Den Haag, 28.6.2003, "Jugoslawien, Afghanistan, Irak... Freiheit für Milosevic!" - Protest zum 2. Jahrestag der Entführung des ehem. Präsidenten JugoslawiensBilder

Freiheit für Slobodan Miloševic!

Aufruf zu einer Internationalen Demonstration in Den Haag/Niederlande am Samstag, den 28. Juni 2003, aus Anlass des zweiten Jahrestages der Entführung des ehemaligen Präsidenten von Jugoslawien

Jugoslawien, Afghanistan, Irak ... Welches Land als nächstes? Stoppt die USA! Freiheit für Slobodan Miloševic!

Aus Anlass des zweiten Jahrestages der Entführung des ehemaligen Präsidenten von Jugoslawien rufen wir auf zu einer Internationalen Demonstration in Den Haag/Niederlande am Samstag, den 28. Juni 2003

Beginn 14 Uhr: Kundgebung vor dem "Tribunal", Churchill Plein 1, Übergabe einer Petition an das "Tribunal, anschließend Protestmarsch zur Haftanstalt in Scheveningen, Pompstatiosweg 46 A, Solidaritätsbotschaft an Slobodan Miloševic und Abschlusskundgebung

(Live-Schaltung zur zeitgleichen Kuba-Solidaritätsdemonstration in Rom)

Verleumdet von Anfang an, haben Slobodan Miloševic, die Sozialistische Partei Serbiens und alle patriotischen Kräfte Widerstand geleistet gegen die Zerschlagung Jugoslawiens in schwache, ethnisch separierte Territorien, gegen die Beherrschung durch IWF und Weltbank, gegen das Eindringen der McDonald-Kultur und gegen die NATO-gesteuerten rassistischen Terrortruppen, die zynisch als Freiheitskämpfer getarnt wurden. Gerade wegen dieses prinzipiellen Widerstands hat die NATO ihn in Den Haag vor das "Tribunal" gestellt.

In diesem Verfahren weigert sich Präsident Miloševic, Kompromisse zu machen, um sich selbst zu retten. Stattdessen entlarvt er unablässig die von der NATO und ihren Handlangern gegen Jugoslawien begangenen rassistischen Gewaltverbrechen.

Der Sturz von Slobodan Miloševic war ein "Regimewechsel" made in USA. Inzwischen wird Jugoslawien unter der Vorherrschaft von USA und Deutschland wirtschaftlich, sozial und kulturell verwüstet. Präsident Miloševic ist zum ersten politischen Gefangenen der so genannten "Globalisierung" der kapitalistischen Ausbeutung geworden. Durch das Kidnapping und das "Strafverfahren" des früheren demokratisch gewählten Präsidenten eines souveränen Staates haben die NATO und ihr "Tribunal" einen gravierenden Präzedenzfall für die Zerstörung der Souveränität der Staaten geschaffen.

Nach den militärischen Invasionen in Afghanistan und Irak fahren die USA und ihre Verbündeten fort, andere souveräne Nationen durch wirtschaftliche Sanktionen, Drohungen mit Massenvernichtungswaffen und Destabilisierungsversuche mit Hilfe von "dissidenten" und "oppositionellen" Kräften, die vom Ausland her organisiert werden, erpresserisch und gewaltsam zur Unterwerfung zu zwingen.

Wir, die Unterzeichner dieses Aufrufs sind der Meinung, dass es für künftige Kämpfe der Friedens- und sozialen Bewegungen gegen die Gefahr des Krieges unerlässlich ist, den Widerstand gegen diese kolonialistischen Kräfte beharrlich und konsequent fortzusetzen. Wir lassen nicht nach, gegen frühere Akte der Aggression und ihre Fortsetzung in Form von Besatzung und Unterwerfung der betroffenen Länder und des Ausverkaufs ihres Volksvermögens und ihrer Ressourcen an transnationale Konzerne zu protestieren. Wir bestreiten diesen Besatzern das Recht, irgendwelche "Strafverfahren" gegen führende Politiker der von ihnen kolonisiertenTerritorien durchzuführen.

Eingedenk der Urteile, die von unabhängigen Volkstribunalen in Berlin und New York gegen NATO-Führer wegen Führung eines Angriffskrieges und Kriegsverbrechen gegen das ehemalige Jugoslawien ergangen sind, appellieren wir an alle ehrlichen Menschen, gleich welcher politischen Überzeugung und sozialen Stellung, sich der Demonstration anzuschließen, um zu fordern:
  • Abschaffung des illegalen Haager "Tribunals", eines Instruments der Aggression und Okkupation
  • Freilassung von Slobodan Miloševic, der durch seine hervorragende Verteidigung gezeigt hat, dass er nur angeklagt wird, um die öffentliche Aufmerksamkeit von den NATO-Kriegsverbrechen und ausländischen Vorherrschaft abzulenken, die seinem Volk aufgezwungenen wurde.
  • Reparationszahlungen der Nato-Regierungen, die für alle Schäden verantwortlich sind, die durch ihren Angriffskrieg gegen Jugoslawien verursacht worden sind.
Unterzeichner:
  • Ramsey Clark, ehemaliger Justizminister der USA, Rechtsanwalt, Kopräsident des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Miloševic (ICDSM)
  • Prof. Dr. Velko Valkanov, Kopräsident des ICDSSM, Vorsitzender des Bulgarischen antifaschistischen Verbandes und Vorsitzender des Bulgarischen Komitees für Menschenrechte, Sofia/Bulgarien
  • Christopher Black, Toronto/Canada, Rechtsanwalt, Vorsitzender des Rechtskomitees und Vizepräsident des ICDSM
  • John Catalinotto, International Action Center, New York
  • Neil Clark, Journalist, Oxford
  • Mick Collins, Schriftsteller/Lehrer, Paris/France
  • Michel Collon, Journalist and Author, Belgien
  • Heather Cottin (Witwe von Sean Gervasi), Freeport, New York, International Action Center, New York
  • Paul De Marco, Richmond Hill/Canada
  • Sara Flounders, International Action Center, New York
  • Fulvio Grimaldi, Journalist and Filmregisseur, Vizepräsident des ICDSM, Rom
  • Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Deutschen Freidenkerverbandes und Vizepräsident des ICDSM Offenbach
  • Ralph Hartmann, ehem. Botschafter in Jugosalwien und Author, Berlin
  • Arlene Johnson, Saint John/Canada
  • Vladimir Krsjlanin, Sekretär des ICDSM und von SLOBODA/Freedom Association, Belgrad
  • Gordana Milanovic-Kovacevic, Berlin
  • Sima Mroavitch, PhD, Paris
  • Michael Parenti, Ph.D., Author und Dozent, USA
  • Milosav Popadic, Helsingborg/Schweden
  • Rolf Priemer, Chefredakteur von "Unsere Zeit", Bonn
  • Klaus von Raussendorff, Journalist, Bonn
  • George Szamuely, Journalist, USA
  • Nico Steijnen, Rechtsanwalt, Den Haag
  • Wil van der Klift, Chefredakteur von "Manifest", Den Haag
  • Dr Ljiljana Verner, Ärztin, Vizepräsidenten der Serbischen Diaspora in Deutschland, Hannover
  • Dr. Mimi Vitkova, ehemalige Ministerin für Gesundheit, Sofia/Bulgarien
  • Nikola Zivkovic, Journalist, Berlin
Kontakt: Dr. Liljana Verner, Hannover, Tel: +49 (0) 511-579571, Sima Mraovitch, Paris, Tel: +33 (0) 1-53621490


Warum demonstrieren Sie am 28. Juni in Den Haag?

Gespräch von Cathrin Schütz mit Klaus Hartmann, Vizepräsident des Internationalen Komitees für die Verteidigung von Slobodan Miloševic

F: Sie rufen für den 28. Juni zu einer Demonstration gegen das "Jugoslawien-Tribunal" in Den Haag auf. Machen Sie das öfter oder zum ersten Mal?

Zu bestimmten Anlässen traten wir in Den Haag schon demonstrativ in Erscheinung: Das begann mit einem einzelnen Solo-Demonstranten am 3. Juli 2001, bei der ersten "Vorführung" des früheren jugoslawischen Präsidenten, und auf dem Protestplakat war zu lesen: "Krieg ist Frieden - Sklaverei ist Freiheit - Den Haag ist Gerechtigkeit", das setzte sich fort bei verschiedenen Etappen des "Prozesses", vor dem Gebäude oder im Pressezentrum des "Tribunals". Aber diese Proteste von vielleicht ein bis zwei Dutzend Menschen waren "spontan" und wurden von der Polizei bald unterbunden. Die bevorstehende Demo hingegen ist "offiziell angemeldet", und soll auch ein paar Demonstranten mehr auf die Beine bringen.

F: Welche Forderungen sind mit ihrem Protest in Den Haag verbunden?

Wir fordern die Abschaffung des Haager "Tribunals", weil es völkerrechtswidrig zustande gekommen und somit illegal ist, und wir fordern demgemäß Freiheit für Slobodan Miloševic sowie alle anderen Inhaftierten, weil sie Gefangene einer illegalen Institution sind, sie sind politische Gefangene der NATO.

F: Also eine Demonstration für Slobodan Miloševic und gegen das das Haager Tribunal. Das wirft wohl bei manchem große Fragen auf. Können Sie Ihren Standpunkt erklären?

Die Fragen kommen erstens daher, dass die Völkerrechtswidrigkeit des "Tribunals" nicht begriffen ist, dass es mit einer Institution des Rechts verwechselt wird, sein politischer Charakter als Instrument der Fortsetzung der NATO-Aggression nicht ins Bewusstsein gedrungen ist. Und zweitens haben die Massenmedien jahrelang eine Kampagne zur Diffamierung der Serben gesteuert, die echt rassistisch war. Und die Krönung der Gehirnwäsche war die Dämonisierung des obersten politischen Repräsentanten und Verantwortlichen dieses Landes. Das diente alles zur propagandistischen Mobilmachung, zur Förderung der Kriegsbereitschaft.

F: Nach Ihrer Meinung ist Miloševic also unschuldig?

Unschuldig? Wie meinen Sie das? Jungfrau ist er sicher nicht. Aber im Ernst: Es geht nicht um die Bewertung seiner Person oder Politik, da gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Es geht um die Beschuldigungen in Den Haag, und da gibt es keinen Zweifel: Nicht schuldig im Sinne dieser falschen und illegalen Anklage! Das begann schon mit der "Anklageschrift", die ganz im Stile der Medienkampagne Miloševic beschuldigte, mit einer "Brandrede 1989 im Kosovo den Balkan in Brand gesetzt" zu haben. Gerade einen Satz trauten sie sich, aus dieser Rede zu zitieren! Lesen sie selbst! Die Rede ist das Gegenteil dessen, als das sie gehandelt wird, geradezu friedensnobelpreisverdächtig! Oder schauen Sie sich die Tragikomödie in diesem "Gericht" doch mal an - falls mal was gezeigt wird: Für die Sendung "Pleiten, Pech und Pannen" wär´ das der Renner, doch leider hatten die Auftraggeber ja was ganz anderes bestellt, deshalb der fast totale Ausschluss der Öffentlichkeit.

F: Haben Sie denn Hoffnung, dass inzwischen wenigstens ein Teil der Linken die brutalen Kriege gegen Afghanistan und den Irak sowie die neuen "Massenproteste gegen den Imperialismus" zum Anlass genommen hat, die "humanitäre" Rechtfertigung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien und vielleicht gar die Rolle von Slobodan Miloševic zu überdenken?

In immer schnellerer Folge wechseln die Kriegsschauplätze - viele Friedensfreunde verlieren den Überblick und übersehen die Zusammenhänge. Manche, zumindest in Deutschland, trauen sich offenbar nur gegen Kriege zu protestieren, gegen die auch die Bundesregierung ist; wo "rot-grün" hingegen eigenhändig mitbombt, marschieren sie zumindest im Geiste mit. Jedoch: Wie der Überfall auf den Irak war die NATO-Aggression 1999 gegen Jugoslawien ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Damals wie heute ging es den USA um die Durchsetzung globaler Weltmachtansprüche, die Kontrolle von Rohstoffquellen und Transportwegen. Diesmal, im Irak, waren die Interessen des deutschen Imperialismus graduell verschieden - bei der Wahl der Mittel, nicht grundsätzlich! Mit dem neuen strategischen NATO-Konzept von 1999 wurde die Aggression gegen Jugoslawien zum "Türöffnerkrieg", zum entscheidenden Präzedenzfall für die Missachtung des absoluten Gewaltverbots des Völkerrechts. Auf dem Balkan wurde die neue Strategie der selektiven Aufhebung der Staatensouveränität und des Selbstbestimmungsrechts der Völker vorexerziert.

F: Wie wollen Sie denn einen Zusammenhang zwischen Irak-Krieg und Haager "Tribunal" begründen?

Gegenfrage: Was fällt Ihnen zu der ständig zitierten "US-Fahndungsliste der 55 meistgesuchten Iraker" ein? Wer sucht wen und warum? Und insbesondere: Mit welchem Recht? Dem Recht der Mächtigen, natürlich, aber das ist das Gegenteil von Recht. Dagegen bedrohen die USA gegenwärtig Belgien wegen der Klage irakischer Opfer gegen US-Militärs. Die USA weigern sich, dem Internationalen Strafgerichtshof beizutreten. Slobodan Miloševic hingegen soll als Symbol des Widerstandes gegen die neue Weltkriegsordnung exemplarisch in einem Schauprozess abgeurteilt werden - zur nachträglichen Legitimation der Aggression und Kriegsverbrechen der NATO, und als warnendes Beipiel zur Abschreckung aller "Unwilligen", Dissidenten und Abweichler, die nicht Vasallen der neuen Weltordner sein wollen. Hierfür wurde dieses völkerrechtswidrige Sondergericht geschaffen, das keine Institution des Rechts, sondern eine Kolonialbehörde darstellt. Es ist von der gleichen rechtsstaalichen Güte wie die Anstalt in Guantanamo. Deshalb ist die Forderung nach Abschaffung des Haager "Tribunals" und nach Freiheit für Slobodan Miloševic sowie alle politischen Gefangenen der NATO unverzichtbares Element des Kampfes für eine andere Weltordnung.

F: Und warum haben Sie ausgerechnet den 28. Juni für Ihre Demo in den Haag ausgesucht?

Nach dem "Regimewechsel" wurden auch in Belgrad willige Lakaien eingesetzt, die das Land und seine Verteidiger für einen Judaslohn verkaufen. Ausgerechnet am 28. Juni 2001, dem höchsten serbischen Feiertag, der an die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 erinnert, wurde Slobodan Miloševic vom Djindjic-Regime nach Den Haag entführt. Symbolträchtig wollten die Kidnapper deutlich machen, dass die Besiegten nun die Geschichtsdeutung der Sieger zu übernehmen hätten. Doch immer war und ist der 28. Juni Tag des Verrats und der Erniedrigung und zugleich Tag des Widerstandes gegen imperialistische Fremdherrschaft. Deshalb ist es auch das optimale Datum für den Protest gegen Carla del Ponte und ihre Auftraggeber.

F: Damit richtet sich der Protest auch gegen die aktuelle Regierung in Belgrad?

Heute agiert in Belgrad eine Marionettenregierung von Gnaden der USA nach den Direktiven des CIA-Residenten und US-Botschafters William Montgomery. In Komplizenschaft mit dem Haager Tribunal verweigern sie den "Angeklagten" aus ihrem Land jede Unterstützung, inzwischen selbst den Zugang zu Beweismitteln. Bisher hat die "Anklage" an jedem Verhandlungstag ein Fiasko erlebt, trotz nachgewiesener Versuche der Zeugenbestechung und -bedrohung. Deshalb ist es nun ihre offenkundige Absicht, Slobodan Miloševic, der als Ankläger der NATO auftritt, physisch und psychisch zu brechen - eine "biologische Lösung" als kalkulierter rettender Ausweg für die Veranstalter dieses Justizverbrechens. Dazu gehört, dass die Belgrader Komplizen jetzt mit einem Haftbefehl gegen Miloševics Frau versuchen, jeden Besuch von Angehörigen im Scheveninger ehemaligen Nazigefängnis unmöglich zu machen. In den Medien wurde verbreitet, seine Ehefrau Dr. Mira Markovic würde "im Zusammenhang mit Ermittlungen im Mordfall Stambolic" gesucht. Das war aber nur für die Verdummung der Öffentlichkeit bestimmt. Tatsächlich stützt sich der Internationale Haftbefehl auf den sagenhaften Vorwurf, Frau Markovic habe der Babysitterin ihres Enkels durch "Beziehungen" eine Wohnung verschafft! Da wird doch jeder Kabarettist blass vor Neid, und kann sich gleich beim Arbeitsamt melden! Aber, warum sollen die Marionetten in Belgrad hinter denen in Den Haag zurückstehen?

F: Und wie viele Demonstranten erwarten Sie in Den Haag?

Ich liebe nur positive Überraschungen. Und ich erwarte, mit einem Wort, jene Menschen, die sich das Denken mit dem eigenen Kopf noch nicht haben abtrainieren lassen.


»Freiheit hinter Gittern«

Artikel von Rüdiger Göbel in 'junge Welt' vom 30.6.2003

Internationale Solidaritätsaktion: Freilassung von Milosevic gefordert

Die gute Nachricht zuerst. Die internationale Solidarität, auch mit Serbien und Jugoslawien, lebt weiter, sie ist nicht nur eine papierene Parole aus der Mottenkiste linker Geschichte. Aus einem Dutzend Länder, darunter Deutschland, die USA, Kanada, Italien, Frankreich, Österreich, Griechenland, Belgien, Bulgarien und Serbien, kamen am Samstag Demonstranten in Den Haag zusammen, um die Freilassung Slobodan Milosevics zu fordern und an die Opfer des NATO-Bombenkrieges 1999 zu erinnern.

Im Auftrag der Aggressorstaaten wird dem früheren Präsident Jugoslawiens vor dem UN-Tribunal der Prozeß gemacht wegen angeblicher Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Seit zwei Jahren wehrt sich Milosevic erfolgreich und daher weitgehend unbeachtet gegen seine Ankläger. Mit jugoslawischen und serbischen Fahnen, »Slobo, Slobo«-Rufen und Partisanenliedern marschierten die Demonstranten ins benachbarte Scheweningen, wo er seit dem 28. Juni 2001 in Haft sitzt.

Die weniger gute Nachricht dieses Tages: Es waren nicht eine Million Serben, die Milosevic ihre Unterstützung und Solidarität versicherten, wie noch 1989, als sie im Kosovo zum 600. Mal an die Schlacht auf dem Amselfeld erinnerten. An den Churchill Plein 1, den Sitz des UN-Tribunals in Den Haag, kamen am diesjährigen serbischen Feiertag Vidovdan nur knapp 300 Demonstranten. Aufgerufen zum Protest hatte das »Internationale Komitee zur Verteidigung Slobodan Milosevics« (ICDSM).

Die kleine Schar der Demonstranten reichte aus, die Sicherheitsbehörden rotieren zu lassen. Im Scheweningen-Gefängnis wurde am Samstag der Hofgang gestrichen, Milosevic Telefongespräche untersagt, um Live-Grußadressen zu verhindern. Klaus Hartmann, Bundesvorsitzender des Freidenker-Verbandes und IDCSM-Vizepräsident, zeigte sich denn auch zufrieden. »Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen«, sagte er gegenüber jW. Sicher sei die erste Solidaritätsdemonstration in Den Haag mit mehreren hundert Demonstranten eher klein gewesen. »Aber wir werden wiederkommen, und wir werden stärker werden.« Mit Verweis auf den alten Griechen Aristoteles sagte Hartmann zuversichtlich, »der Anfang ist mehr als die Hälfte des Weges«.

Tags zuvor hatte Hartmann zwei Stunden lang mit Milosevic gesprochen. »Er ist kämpferisch, läßt sich nicht unterkriegen«, berichtete er unter Applaus der Anwesenden von seiner Unterredung. Und er machte Mut für den Fortgang des Milosevic-Prozesses: »Nach der ersten Halbzeit steht die Anklage, allen voran Carla del Ponte, völlig nackt da,« erklärte der Freidenker-Chef. Bisher habe Milosevic jeden Zeugen der Anklage demontiert. Das »Kriegsgericht« fürchte die »zweite Halbzeit«, wenn der Angeklagte Zeugen berufen könne. Doch das Tribunal zehre an den Kräften Milosevics. Mittlerweile gebe es über eine halbe Million Seiten Prozeßakten. Hartmann forderte daher, das Verfahren ein Jahr zu unterbrechen und den Angeklagten auf freien Fuß zu setzen, damit er sich adäquat vorbereiten könne.

Vor den Knast-Toren verwies Hartmann auf die historische Dimension des »Falls Milosevic«: Das Gefängnis am Pompstationsweg 46 A im Seebad Scheweningen diente den deutschen Faschisten zur Inhaftierung niederländischer Widerstandskämpfer. »Heute sperren die Täter dort wieder ihre Gegner ein«, so Hartmann. Und weiter: »Den Kämpfern gegen die neue Weltkriegsordnung gehört unsere Solidarität.«

»Slobodan Milosevic sitzt nicht im Gefängnis, weil er Verbrechen begangen hat, sondern weil er gegen die Verbrecher gekämpft hat«, sagte Velko Valkanov, ICDSM-Kopräsident und Vorsitzender des Bulgarischen antifaschistischen Verbandes und des bulgarischen Komitees für Menschenrechte. Unter Führung von Milosevic hätten die Serben 1999 ihre Freiheit und Würde gegen die imperialistische Globalisierung verteidigt – und damit die Unabhängigkeit aller Völker. »Im Gefängnis befindet sich nicht nur Slobodan Milosevic, sondern die Freiheit selbst«, so Valkanov. »In Scheweningen sitzt die Freiheit hinter Gittern.«

Von Beginn an international verleumdet, hätten Milosevic, die Sozialistische Partei Serbiens und alle patriotischen Kräfte Widerstand geleistet gegen die Zerschlagung Jugoslawiens in schwache, ethnisch separierte Territorien, gegen die Beherrschung durch IWF und Weltbank, gegen das Eindringen der McDonald-Kultur und gegen die NATO-gesteuerten rassistischen Terrortruppen.

Zustimmung bei den Anwesenden fand auch der belgische Publizist Michel Collon. »Nach den militärischen Invasionen in Afghanistan und Irak fahren die USA und ihre Verbündeten fort, andere souveräne Nationen durch wirtschaftliche Sanktionen, Drohungen mit Massenvernichtungswaffen und Destabilisierungsversuche erpresserisch und gewaltsam zu unterwerfen«, so Collon. Für künftige Kämpfe der Friedens- und sozialen Bewegungen sei es unerläßlich, den Widerstand gegen diese kolonialistischen Kräfte beharrlich und konsequent fortzusetzen. Daß dies möglich ist, demonstrierte seine Linkspartei in den vergangenen Wochen eindrücklich. Mit einer von der PTB initiierten Anzeige gegen US-General Tommy Franks wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im jüngsten Irak-Krieg spielte sie mit einem Mal in der oberen Liga der Weltpolitik: Die belgische Regierung zog den gesammelten Unmut des Weißen Hauses auf sich. Unter Druck der US-Führung änderte sie inzwischen entsprechende Gesetzesregelungen. Nicht zufrieden damit erwägen die USA, Brüssel als Standort des NATO-Hauptquartiers aufzugeben.

Und so überwog am Samstag die Zuversicht. Mögen auch nur ein paar Hundert Demonstranten nach Den Haag gekommen sein. Sie zeigten eindrücklich und selbstbewußt: Widerstand ist möglich, die internationale Solidarität wächst. Ausgerechnet am Churchill Plein 1 und vor dem Gefängnistor in Scheweningen blühte am Vidovdan, dem Tag der Niederlage Serbiens, ein Stück Jugoslawien wieder auf.


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Initiative 'Free Slobo'