Hanne Hiob - Ein Portrait der Brecht-Tochter - Trägerin des Aachener Friedenspreises 2005Bilder

'Nie wieder Faschismus -
nie wieder Krieg!'

Presseerklärung der Initiative 'Aachener Friedenspreis' zur Auszeichnung der Schauspielerin und Autorin Hanne Hiob, 9.5.2005

Wir würdigen mit dem Aachener Friedenspreis an Frau Hanne Hiob das Lebenswerk eines Menschen, der sich seit mehr als 30 Jahren unerschrocken und mit all seiner Kraft gegen Faschismus, Rassismus und Krieg eingesetzt hat. Die Losung: „Nie wieder Faschismus - nie wieder Krieg!“ ist stets ihr Leitmotiv geblieben.

Die Verleihung des Friedenspreises an Hanne Hiob setzt ein Zeichen gegen alle neonazistischen Versuche, den Faschismus wieder salonfähig zu machen. Er ist ein Signal gegen Rechtsradikalismus und die wachsende Militarisierung in unserem Land sein.

Hanne Hiob ist Widerstandskämpferin gegen „Rechts“ und gegen den Krieg. Das Etikett „Radikale“ stand der grimmigen Kassandra bestens, galt ihr als Ehrenzeichen. Mit dem „Anachronistischen Zug“ und der „Legende vom toten Soldaten“ wird immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, dass dieses alte/neue Deutschland erneut den Weg geht, der Deutschland in den Krieg führt. Der ausgegrabene tote Soldat, der immer wieder „kriegsverwendungsfähig“ (k. v.) erklärt wird, symbolisiert, dass die Mächtigen in unserem Lande immer wieder den toten Soldaten aktivieren, also Krieg führen. Und insofern war und ist es geradezu eine - kassandrahafte - Offenbarung, dass Deutschland wieder Krieg führen würde.

Hanne Hiob agitierte und arbeitet auch heute noch in einer Vielzahl von Soloprogrammen („O Deutschland, bleiche Mutter“) sowie theatralische Aktionen für Asylbewerber, gegen Aufrüstung (80-er Jahre), gegen die vermeintlich post- und zugleich präfaschistische westdeutsche „Hai“-Society.

Hanne Hiob wurde als erste Tochter Bertolt Brechts aus der Ehe mit der Wiener Opernsängerin Marianne Zoff am 12. März 1923 in München geboren.

Während der Nazizeit schützte sie die Bekanntheit und Berühmtheit ihres Stiefvaters, Theo Lingen, vor der Verfolgung durch die Nazis.

Ihre Theaterlaufbahn begann sie 1941 als ausgebildete Tänzerin, Soubrette und Schauspielerin. Sie spielte auf allen großen europäischen Bühnen: in München, Wien, Salzburg, Berlin, Zürich, Frankfurt und Hamburg. Sie trat u.a. in Rollen aus Stücken von Gorki, Tolstoi, Strindberg, Sartre, Büchner, Kleist, Max Frisch, Dürrenmatt und Shakespeare, sowie in verschiedenen Erstaufführungen von Brechtstücken in München, Zürich und Frankfurt auf. Besonders erwähnenswert die Aufführung des Theaterstückes: „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ in Hamburg unter der Regie von Gustaf Gründgens. Daneben gab es auch Fernsehauftritte (ab 1969).

1976 beendete Hanne Hiob ihre Theaterlaufbahn und stellte eigene Brechtabende, Lesungen und antifaschistische Veranstaltungen zusammen. In einem Interview äußerte sie sich dazu: “...ich habe den Zufall, die Tochter Bert Brechts zu sein, mir zu Nutze gemacht, mit seinen Worten meine eigene Botschaft mitzuteilen....“. Seit über 30 Jahren kämpft Hanne Hiob gegen Faschismus, Militarisierung und Krieg. „Man muss auch mit schwachen Mitteln das Unrecht bekämpfen“ (Bertolt Brecht). So gestaltete sie Brechtabende unter dem Titel: „Lehnen Sie sich zurück“, „Der Schoß ist fruchtbar noch“, „Brecht gegen Wallmann“ u.v.a.m.

Als Mitveranstalterin und Akteurin wirkt sie auch in Straßentheaterprojekten mit wie z. B. dem „Anachronistischen Zug oder Freiheit und Democracy“ (1979, 1980 und 1990). Der Anachronistische Zug geht auf ein Gedicht von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1947 zurück. Damals waren zwei Entwicklungswege für Deutschland absehbar: ein antifaschistisch-demokratischer Weg oder die Rückkehr der alten Nazis in ihre Ämter. Der zweite Weg ist später in Westdeutschland beschritten worden. Brecht schrieb das Gedicht “Der Anachronistische Zug oder Freiheit und Democracy“ und zeigt, wie die ganzen alten Nazis Freiheit für sich forderten. In 41 Strophen werden die unterschiedlichen Klassen und Schichten der Bevölkerung beschrieben, die vom Faschismus profitierten. Erstmals 1979 wurde das Gedicht mit ihrer maßgeblichen Beteiligung vor der tagenden Bundesversammlung in Bonn am Rhein aufgeführt, als das ehemalige NSDAP-Mitglied Carl Carstens zum Bundespräsidenten gewählt wurde. 1980 fuhr der Zug gegen die Kanzlerkandidatur von Franz Josef Strauß während der Bundestagswahl drei Wochen quer durch die Republik. 1990, als die DDR an die BRD angeschlossen wurde, ist der Zug von Bonn 14 Tage durch die DDR gefahren und kam am Wahlabend in Berlin an. Am Silvesterabend 1999 / 2000 kehrte der anachronistische Zug erneut nach Berlin zurück. Von zwölf Uhr bis 18 Uhr fuhr der Zug durch verschiedene Stadtteile von Ostberlin. Während der Zug an der Bahnstation Friedrichstraße Pause machte, gingen einige Darsteller mit der Brechttochter Hanne Hiob mit Transparenten und Losungen in die feiernde Menge und führten die letzte Szene von Brechts Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« auf.

1989 inszenierte Hanne Hiob eine Tournee durch Deutschland unter dem Motto „Am Fleischerhaken hängt er, ach“ (Brecht). Die Abende bestanden aus Berichten von Deserteuren des 2. Weltkrieges - unter ihnen war auch Ludwig Baumann unser Friedenspreisträger aus dem Jahr 1995 - und jungen Bundeswehrgegnern.

„Nun lebet wohl und werdet Kämpfer“, heißt es in ihrer Lesung „Letzte Briefe aus Konzentrationslagern“. Mit diesen inzwischen mehr als 200 Lesungen in Theatern und Schulen, wendet sie sich besonders an die Jugend in unserer Republik. Dabei geht es ihr bei diesen Veranstaltungen nicht nur darum aufzuzeigen, was ein „Drittes Reich“ war. Sondern mit einem ständig aktualisierten Nachwort zeigt sie auch, wie es hier und heute aussieht mit Rassismus, dem Faschismus in unserem Land. – “Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem DAS kroch!“

Zum 60. Mal jährt sich 2005 das Ende des 2. Weltkrieges und die Befreiung vom Naziregime. Zu diesem Anlass ist in Berlin ein Projekt unter Beteiligung von Hanne Hiob geplant: “Das Begräbnis oder die himmlischen Vier“ .Sie erklärte dazu: “.... Die Antikriegsaktion „Das Begräbnis oder DIE HIMMLISCHEN VIER“ nach Brechts Gedicht „Die Legende vom toten Soldaten“ ist von hoher Aktualität. Mehr noch: Sie ist dringend nötig in diesem Land, das sich 60 Jahre nach der großen Barbarei weigert, durch die Umsetzung und Anwendung der Beschlüsse von Potsdam in die Reihe der Völker zurückzukehren, deren Losung zu Beginn des 21. Jahrhunderts nur sein kann : „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“

Quelle: www.aachener-friedenspreis.de