind praktisch nicht dabei. Das könnte sich nach einem Krieg und amerikanischer Besatzung im Irak schnell ändern..."

Das die herrschende Situation den US-amerikanischen und britischen Konzernen mißfällt, läßt sich begreifen. Die Verstaatlichung der Ölindustrie - und das in einem Land mit den zweitgrößten Ölvorräten der Welt - ist eine Provokation, die nicht länger hingenommen werden kann. Also muß der Provokateur jetzt, nachdem man ihn eine Weile für seine Zwecke benutzt hatte, in einer Weise dargestellt werden, die seine Beseitigung rechtfertigt:

"Seit 1979 ist Saddam Hussein unumschränkter Alleinherrscher des Iraks. Sein Regime gründet sich auf den Krieg gegen das eigene Volk, auf Gewalt, Folter und einen lückenlosen Überwachungsapparat... Mit seinen Provokationen gegenüber dem Westen und der propagandistisch äußerst geschickt ausgeschlachteten Verstaatlichung der irakischen Ölindustrie stilisierte er sich erfolgreich zum Helden der arabischen Welt. Mit dem Slogan 'Arabisches Öl den Arabern' erhob er sich selbst zum Mythos: zu einer Art wiedergeborenem Saladin, der einst die Kreuzritter bezwang." So wird mit dem Ton der Entrüstung in einem Beitrag mit dem Titel "Das Psychogramm des Diktators am Tigris" im ARD-Kulturweltspiegel über das Buch "Saddam Hussein - Porträt eines Diktators - Die Biographie" am 15.12.2002 formuliert. Das Buch zeichne "das beklemmende Porträt eines zwischen Hitler, Stalin und Pol Pot oszillierenden Diktators". "Präsident George W. Bush hat die CIA ermächtigt, Saddam Hussein umzubringen. Aber sie schaffen es nicht, denn er hat ungeheuer effiziente, alles umfassende Sicherheitskräfte, die ihn schützen", heißt es in dem Buch von Con Coughlin, Chefredakteur des "Sunday Telegraph". Die Schlußfolgerung heißt Krieg.

Die 'Passauer Neue Presse' weiß am 9.2.2003 in einem Buchtipp noch mehr: "Erzogen von einem gewalttätigen Onkel, der ein glühender Verehrer Hitlers war, wurde Saddam zum Folterspezialisten, der vor keiner Grausamkeit zurückschreckte und mit Vorliebe brennende Zigaretten in den Augäpfeln seiner Gegner ausdrückte. Ein schiitischer Dissident berichtet, wie Saddam einen Inhaftierten umbrachte: 'Er kam in die Zelle, packte Dukhail und warf ihn in ein Säurebad.'"

Würde Saddam Hussein den britischen und US-amerikanischen Konzernen bei der Nutzung der Ölquellen freie Hand lassen, würde all das, was ihm jetzt vorgeworfen wird, keine Rolle spielen, würde sein 'hartes' Vorgehen gegen 'Chaoten', 'Störenfriede' und 'Terroristen' gelobt, wären die Vergleiche mit Hitler und Stalin nicht erforderlich und es müßte auch nichts an Horrorgeschichten dazuerfunden werden. Viel schwerwiegender als jedes Vergehen ist es, sich den Machtinteressen der Konzerne in den Weg zu stellen, ihnen den freien Zugriff auf die Rohstoffe eines souveränen Staates zu verwehren. Trotzdem: Es geht um Demokratie und Menschenrechte. Mit Öl hat das ganze überhaupt nichts zu tun.


Das große Spiel - Worum es geht

Auszüge aus einer Betrachtung von Andreas Hauß vom März 2003

Es geht nicht um Öl und aber doch... Es geht um die Kontrolle des gesamten Raums. Um die USA als asiatische Großmacht...

"1992 verfasste Wolfowitz [heute stellvertr. US-Verteidigungsminister] ein Strategiepapier, in dem er seine Vision von den USA als einziger Supermacht entwarf. Die USA müssten nach dem Ende des Kalten Krieges den Aufstieg von Regionalmächten verhindern, so Wolfowitz. Namentlich nannte er Deutschland und Japan. Amerika sollte seinen militärischen Vorsprung so weit ausbauen, dass kein Rivale es mehr einholen könne. Außerdem müssten die amerikanischen Streitkräfte in der Lage sein, mehrere Kriege gleichzeitig zu führen, um Diktatoren wie Saddam Hussein eigenhändig zu entmachten." (http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/885.html)

Die US-Strategen denken ... langfristig. Bushisten ("Neokonservative") stehen für imperiale Ziele der Öl- und Rüstungsindustrie, aber auch für die Marktinteressen anderer Industriezweige, die auf Expansion gerichtet sind. Das Umfeld dafür zu schaffen, bedeutet in deren Augen die auch militärische Unterdrückung nationaler Einzelinteressen weltweit. Was seit jeher dem Durchschnittsamerikaner uninteressant erscheint, speziell seit der Erfahrung in Vietnam.

Und so schloss Andrew Krepinevich seinen Vortrag vor dem US Senate Armed Services Subcommittee on Emerging Threats and Capabilities mit den Worten: "Daraus können wir schließen, dass beim Ausbleiben eines starken externen Schocks für die Vereinigten Staaten - eine Art verspätetem "Pearl-Harbour"- sich die Überwindung der Begrenzungen zur Transformation wahrscheinlich als langer mühseliger Prozess darstellen wird. Unterstützung und Zuwendung für dieses Vorhaben zu gewährleisten ist eine Herausforderung, die diesem neuen Komitee gerecht wird. Herr Vorsitzender, ich danke für die Gelegenheit, meine Gedanken zu den wachsenden Bedrohungen unserer Sicherheit darzustellen und dazu, wie wir am besten die Fähigkeiten entwickeln können, die wir benötigen, um ihnen erfolgreich entgegenzutreten." (http://www.csbaonline.org/ 4Publications/ Archive/ T.19990305.Emerging_Threats,_/ T.19990305.Emerging_Threats,_.htm)

Man beachte die Parallelität in der Ausdrucksweise, als die Überlegungen zur Strategie reiften: "So heißt es in dem Strategiepapier zur amerikanischen Verteidigungspolitik, das das Project for the "New American Century" im September 2000 herausgab: Dieser Umwandlungsprozess wird wahrscheinlich sehr lange dauern, es sei denn, ein katastrophales Ereignis tritt [ein], das als Katalysator dient - wie ein neues Pearl Harbor. Dieses "katastrophale Ereignis" kam allerdings früher als erwartet, wie Bill Kristol vom Weekly Standard mit unterschwelliger Genugtuung feststellt." (http://www.dradio.de/cgi-bin/es/neu-hintergrund/885.html)

Somit stehen wir derzeit vor der Großwetterlage, dass die USA mit aller Macht die Früchte des 11.September einbringen möchte... "CBS 4.Sept. 2002: CBS) CBS News has learned that barely five hours after American Airlines Flight 77 plowed into the Pentagon, Defense Secretary Donald H. Rumsfeld was telling his aides to come up with plans for striking Iraq - even though there was no evidence linking Saddam Hussein to the attacks." (Bei den meisten Kommentatoren findet man höchstens Hinweise darauf, dass in den Tagen nach dem 11.9. fieberhaft versucht wurde, Hussein etwas anzuhängen. Nein - es waren Stunden.)

Condoleezza Rice lieferte ... einen Einblick in die Denkweise der US-Regierung. "Selbst wenn Saddam Hussein morgen ins Exil gehen sollte, schließen wir eine Invasion nicht aus." (http://www.taz.de/pt/2003/02/11/a0087.nf/text)

Wie gnadenlos und zielgerichtet das große Spiel gespielt wird?: "Regret what? That secret operation was an excellent idea. It had the effect of drawing the Russians into the Afghan trap and you want me to regret it? The day that the Soviets officially crossed the border, I wrote to President Carter: We now have the opportunity of giving to the USSR its Vietnam war." Zbigniew Brzezinski, Präsident Jimmy Carters National Security Adviser in 'Le Nouvel Observateur' (France), Jan 15-21, 1998, p. 76 [Was gäbe es da zu bereuen? Die Geheimoperation war eine exzellente Idee. Sie sorgte dafür, daß die Russen in die afghanische Falle tappten...]

Und deshalb wird das Thema "11. September und seine Folgen" eine Fortsetzungsgeschichte bleiben.

Quelle: http://www.medienanalyse-international.de/worum.html


Eine Etappe auf dem Weg zur Weltherrschaft - Bush, Cheney, Rumsfeld & Co. arbeiten an ihrem 'Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert'

Betrachtung von Rainer Rupp - veröffentlicht u.a. in 'Neues Deutschland' vom 21.3.2003

Von Panikstimmung im britischen Außenministerium hatte der Londoner »Guardian« berichtet, nachdem USA-Verteidigungsminister Rumsfeld gedroht hatte, dass die USA den Krieg gegen Irak notfalls auch ohne die Briten führen würden, wenn London wegen fehlenden UNO-Mandats doch noch kalte Füße bekommen sollte. Rumsfeld wäre es vielleicht sogar recht gewesen.

Den Krieg gegen Irak alleine zu führen, ohne politische Einschränkungen durch die UNO oder Dazwischenreden von letztlich doch nur lästigen Verbündeten, das war von Anfang an das Ziel der Präventivkrieger um Vizepräsident Dick Cheney und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gewesen - im Gegensatz zu den professionellen Diplomaten im USA-Außenministerium, die lieber die Verbündeten einbinden wollten, selbst wenn es mehr Zeit gekostet hätte. Aber anders als Cheney und Rumsfeld, die mit diesem Krieg das »Neue amerikanische Jahrhundert« einläuten wollen, ist Außenminister Colin Powell ein Außenseiter und gehört nicht zum inneren Machtzirkel, der Präsident Bush führt.

Ziel dieses Zirkels ist es, die Rolle der USA als alleinige Supermacht und »unersetzliche Nation«, ohne die in der Welt nichts geht und gegen die erst recht nichts getan werden kann, für den Rest des Jahrhunderts zu festigen. Dazu gehört die von dieser Gruppe angestrebte »volle Dominanz« der USA über alle anderen Staaten und möglichen Allianzen von Staaten. Zur Verwirklichung dieses Ziels ist die Gruppe bereit, sich über Völkerrecht und alle internationalen Konventionen hinwegzusetzen. Dies entstammt nicht etwa einer obskuren Verschwörungstheorie, sondern den Strategiepapieren, die Cheney, Rumsfeld und die Gruppe um sie herum im Rahmen des 1997 gegründeten »Projekts für ein neues amerikanisches Jahrhundert« (PNAC) entwickelt haben. Diese Papiere haben seither Einfluss in höchst offizielle Strategiedokumente der Regierung der Vereinigten Staaten gefunden - darunter die neue, letzten Herbst von Präsident Bush verkündete Sicherheitsdoktrin. Darin nehmen sich die USA das »souveräne« Recht heraus, gegen alle Staaten Präventivkriege zu führen, von denen sie sich irgendwie bedroht fühlen, oder in diesen Staaten »Regimewechsel« nach ihrem Gusto durchzusetzen.

Rivalen werden nicht geduldet

Die Ursprünge dieser speziellen Entwicklung reichen jedoch noch weiter zurück. Im Februar 1992 hieß es in dem von Paul D. Wolfowitz, (heute Vizeverteidigungsminister, damals Staatssekretär für Verteidigungspolitik) und I. Lewis Libby, heute Sicherheitsberater von Vizepräsident Dick Cheney, redigierten offiziellen »Richtlinien zur Verteidigungsplanung« (Defence Planning Guidance - DPG) des Pentagon: »Unser erstes Ziel ist es, das Entstehen eines neuen Rivalen, ob auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion oder anderswo, zu verhindern, der eine Bedrohung ähnlicher Größe wie die frühere Sowjetunion darstellen könnte. Dieser Gedanke bestimmt grundlegend die neue regionale Verteidigungsstrategie. Dies erfordert, dass wir jegliche feindliche Macht daran hindern, eine Region zu beherrschen, deren Ressourcen unter ihrer direkten Kontrolle ausreichen würden, eine neue Großmacht zu werden.« Umgesetzt in praktische Politik bedeute dies, »die hoch entwickelten Industrieländer (also die EU-Staaten und Japan - d. R.) von jedem Versuch abzuhalten, unsere Führungsrolle in Frage zu stellen oder die bestehende politische und wirtschaftliche Ordnung umzustürzen« und »Mechanismen zu erhalten, die möglichen Konkurrenten alle Hoffnung auf eine größere regionale oder globale Rolle nehmen«.

In seiner neuen Sicherheitsdoktrin bekundete der USA-Präsident denn auch seine Absicht, die absolute militärische Überlegenheit der USA weltweit und unter allen Bedingungen aufrecht zu erhalten und auszubauen und alles zu tun, um das Auftauchen eines möglichen strategischen Rivalen bereits im Keim zu ersticken.

Zur Absicherung dieser Strategie gehört auch die Kontrolle über die Region mit den wichtigsten Öl- und Gasvorkommen vom Persischen Golf bis zum Kaspischen Meer, weshalb Vizepräsident Cheney im letzten Juni angekündigt hat, den geplanten Krieg gegen Irak als »Plattform für umfassende Reformen in der ganzen Region« zu nutzen, die nach US-amerikanischen Vorstellungen umgeformt werden soll, damit die regionalen wirtschaftlichen und politischen Mechanismen besser den Erfordernissen der von den USA betriebenen neoliberalen Globalisierung angepasst werden können.

Worum es tatsächlich geht, hatte bereits der nationale Sicherheitsberater der ersten Bush-Regierung, Exgeneral Brent Scowcroft, deutlich gemacht, als er schwärmte: »Dies ist eine Welt, in der der Kapitalismus gedeihen kann.« Seitdem die Vereinigten Staaten die einzige Supermacht sind, sind Globalisierung und US-amerikanische Macht zu einem Synonym geworden.

Carter und Clinton - viel zu »lasch«

Das »Projekt für ein neues amerikanisches Jahrhundert« war der Schoß, aus dem dieses jüngste Ungeheuer des amerikanischen Imperialismus gekrochen ist. Das PNAC war nach dem Vorbild einer sehr erfolgreichen ähnlichen Gruppe ins Leben gerufen worden, die 1980 den eiskalten Kriegspräsidenten Ronald Reagan an die Macht gebracht hatte. Damals handelte es sich um den »Ausschuss für die gegenwärtige Gefahr«, in dem fast alle späteren Regierungsmitglieder Reagans im Verein mit aktiven Pentagonstrategen und Rüstungskonzernen Pläne schmiedeten, um den »Niedergang der amerikanischen Macht« aufzuhalten und den Trend wieder umzukehren. Ihre Kritik galt dem angeblich »laschesten« USA-Präsidenten aller Zeiten, Jimmy Carter, der seit langer Zeit der erste Präsident war, unter dessen Führung die USA kein anderes Land angegriffen hatten.

Viel zu lasch zu sein und die US-amerikanischen Interessen im Ausland, insbesondere im Mittleren Osten, nur halbherzig durchzusetzen, war denn auch einer der ersten Vorwürfe des PNAC gegen Präsident Clinton. Bereits 1998 forderten das PNAC in offenen Briefen an Clinton und US-amerikanische Kongressabgeordnete, dass das Regime Saddam Husseins notfalls mit militärischer Gewalt von der Macht zu entfernen sei, um auf diese Weise im gesamten Nahen Osten der Durchsetzung US-amerikanischer Interessen mehr Nachdruck zu verleihen. Dabei müsse die Regierung auf einen Alleingang vorbereitet sein, weil die USA »sich nicht mehr auf ihre Partner aus dem Golfkrieg verlassen« könnten. Von den 18 Unterzeichnern dieser Briefe sitzen inzwischen 10 als Minister oder Staatssekretäre in Schlüsselpositionen der Bush-Regierung.

In einer strategischen Analyse mit dem Titel »Die Wiederherstellung der amerikanischen Verteidigung, Strategien, Streitkräfte und Ressourcen für eine Neues Amerikanisches Jahrhundert«, die im September 2000 kurz vor den Präsidentschaftswahlen veröffentlicht wurde, wies das PNAC auf die Gefahr hin, dass bei fortlaufendem Trend der laschen Haltung zu Verteidigungsfragen die weltweite US-amerikanische Vorherrschaft nicht mehr lange aufrechterhalten werden könne, es sei denn, so steht es in dem Bericht, »ein katastrophales und katalysierendes Ereignis tritt ein, wie ein neues Pearl Harbor«, das die Bereitschaft der US-amerikanischen Gesellschaft zu Opfern wieder erhöht. Als dieses Ereignis am 11. September 2001 tatsächlich eintrat, saßen diese Leute, deren erklärtes Ziel es ist, die Welt zu dominieren, bereits an den Schalthebeln der Macht.


Tödliche Technologie - Deutsche Rüstungskonzerne mischen beim Bombenkrieg gegen den Irak kräftig mit

Artikel von Ralf Wurzbacher in 'junge Welt' vom 7.4.2003

Von wegen keine deutsche Kriegsbeteiligung. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zu jeder sich bietenden Gelegenheit zum besten gibt, Deutschland habe beim Irak-Feldzug seine Finger nicht im Spiel, verdient die deutsche Rüstungsindustrie beim Bombenkrieg gegen Bagdad kräftig mit. »Im Moment könnten die Amerikaner den Krieg im Irak nicht so führen, wie sie ihn führen, ohne deutsche Hochtechnologie«, belehrte Michael Broszka vom Institut für Konversionsforschung das hiesige Fernsehpublikum am Donnerstag abend eines Besseren. Zu Wort kam Broszka im ARD-Politmagazin Monitor, das in einem fakten- und lehrreichen Beitrag mit der regierungsamtlich verbreiteten Lüge abrechnete, Deutschlands politische Führungsriege bestehe urplötzlich aus lauter Pazifisten.

Beispiele für militärtechnologische »Anhängsel« an amerikanischem Kriegsgerät aus deutschen Rüstungsschmieden lieferte Monitor gleich reichlich. So könnten etwa US-Piloten ihre tödliche Bombenfracht ohne die hierzulande produzierten Infrarotsensoren unterhalb des Rumpfes der F-15-Kampfflugzeuge niemals so zielgenau in Häuser, Bunker und Regierungsgebäude lenken, wie sie das gegenwärtig auf dem irakischen Schlachtfeld praktizieren. Auch in anderen Bereichen steckt die deutsche Rüstungsindustrie unter einer Decke mit den US-Militärs. Der Kampfpanzer Abrams, der meisteingesetzte Panzer der US-Armee im Irak-Krieg, ist nach Recherchen von Monitor mit einer Kanone samt zugehöriger Munition aus deutschen Landen ausgerüstet. Deutsche Wehrtechnik befindet sich laut Monitor unter anderem auch in Pistolen, Maschinenpistolen, Spürpanzern und Lenkflugkörper-Waffensystemen.

So weit, so schlecht - die Sache hat aber einen weiteren Haken. Was in »Friedenszeiten« noch mit »rechten Dingen« zugeht, ist seit Kriegsbeginn nach deutschem Recht schlicht illegal. »Die Bundesregierung darf zur Zeit keine Rüstungsexporte in die USA genehmigen, denn die USA führen zur Zeit einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg«, erläuterte der Verfassungsrechtler Volker Epping in Monitor. Nicht nur der Export deutschen Militärgeräts an die angreifende Kriegspartei widerspreche geltenden deutschen Rechtsnormen, genauso wenig dürften deutsche Waffen laut Kriegswaffenkontrollgesetz bei einem Angriffskrieg Verwendung finden.

Die politisch Verantwortlichen reagieren auf entsprechende Hinweise wahlweise allergisch oder gar nicht. Die Bundesregierung hat Monitor jede Stellungnahme verweigert. Immerhin dem verteidigungspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, konnte das Politmagazin eine höchst eigenwillige Version deutsch-amerikanischer Völkerverständigung entlocken: »Wenn Freundschaft bestehen bleiben soll, dann darf man den Amerikanern nicht noch zusätzliche Steine in den Weg legen.« Lieber legt man den Irakern noch eine paar Landminen in den Weg. Mit Moral darf man Arnold aber nicht kommen, denn »moralisierend Recht zu haben, genügt mir nicht in der Politik, sondern etwas zu bewirken ist es, was die Menschen von uns erwarten«. Wenn der SPD-Mann mit »Menschen« die deutschen Rüstungslobbyisten meint, dann hat die Regierung freilich schon einiges »bewirkt«. Tatsächlich sind die USA in den vergangenen Jahren zum größten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie avanciert.


Aber heute geht es um Demokratie und Menschenrechte

Schlaglichter aus der Geschichte des Kampfes um Öl - Faktenzusammenstellung ausgehend von der Sendung des WDR-Fernsehens 'Blut und Öl' vom 28.3.2003

1919
Großbritannien führt Krieg im Norden des Irak gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Kurden: zwischen Mossul und Kirkuk wird Öl vermutet.

20er Jahre
Das weltweite Ölgeschäft (Förderung, Transport und Vertrieb) wird durch die britischen Konzerne BP und Shell sowie die US-Konzerne Texaco, Mobil Oil, Gulf Oil, Standard Oil of California und Exxon kontrolliert und wirft riesige Profite ab, ohne daß die Ölförderländer daran nennenswert beteiligt werden.

1927
Im Norden des Irak bei Kirkuk wird Öl gefunden.

30er Jahre
Beginnende Ölförderung im Nahen Osten durch britische Firmen u.a. im Iran (Platz 4 der Weltproduktion) und im Irak sowie durch US-Firmen in Bahrain, Kuwait und Saudi Arabien

1941
Deutschland unterstützt im Irak Aufstände gegen die britische Besatzung mit dem Ziel, sich Zugang zum dortigen Öl zu verschaffen (allerdings ohne Erfolg).

1942
Deutschland unternimmt den Versuch der Eroberung der sowjetischen Ölfelder am Kaukasus (Majkop, Grosny, Baku). Der Vormarsch endet in Majkop, wo die Sowjetarmee die Ölquellen in Brand setzt.

1947
Der Nahe Osten wird Hauptexporteur für Erdöl. Kern der US-Politik wird die Sicherung des Zugangs zu diesem Öl.

1951
Der demokratisch gewählte Präsident Mohammed Mossadegh verstaatlicht die iranische Ölindustrie. Erste Reaktion ist ein von den britischen Konzernen eingefädelter Boykott iranischen Öls.

1953
Die CIA versucht im Iran mit Hilfe des Königs, Schah Reza Pahlewi, den Präsidenten Mohammed Mossadegh zu stürzen (der Putsch scheitert allerdings, der Schah flieht nach Rom). Tausende gehen für Mossadegh auf die Straße, darunter auch CIA-Agenten, deren Aufgabe es ist, durch Gewalttaten Mossadegh in Verruf zu bringen. Teile der Armee stellen sich daraufhin gegen Mossadegh. Er wird verhaftet und zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Der wieder amtierende Schah läßt in den folgenden Jahren 10tausende Oppositionelle verfolgen, foltern und ermorden. Hauptnutznießer sind die USA: sie haben nun ungehinderten Zugang zum iranischen Öl.

1956
Der ägyptische Präsident Nasser verstaatlicht den wichtigsten Transportweg für das Öl, den Suezkanal. Im Oktober greift Israel Agypten an. Großbritannien und Frankreich greifen in den Konflikt ein, ziehen sich aber auf Druck der USA wieder zurück.

1962
Enrico Mattei, Chef des staatlichen italienischen Erdölkonzerns ENI, schließt Verträge direkt mit erdölproduzierenden Ländern und gefährdet damit die Macht der großen Ölkonzerne. Mit einer Bombe an Bord stürzt sein Firmenjet am 27. Oktober 1962 ab. Nach Matteis Tod wird die ENI wieder zuverlässiger Partner der großen Ölkonzerne.

1967
Israel dringt im sog. Sechs-Tage-Krieg bis zum Ostufer des Suezkanals vor.

1967
In Nigeria (Platz 10 der Öl-Weltproduktion) verlangen die ölreichen östlichen Landesteile größere Beteiligung an den Gewinnen und rufen den Staat Biafra aus. Der Aufstand wird in einer drei Jahre währenden Auseinandersetzung blutig niedergeschlagen.

1972
Der Irak verstaatlicht die Ölindustrie. Die Rolle der US-amerikanischen und britischen Öl-Konzerne wird dadurch wesentlich zurückgedrängt.

1973
Am 1. September verstaatlicht Libyens Revolutionsführer Gaddafi die Ölindustrie und fordert höhere Beteiligung an den Gewinnen zu Lasten der multinationalen Ölkonzerne. (1986 bombardieren die USA Tripolis und Bengasi mit dem Ziel Gaddafi, den Führer eines 'Schurkenstaates' umzubringen.)

1980
Mit Unterstützung der USA und weiterer westlicher Länder greift der Irak (mit Präsident Saddam Hussein an der Spitze) den Iran an, wo ein Jahr zuvor Ayatollah Khomeini den USA-freundlichen Schah gestürzt hat. Der Krieg dauert bis 1988 und fordert mehr als eine Million Tote. Kriegsschauplatz wird auch der persische Golf, der wichtigste Öltransportweg der Welt.

1990
Der Irak besetzt das benachbarte Kuwait, das über 20% der Weltölvorräte verfügt.

1991
Die USA und ihre Verbündeten greifen den Irak an und erobern Kuwait zurück. Mehr als 100.000 Menschen kommen dabei ums Leben, infolge des seitdem gegen den Irak verhängten Embargos mehr als eine Million.

1994
Rußland greift, nachdem sich bereits die Anrainerstaaten am kaspischen Meer Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan unabhängig erklärt haben, das ebenfalls nach Unabhängigkeit strebende Tschetschenien an, dessen Hauptstadt Grosny der Knotenpunkt der russischen Ölversorgung aus dem kaspischen Meer ist. Angeführt von BP werden in den von Rußland unabhängigen Anrainerstaaten die Ölgeschäfte organisiert. Kasachstan, Turkmenistan und Aserbaidschan (Hauptstadt Baku) werden in die Nato aufgenommen, um den Zugang zum Öl auch militärisch abzusichern.

2001
Im Oktober greifen die USA (mit George W. Bush, dessen Wahlkampf mit 50 Millionen Dollar von den texanischen Ölkonzernen finanziert worden ist, an der Spitze) Afghanistan an. Zum Ministerpräsidenten Afghanistans wird Hammid Karsai, Ex-Berater der US-Ölindustrie. Dem Bau einer Pipeline durch Afghanistan für den besseren Zugriff auf das Öl des Mittleren Ostens steht jetzt nichts mehr im Wege.

2003
Die USA und Großbritannien greifen (militärisch unterstützt durch Deutschland und die 'Koalition der Willigen') den Irak an.

Ein Jahrhundert lang ging es um Macht und wirtschaftliche Interessen und dabei zu einem erheblichen Anteil um die Energiequelle Öl. Aber jetzt wollen die USA den armen, unter Saddam Hussein leidenden Irakern Demokratie und Menschenrechte bringen.


Ergebnisse der 'Operation Freiheit für den Irak'

Aus der Seite www.aljazeerah.info/News%20Photos/Photos%20of%20Iraq%20war%20victims.htm

Diese Seite ist seit dem 09.04.03 aus unerfindlichen Gründen (?) nicht mehr erreichbar. Beim Aufruf der Seite kommt die Meldung: "Unable to fetch Domain". Offensichtlich stören Kriegsbilder bei der Propaganda!

Bild 1
(Quelle ursprünglich: www.aljazeerah.info)
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(Quelle ursprünglich: www.aljazeerah.info)

Deshalb werden die Bilder hier (http://home.t-online.de/home/h.-j.werner/kbilder.htm) solange gespiegelt bis die Bilder wieder in der Originalseite sichtbar sind. Es wird gebeten, dies auch auf anderen Seiten zu machen!


Quelle: http://home.t-online.de/home/h.-j.werner/kbilder.htm


Die neuen Nazis marschieren

Ein Schrei des Entsetzens - von Andreas Vogel, November 2004

Der 'Walkürenritt' von Richard Wagner ertönt. Zu Siegesberichten und Sondermeldungen hören wir heroische Klänge: 'Les Preludes' von Liszt oder Wagners 'Walkürenritt'. Phosphorbomben machen die Stadt des Feindes zur Hölle.

Ein Kriegsteilnehmer erinnert sich: "Gleich nach Kriegsbeginn sah ich im Kino in der Wochenschau Bilder der Luftwaffe. Piloten mit markanten und ernsten Gesichtern unter der Fliegerkappe lenkten ihre Ju86-Sturzkampfbomber zur Musik aus Richard Wagners Walkürenritt den Zielen entgegen." ... "Ich möchte fliegen! Ich werde ein Pilot! Und im inneren Ohr hörte ich Richard Wagners Walkürenritt." Das war seine Reaktion.

Gekonnt eingesetzte Licht- und Tontechnik: Jüdische Marktszenen sind mit verzerrten, maurischen Klängen unterlegt. Arische Arbeiter dagegen werden mit Musik in Verbindung gebracht, die an Wagner's 'Walkürenritt' erinnert. So treiben es die Nazis in ihrem propagandistischen Machwerk, dem Film 'Der Ewige Jude'.

Es ist wieder soweit

"A psychological operations Humvee blaring Richard Wagner's 'Ride of the Valkyries' drove by, followed by creaking military construction equipment." So schreibt der Berichterstatter des 'Chicago Tribune', der mit US-Einheiten in die irakische Stadt Falludscha vorrückte, am 10.11.2004. Also: Ein Wagen der psychologischen Kriegsführung, gefolgt von 'knarrender' militärischer Gerätschaft, spielt über Lautsprecher Wagners 'Walkürenritt'...

"Die irakische Stadt Falludscha ist binnen Tagen in ein großes Totenhaus verwandelt worden. Aus einem Bericht der Washington Post geht hervor, daß die US-Armee bei ihrer 'Operation Morgendämmerung' genannten Großoffensive auch Chemiewaffen einsetzt. Wie die US-Zeitung meldete, feuerte die Artillerie Granaten mit Weißem Phosphor auf die 300 000 Einwohner zählende Stadt ab. Dadurch sei eine Feuerwand entstanden, die mit Wasser nicht gelöscht werden konnte. Krankenhausarzt Kamal Hadeethi sagte gegenüber der Washington Post: »Ich habe zahlreiche Tote mit schweren Verbrennungen gesehen. Einige Leichen waren geschmolzen.« Auch andere Bewohner von Falludscha berichteten von gespenstischen Szenen: Im Bezirk Dscholan seien die Straßen mit Kratern übersät, überall lägen Leichen. An Hausmauern klebten Fleischfetzen." (Rüdiger Göbel, junge Welt, 13.11.2004)

Falludscha: das neue Halabscha

"Der Diktator, der die gefährlichsten Waffen der Welt ansammelt, hat sie bereits gegen ganze Dörfer eingesetzt - wodurch tausende seiner eigenen Bürger getötet, blind oder entstellt wurden... Wenn das nicht das Böse ist, dann weiß ich nicht, was das Böse ist." So hören wir US-Präsident George W. Bush in seinem Bericht zur Lage der Nation am 28.1.2003 sagen. Und die Medien stehen in ihrem moralischen Eifer nicht zurück. Im 'Spiegel' beispielsweise heißt es in einem Artikel mit dem Titel "Akte Saddam - 'Der gefährlichste Mann der Welt'" zu den Vorkommnissen, die bis heute letztlich nicht geklärt sind, zur Einstimmung auf den Krieg gegen den Irak am 3.2.2003: "Im März 1987 ernannte Saddam seinen mörderischen Cousin Ali Hassan al-Madschid zum Gouverneur des Nordirak. Am 16. März 1988 unternahm Ali Hassan seinen berüchtigten Überfall auf die kurdische Stadt Halabdscha. Er setzte verschiedene chemische Kampfstoffe ein und tötete mindestens 5000 kurdische Zivilisten..."

Und heute - im November 2004 - nach dem verhehrenden, mörderischen Überfall der USA auf die Stadt Falludscha? Was hören wir jetzt? Bundeskanzler Schröder spricht den Betroffenen sein Beileid aus: "Mit großer Bestürzung habe ich vom Tod der [Menschen] erfahren, die heute Opfer eines besonders heimtückischen Angriffs in ... Falludscha geworden sind. Ihnen, den Familienangehörigen der Opfer und dem ganzen ... Volk möchte ich zu diesem Verlust mein tief empfundenes Beileid ausdrücken."

Nein, dieser Text hat nichts mit dem Blutbad, das die USA in Falludscha angerichtet haben, zu tun. Dieser Text stammt nicht vom November 2004, sondern vom 2. November 2003, als ein US-Militärhubschrauber abgeschossen wurde. In vollem Wortlaut heißt es in dem Beileidsschreiben: "Sehr geehrter Herr Präsident, lieber George, mit großer Bestürzung habe ich vom Tod der 15 amerikanischen Soldaten erfahren, die heute Opfer eines besonders heimtückischen Angriffs in der Nähe von Falludscha geworden sind. Ihnen, den Familienangehörigen der Opfer und dem ganzen amerikanischen Volk möchte ich zu diesem Verlust mein tief empfundenes Beileid ausdrücken."

Heute warten wir auf eine derartige Erklärung - vergeblich. Seit Beginn des völkerrechtswidrigen Raubüberfalls der USA und ihrer 'Koalition der Willigen' auf den Irak zählen wir 100.000 Tote auf Seiten der irakischen Bevölkerung (gemäß einer Studie, die am 29.10.2004 von der britischen Medizinzeitschrift 'The Lancet' www.thelancet.com veröffentlicht wurde). Präsident Bush, Saddam Hussein in Potenz, und seine Hintermänner können ihr Spiel treiben - ohne das Geheul der führenden Politiker und der Medien.

Der 'Walkürenritt' ertönt. Die Zeit, in der diese Musik nur im Rahmen von 'Antikriegsfilmen' wie Francis Ford Coppolas 'Apocalyse Now' von 1979 zur Untermalung eines Massakers an - damals vietnamesischen - Zivilisten zum Einsatz kommt, ist vorbei. Der 'Walkürenritt' ertönt wieder in Zusammenhang mit realen Kriegen.

Die Nazis sind auferstanden

Fast unbehelligt können sie ihr menschenverachtendes Spiel treiben. Einen Schrei des Entsetzens hören wir in der 'zivilisierten' westlichen Welt kaum, auch vonseiten der deutschen 'Antikriegspolitiker' nicht. Sie sprechen nur dann von Auschwitz, wenn es darum geht - wie 1999 gegen Jugoslawien - die eigenen Kriege zu legitimieren.


Davidstern - Das Foto, das auf der Titelseite der New York Times fehlte

Artikel von Thomas Immanuel Steinberg vom 28.5.2004

Im Foltergefängnis Abu Ghraib zeigt ein Mann in Dienstuniform seinen tätowierten Oberarm. Zu erkennen sind ein Skorpion mit aufgestelltem Stachel und die israelische Fahne mit dem Davidstern.

veröffentlich bei 'counterpunch' mit der Bildunterschrift 'A guard at Abu Ghraib prison'

Das Foto dieser Szene kam nicht auf die Titelseite der New York Times. Counterpunch veröffentlichte es. Der Anblick hat mich sehr bedrückt. Warum?

Meine Familie

Meine Mutter war Jüdin, ihr Vater hat im KZ Buchenwald gelitten. Der eine Bruder flüchtete mit sechzehn nach England und wurde dort als feindlicher Ausländer interniert. Der andere litt im KZ Theresienstadt, die Schwester im Arbeitslager. Auch der Vater meines Vaters war Jude. Eine meiner Urgroßmütter, zwei Großonkel und zwei Großtanten wurden im KZ Auschwitz ermordet.

Meine Eltern haben den Nazi-Terror überlebt, und ich konnte im August 1945 geboren werden. Ich besuchte in Berlin das Französische Gymnasium. Das war die Schule mit dem größten Anteil jüdischer Schülerinnen und Schüler. Ich habe dort, und vor allem in den Ferien, mit Feuereifer Französisch gelernt, später auch Englisch, denn meine Eltern warnten mich: Eines Tages könnte ich gezwungen sein, vor deutschen Antisemiten zu fliehen und im Ausland unterzutauchen. Israel hatte ich als Fluchtort im Blick, zumal entfernte Verwandte und Freunde meiner Eltern dort Zuflucht gefunden hatten. Allerdings war ich seit der Pubertät nicht mehr religiös. Ich habe anderthalb Jahre meines Lebens in den USA verbracht und mich mit Juden zusammen gegen den US-amerikanischen Rassismus und den Vietnam-Krieg eingesetzt. In Deutschland war ich dreizehn Jahre lang Mitglied einer Partei, die politische Heimstatt war für zahlreiche jüdische Widerstandskämpfer und Verfolgte des Nazi-Regimes. Meine Tochter hat in Hamburg im einem Judaica-Verlag gearbeitet und in Berlin im Jüdischen Museum.

Die Politik Israels

Auf der Grundlage des Tagebuchs von Moshe Sharett, dem israelischen Außenminister von 1948 bis 1956 und zeitweiligen Ministerpräsidenten, hat Livia Rokach, die Tochter des Innenministers unter Sharett, beschrieben, was die israelischen Politiker während meiner Kindheit und ihrer Jugend trieben. Das Ziel war, wie man auch bei den israelischen Autoren Michel Warschawski oder Ran HaCohen nachlesen kann, Israels Herrschaft auf Kosten aller Nachbarländer auszudehnen, zum Schaden der fremden und der eigenen Bevölkerung. Dasselbe Ziel verfolgt die israelische Politik bis heute. Sie unterdrückt, quält und mordet. Damit stachelt sie nicht-jüdische In- und Ausländer zu Handlungen auf, die als Rechtfertigung für weitere Ausdehnung herhalten können.

Die Israel-Politik der USA

Die USA haben Israels politische Ziele gefördert und fast immer seine Mittel gebilligt. Heute unterscheidet sich die Politik der US-Regierung von der Israels nicht mehr: Hohe Verwaltung, Massenorganisationen und Mehrheitspresse verfolgen in beiden Ländern die gleiche Linie. US-amerikanische Juden arbeiten Seite an Seite mit notorisch antisemitischen Evangelikalen und Skull & Bones-Korporierten an der Ausdehnung Israels und des US-amerikanischen Imperiums.

Die Wirkung der israelisch-US-amerikanischen Politik

Die Mehrheitspolitik der USA und Israels weckt Haß. Teilweise bleibt der Haß stumm, manchmal wird er laut und gewalttätig, sowohl im eigenen Herrschaftsgebiet wie außerhalb. Der Haß richtet sich nach und nach nicht allein gegen die Politiker und ihre Politik, sondern mehr und mehr auch gegen US-Amerikaner und Israelis allgemein. Da nicht nur US-amerikanische Juden, sondern auch große jüdische Verbände, wie der französische Zentralrat der jüdischen Organisationen, CRIF, die israelisch-US-amerikanische Politik unterstützen, werden die Juden allgemein wieder zur Zielscheibe der Kritik und des Hasses. Zum Glück sind die jüdischen Gegner der israelischen und der US-amerikanischen Politik nicht mundtot. Sie können den jüdischen und nicht-jüdischen Greueltätern ebenso entgegen treten wie Nicht-Juden.

Der Antisemitismus ist verbreitet, in Deutschland, in Polen, in Rußland, auch in den USA. Antisemitismus ist ein Defekt der Antisemiten, nicht der Juden. Zugleich empört die israelisch-US-amerikanische Politik jeden, der hinschaut. Besonders unter den nicht-jüdischen Anhängern des US-Imperialismus läßt sich der Antisemitismus leicht für politische Zwecke revitalisieren. Die Herrschenden werden sich nicht scheuen, „den Juden dem Neger zum Fraß“ hinzuwerfen, wie Jean Améry bemerkte. Sie können Israelis und Juden fallen lassen, ebenso, wie sie ihnen heute Platz gewähren.

Denn der Judenhaß sitzt tief. Jeden Tag, den die USA und Israel länger mordbrennend den Irak „demokratisieren“ und je länger die Palästinenser gequält werden, an jedem dieser Tage wächst der Stoff, aus dem der Antisemitismus sich sein Rechtfertigungsmäntelchen schneidert. Und dann krempelt ein israelischer Gefängniswärter, Dolmetscher oder Folterer in Abu Ghraib den Ärmel hoch und zeigt stolz den eintätowierten Davidstern.

Wenn der Antisemitismus wieder aufflammt und Juden in die Flucht schlägt: Wohin sollen sie dann fliehen? Israel ist keine Hoffnung, keine Zuflucht und keine mögliche Heimat mehr.

Quelle: http://www.steinbergrecherche.com/davidstern.htm