Köln, 24.10.2003, Gründung des Kölner SozialforumsBilder

"Aktiv gegen sozialen Kahlschlag - global und lokal : Die Stadt gehört uns"

Aufruf zur Gründungskonferenz 'Kölner Sozialforum' am 24./25.10.2003

Die Initiative für ein Kölner Sozialforum veranstaltet am 24./25.10.2003 unter dem Motto „Aktiv gegen sozialen Kahlschlag – global und lokal : Die Stadt gehört uns“ ihre Gründungskonferenz. In dieser Initiative zusammengeschlossen sind bereits zahlreiche Kölner Vereine und Initiativen aus den Bereichen Jugend, Kultur und Soziales, Umwelt- und Friedensinitiativen sowie globalisierungskritische, politische und gewerkschaftliche Gruppen. Mit Abschluss der Konferenz wird das Kölner Sozialforum nach Verlesen einer Gründungserklärung offiziell seine Tätigkeit aufnehmen.

Ziel des Kölner Sozialforums ist die Bündelung der Kräfte gegen den sozialen Kahlschlag. Als lokaler Teil der Weltsozialforen beabsichtigt es aber auch die Entwicklung von Alternativen zum heutigen Zustand der Stadt in Sinne einer Politik für alle Bürger und Bürgerinnen. „Der gesamte soziale Kahlschlag, Privatisierungen kommunaler Unternehmen oder Cross-Border-Leasing, all dies wird mit Verweis auf leere Kassen begründet“, kommentiert Jürgen Crummenerl von der Kölner Initiative die aktuelle Situation. „Ja, die Kassen sind geleert, aber zugunsten von Prestigeobjekten, Konzernen sowie Großinvestoren. Während die Bürger und Bürgerinnen seit Jahren immer tiefer in ihre Tasche greifen müssen, wurde den Unternehmen seit mehr als 14 Jahren eine Erhöhung ihrer Gewerbesteuer erlassen. Dagegen wollen wir uns gemeinsam wehren.“

Die Konferenz findet statt in der Fachhochschule Köln, Mainzer Str. 5. Sie beginnt am 24.10.2003 um 19.00 Uhr mit einer Auftaktveranstaltung. Neben Aktiven aus Gewerkschaften und Initiativen diskutieren dort Werner Rügemer, Antonio Andreoli, Kristine Karch und Tobias Pflüger vor dem Hintergrund der Globalisierung über den bundesweiten und lokalen Kürzungswahn. Am 25.10.2003 ab 10.00 Uhr werden dann in Workshops die bestehende Lage in Köln dargestellt, erfolgreiche Alternativprojekte präsentiert und weitere Aktivitäten des Sozialforums entworfen. Abgeschlossen wird die Konferenz am Abend dann mit der offiziellen Gründung des Kölner Sozialforums.


"Die Stadt gehört uns!! Wir wollen eine lebenswerte Stadt!"

Gründungserklärung des Kölner Sozialforums von Oktober 2003

Wie in vielen anderen Städten zeigt die neoliberale Politik auch in Köln immer mehr ihr wahres Gesicht. Der öffentliche Bereich spart sich zu Tode: Schulen, Sportanlagen, kulturelle Einrichtungen, Bürgerzentren und soziale Dienstleistungen sind die Opfer. Die davon betroffenen Menschen und darin beschäftigten Männer und Frauen werden allenfalls noch als Kostenfaktoren mit zwei Beinen betrachtet. Alles, was an öffentlichen Unternehmen noch lukrativ zu verscherbeln ist, wird privatisiert oder spekulativen Verkaufs- und Rückmietaktionen preisgegeben. Auch wenn man dafür wohl klingende Namen wie „cross-border-leasing“ erfindet, ist und bleibt es Diebstahl am gemeinschaftlichen Eigentum.

Gut sechzigtausend Erwerbslose, eine ständig wachsende Anzahl von Sozialhilfebeziehern, Familien, die seit Jahren in Armut leben, Kinder und Jugendliche ohne berufliche und persönliche Zukunftsperspektiven prägen das Leben in unserer Stadt. Auch wenn Stadtregierung und Grundbesitzerverband versuchen, „ihre“ Stadt von den Spuren der Armut zu säubern, sind die Folgen nicht zu übertünchen: steigende Gewalt und Entsolidarisierung.

Wer Geld, Reichtum und Profit als einzige Moral gelten lässt, muss sich über die Ergebnisse gnadenlosen Konkurrenzkampfes nicht wundern.

All dies sind keine Schicksalsschläge, keine Folgen einer dunklen Macht namens „Globalisierung“ oder unvermeidliche Wirkungen des Fortschritt. Es sind Ergebnisse einer gewollten und von CDU, FDP und SPD-GRÜNEN bewusst verfolgten Politik. Die Stadt ist nicht arm, vielmehr wurden die Kassen mit Hilfe einer Steuerpolitik geleert, die den großen Konzerne Geschenke hinterher wirft. Und für zweifelhafte und teure Bauobjekte wie die überdimensionierte Müllverbrennungsanlage, Köln-Arena, das neue Stadion sind ja Millionen da, wie auch die notwendigen Beträge zur Korrumpierung politischer Entscheidungsträger.

Wir wollen dies nicht tatenlos hinnehmen! Die Stadt gehört den Menschen.

Deshalb haben wir - Kölner Initiativen aus verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, politische und gewerkschaftliche Gruppen, Betroffene und engagierte Einzelpersonen - uns zum Kölner Sozialforum zusammengeschlossen. Wir wollen unseren Widerstand vernetzen und gemeinsam stärken.

Wir teilen nicht den Glauben an die Wunderkräfte des Marktes zur Lösung menschlicher Bedürfnisse.

Gute, für alle erschwingliche öffentliche Dienstleistungen, Nahverkehr, Bildung, Gesundheit, Wasser, Kultur sind unerlässliche Voraussetzungen eines zivilen Zusammenlebens und dürfen ebenso wie die natürlichen Lebensgrundlagen nicht den Profitinteressen einiger weniger geopfert werden. Ein Wirtschaftssystem, dass stattdessen Millionen Menschen zu Nullarbeit und entwürdigender Erwerbslosigkeit zwingt und die anderen zu Arbeitsstress, Überstunden und längerer Lebensarbeitszeit verpflichtet, ist dringend verbesserungsbedürftig.

Arbeitszeitverkürzung ohne Lohneinbussen ist eine Sofortaufgabe - auch zur Sicherung unserer Sozialsysteme.

Als BürgerInnen dieser Stadt treten wir ein für lebens- und liebenswertes, ein menschliches und solidarisches Köln. Gleiches fordern wir auch und gerade von den Reichen und Mächtigen in Politik und Wirtschaft.

Die neoliberale Politik, die weltweit die Kluft zwischen arm und reich vergrössert und die Zerstörung der Natur beschleunigt, darf keine Zukunft haben.

Wir mischen uns ein, bevor es zu spät ist.


"Aktiv gegen sozialen Kahlschlag - global und lokal - Die Stadt gehört uns"

Bericht von attac über die Gründung des Kölner Sozialforums am 24. und 25. Oktober 2003

Ca. 200 TeilnehmerInnen aus allen möglichen Gruppen und Initiativen beteiligten sich an der zweitägigen Konferenz des Kölner Sozialforums in der Fachhochschule Köln. Am Freitag Abend wurde der Kreis von der Lokalen Ebene der Politik über BRD und EU hin zu Globalen Fragen geschlossen.

Besonderes Interesse stieß dabei der Beteiligungshaushalt in Porto Alegre (Brasilien). Dort werden mittlerweile ca. 20% des kommunalen Haushaltes nicht mehr nur im Stadtparlament - sondern auch durch die Bevölkerung direkt, für Projekte, die dem Gemeinwohl nützen, verteilt. Das diese Art der direkten Beteiligung von Bürgern im kommunalen Bereich nicht stehen bleibt, zeigt die Tatsache, dass mittlerweile auch im ganzen Gebiet der Provinz "Rio Grande de Sul", die fast die größe der Bundesrepublik erreicht, ein Beteiligungshaushalt in Arbeit ist. Auch an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an Antonio Andreoli, der aufzeigte, dass es auch andere Politikansätze als den Nur-Parlamentarismus gibt.

Kristine Karch berichtete aus Paris von der Vorbereitung des Europäischen Sozialforums im November. Deutlich wurde dabei, das die Frage des Sozialabbaus nicht nur bei uns in Deutschland aktuell ist sondern dass dieses Thema europaweit relevant ist. Es wird erwartet, das das Thema Sozialabbau im nächsten Jahr auch ein europäischer Schwerpunkt werden wird. Durchaus auch mit großen nationalen Demonstrationen, ähnlich dem 15. Februar 2003, an dem weltweit ca 12 Millionen Menschen gegen den Irak-Krieg protestierten.

Ein weiteres Thema des Abends war die Verbindung von Rüstung und Sozialabbau und hier vor allem die neue EU-Verfassung, von der viele reden, die aber niemand kennt. In dieser Verfassung wird z.B. festgeschrieben, dass die EU "Robuste Einsätze" im Ausland befürwortet und dass dafür, von Seiten der EU, die nötigen Resourcen bereitgestellt werden. Oder aber in dieser Verfassung wird das herrschende "Neoliberale" (Kapitalistische) Wirtschaftssystem festgeschrieben. Nach diesem Vortrag von Tobias Pflüger war die Ablehnung dieses Verfasssungsentwurfes im Saal eindeutig.

Für uns Kölner interessant war auch der Beitrag von Werner Rügemer, der eine Vielzahl von Vorschlägen machte, die auf ihre Umsetzung warten. So z.B. die Erstellung eines Reichtumberichtes. Armutsberichte gibt es ja schon in einigen Kommunen - so auch in Köln. Nirgendwo gibt es aber einen Reichtumsbericht. Wo sind also diese Firmen oder Personen, die sich in Köln dumm verdienen - dafür aber wenig bis gar nichts zur Finanzierung der Kommune beitragen. Darüber hinaus machte er auch den Vorschlag, einmal die GewerbesteuerzahlerInnen, bzw. die GewerbesteuerNICHTbezahlerInnen aufzulisten. Ford, größtes Unternehmen in Köln, zahlt selbstverständlich keine Gewerbesteuer - aber wie sieht es mit den anderen Kölner Firmen aus?

Wir sollten uns nach W. Rügemer auch einmal mit den Kölner Schlepperbanden beschäftigen. Nein nicht mit den armen Schweinen, die noch Ärmere ausbeuten, damit diese versuchen können, hier bei uns Asyl zu erhalten. Wir sollten uns mit den Schleppern beschäftigen, die das hier erwirtschaftete Geld auf die Antillen oder in andere Steuerparadiese verbringen, damit einige wenige hier keine Steuern zahlen müssen. Wir müssen dafür nicht weit Reisen, drei Ecken weiter zur nächsten Privatbank reichen aus. bei der WestLB geht es natürlich auch.

Diese Vielzahl von Anregungen, die am ersten Abend dargestellt wurden, wurden am Samstag in den Arbeitskreisen fortgeführt.

Vormittags und Nachmittags wurde diskutiert: Mit Erfolg! In den nächsten Wochen werden sich verschiedenen Arbeitkreise zusammenfinden, die sich intensiver mit Themen wie z.B. der EU-Verfassung oder dem Kölschen Klüngel (und was damit zusammenhängt) beschäftigen werden. Auch ein "Korruptiponsbeauftragter" des Sozialforums wurde vorgeschlagen, da der städtische "Korruptionsbeauftragte" quasi Weisungsgebunden ist. Er darf ohne OB Schrammas Zustimmung noch nicht einmal die Justitz einschalten. Aber auch am Thema "Beteiligungshaushalt" wird weiter diskutiert - und es sollen auch Taten folgen: Die nächste Kommunalwahl steht schließlich vor der Tür!

Der erste Schritt, hin zu unserem Motto "Die Stadt gehört uns" ist getan. Machen wir den nächsten Schritt. Mischen wir uns ein!


"Sozialer Widerstand wird vernetzt"

Pressemitteilung des Kölner Sozialforums, Köln, 26.10.03

Über 200 Menschen nahmen an der Gründungskonferenz des Kölner Sozialforums am 24. und 25.10. in der FH Südstadt teil

An den Plena und Arbeitskreisen der Gründungskonferenz des Kölner Sozialforums haben über 200 Menschen teilgenommen. Diskutiert wurde über die Krise der kommunalen Haushalte, die Steuerpolitik, den daraus folgenden Sozialabbau sowie die Möglichkeiten des Widerstandes gegen diese Politik.

Der Kölner Journalist und Autor Werner Rügemer sprach über den Zusammenhang vom Zusammenhang von Korruption und der Leere der öffentlichen Kassen. Antonio Andreoli aus dem brasilianischen Porto Alegre berichtete über den dortigen 'Beteiligungshaushalt'. In Porto Alegre wird von der Bevölkerung in Stadtteil- und Delegiertenversammlungen über die Verwendung der öffentlichen Investitionen entschieden. Tobias Pflüger und Claudia Haydt von der 'Informationsstelle Militarisierung' verwiesen auf den Zusammenhang von Kriegen mit Sozialabbau und Privatisierung.

Viele Arbeitskreise waren von Kölner Initiativen – z.B. von Attac, „kein mensch ist illegal“ und dem „Anti-Hartz-Bündnis“ – und Aktiven des Sozialforums vorbereitet worden. Dabei ging es nicht nur um die Vermittlung von Wissen und Argumenten. Es wurden auch Aktivitäten geplant. So will das Sozialforum den Haushalt durchschaubar machen und deutlich herausstellen, welche Gelder für die Bereicherung weniger oder für überflüssige Prestigeprojekte verschwendet werden. Auch die Einnahmesituation der Kommunen war Thema: eine Kampagne für die Erhöhung der Gewerbesteuer wurde angestoßen.

Bei einem Abschlussplenum wurde mit großer Mehrheit eine Gründungserklärung beschlossen. Darin heißt es unter anderem:

„Wie in vielen anderen Städten zeigt die neoliberale Politik auch in Köln immer mehr ihr wahres Gesicht ... Alles, was an öffentlichen Unternehmen noch lukrativ zu verscherbeln ist, wird privatisiert oder spekulativen Verkaufs- und Rückmietaktionen preisgegeben. Auch wenn man dafür wohl klingende Namen wie 'cross-border-leasing' erfindet, ist und bleibt es Diebstahl am gemeinschaftlichen Eigentum...

Gut sechzigtausend Erwerbslose, eine ständig wachsende Anzahl von SozialhilfebezieherInnen, Familien, die seit Jahren in Armut leben, Kinder und Jugendliche ohne berufliche und persönliche Zukunftsperspektiven prägen das Leben in unserer Stadt...

Wir wollen dies nicht tatenlos hinnehmen! Die Stadt gehört den Menschen, egal welcher Herkunft und Nationalität. Wir fordern, dass den BewohnerInnen nach einer breiten demokratischen Diskussion über die Verwendung öffentlicher Gelder selbst entscheiden...

Gute, für alle erschwingliche öffentliche Dienstleistungen, Nahverkehr, Bildung, Gesundheit, Wasser, Kultur sind unerlässliche Voraussetzungen eines zivilen Zusammenlebens und dürfen ebenso wie die natürlichen Lebensgrundlagen nicht den Profitinteressen einiger weniger geopfert werden.“

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: per mail (sozialforum-koeln@web.de) oder telefonisch (Claus Ludwig, 0177-3297089).

Mit freundlichen Grüßen
Claus Ludwig (für das Kölner Sozialforum)


"Eine Militärverfassung für die Europäische Union - Oder auch die EU ist auf Kriegskurs."

Eine Analyse des Entwurfs der Europäischen Verfassung von Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., vom 11.11.2003 anläßlich des Europäischen Sozialforums (ESF) in Paris, wie er sie ähnlich im Rahmen der Gründungsversammlung vorgetragen hat

1. Einleitung

Nach längerer Arbeit hat der sogenannte Konvent einen Entwurf für eine EU-Verfassung vorgelegt, der 260 Seiten umfasst und in vier Abschnitte aufgeteilt ist. Zum Verfassungsentwurf hinzu kommen noch verschiedene Teile eines Anhangs mit Zusatzvereinbarungen, die ebenfalls Verfassungsrang erhalten. Der EU-Verfassungsentwurf findet sich in seiner Fassung vom 20.08.2003 hier: http://www.imi-online.de/ download/EU-Verfassungsentwurf.pdf

2. Zum Stellenwert der Militärpolitik im EU-Verfassungsentwurf

Die so genannte "Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik" (GASP) und die "gemeinsame Verteidigungspolitik" nehmen einen großen und zentralen Raum im Verfassungsentwurf ein. Die Regelungen insbesondere für die Militärpolitik sind regelrecht konkretistisch und sehr detailreich. Die EU-Kommission schreibt dazu selbst: "Schließlich ist der Verfassungsentwurf - durch die Ersetzung aller Bestimmungen der aktuellen Verträge und insbesondere die Neufassung der Bestimmungen hinsichtlich des außenpolitischen Handels und des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie durch die vollständige Übernahme aller Bestimmungen zu den einzelnen Politikbereichen - zwangsläufig lang und relativ detailliert geworden." (Stellungnahme der Kommission gemäß Artikel 48 des Vertrages über die Europäische Union zum Zusammentritt einer Konferenz von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine Änderung der Verträge vom 17.09.2003.) Der Stellenwert der Außen- und Militärpolitik wird von der EU-Kommission dort wie folgt beschrieben: "Der Konvent hat die Bestimmungen zum außenpolitischen Handeln der Union und zum Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Detail untersucht. Er hat Entwürfe für Artikel vorgelegt, die de facto eine völlige Neufassung darstellen. Bei den übrigen Politikbereichen hat sich der Konvent darauf beschränkt, die Bestimmungen im aktuellen EG-Vertrag mit einigen punktuellen Änderungen zu übernehmen." Der Inhalt des EU-Verfassungsentwurfs wird an gleicher Stelle folgendermaßen beschrieben: "... die Bestimmungen zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik werden neu gefasst; die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik wird ausgebaut und den Mitgliedstaaten, die dies wünschen, die Möglichkeit eingeräumt, ihre Handlungskapazitäten in einem gemeinsamen Rahmen zu erweitern."

3. Integration in die EU durch gemeinsame Militärpolitik?! - Loyalität der Einzelstaaten gegenüber der EU-Militärpolitik?!

Im Verfassungsentwurf wird explizit erklärt: "Die Union ist dafür zuständig, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik einschließlich der schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik zu erarbeiten und zu verwirklichen." (Artikel I-11, Absatz 4 des EU-Verfassungsentwurfs, ähnlich und fast wortgleich in Artikel I-15, Absatz 1). Der Schritt, der dazu gemacht werden muss, steht in Artikel I-40, Absatz, 2: "Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik umfasst die schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union. Diese führt zu einer gemeinsamen Verteidigung, sobald der Europäische Rat einstimmig darüber beschlossen hat." Es gibt so etwas wie eine Loyalitätspflicht innerhalb der EU: In Artikel I-15, Absatz 2 heißt es: "Die Mitgliedstaaten unterstützen die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität und achten die Rechtsakte der Union in diesem Bereich. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit schaden könnte." Solange noch kein Beschluss des Eu-Ministerrates zur "Verteidigungspolitik" vorliegt, können aber einzelne Staaten innerhalb der EU, die in Bezug auf das Militär "untereinander festere Verpflichtungen eingegangen sind" und damit "eine strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union" begründen (Artikel I-40, Absatz 6, mehr dazu unter Punkt 7). Einzelstaaten der EU können nach der Verabschiedung der EU-Verfassung die voranschreitende gemeinsame Militärpolitik nicht mehr ohne weiteres verhindern. Bei Annahme dieses EU-Verfassungsentwurfs wird der gemeinsamen Militärpolitik der Europäischen Union eine - wenn nicht die - zentrale Funktion im Prozess der Integration der EU der 25 Mitgliedsstaaten zugewiesen, dies wird in den Abschnitten über Zuständigkeiten (besonders Artikel I-11) bzw. des allseitigen Verbindlichkeitscharakter (Artikel I-15) besonders deutlich. Außerdem ist die gemeinsame Militärpolitik ein - wenn nicht das - zentrale (neue) Element dieses EU-Verfassungsentwurfs.

4. Aufrüstungs-Verpflichtung in der Verfassung! - Kontrolle durch neues Amt

Was den friedens- bzw. militärpolitischen Bereich anbelangt, finden sich im Verfassungsentwurf zahlreiche dramatische Neuerungen: So gibt es eine explizite Aufrüstungsverpflichtung im Verfassungsrang: "Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Artikel I-40, Absatz 3). D.h. in der zukünftigen EU-Verfassung wird eine regelmäßige Aufrüstung festgeschrieben! Um diese regelmäßige Aufrüstung zu kontrollieren und teilweise durchzuführen wird ein "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten eingerichtet, dessen Aufgabe es ist, den operativen Bedarf zu ermitteln und Maßnahmen zur Bedarfsdeckung zu fördern, zur Ermittlung von Maßnahmen zur Stärkung der industriellen und technologischen Grundlage des Verteidigungssektors beizutragen und diese Maßnahmen gegebenenfalls durchzuführen, sich an der Festlegung einer europäischen Politik im Bereich Fähigkeiten und Rüstung zu beteiligen sowie den Ministerrat bei der Beurteilung der Verbesserung der militärischen Fähigkeiten zu unterstützen." (Artikel I-40, Absatz 3). Sowohl in Bezug auf die "Verbesserungen der militärischen Fähigkeiten als auch bei der Bewertung durch das "Europäisches Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten" ist explizit von einer "Verpflichtung" die Rede!

5. EU-Truppen in aller Welt? - Festschreibung von Kampfeinsätzen (auch in Drittstaaten) in der Verfassung!

Die EU erhält für ihre Militärpolitik einzelstaatliche Militärkontingente: "Die Mitgliedstaaten stellen der Union für die Umsetzung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zivile und militärische Fähigkeiten als Beitrag zur Verwirklichung der vom Ministerrat festgelegten Ziele zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten, die untereinander multinationale Streitkräfte bilden, können diese auch für die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zur Verfügung stellen." (Artikel I-40, Absatz 3) Ein weiteres Novum ist, dass die Bereitschaft zu weltweiten Militäreinsätzen zur verfassungsmäßigen Pflicht erhoben wird. EU-Streitkräfte sollen zu "Kampfeinsätzen im Rahmen der Krisenbewältigung einschließlich Frieden schaffender Maßnahmen" (Artikel III-210) eingesetzt werden können. Weiter heißt es: "Mit allen diesen Missionen kann zur Bekämpfung des Terrorismus beigetragen werden, unter anderem auch durch die Unterstützung für Drittstaaten bei der Bekämpfung des Terrorismus in ihrem Hoheitsgebiet". (Artikel III-210). Hierbei handelt es sich um ein extrem weit gefasstes Mandat für etwaige EU-Kampfeinsätze. Es würde der EU sogar erlauben sich in Bürgerkriegen auf die Seite der einen oder anderen Fraktion zu schlagen und militärisch mit der Begründung des "Kampfes gegen den Terrorismus" den Kriegsausgang zu beeinflussen. Wo die Grenze solcher exterritorialer EU-Militäreinsätze gezogen wird, bleibt offen.

6. Festschreibung des Kerneuropakonzepts - enge Zusammenarbeit EU - NATO

In Artikel 40, Absatz 6 des Verfassungsentwurfs heißt es: "Die Mitgliedstaaten, die anspruchsvolle Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander festere Verpflichtungen eingegangen sind, begründen eine strukturierte Zusammenarbeit im Rahmen der Union." In Artikel I-40, Absatz 7 wird das, was Jacques Chirac mal als Vorausteam wie bei der Tour de France bezeichnet hat, konkretisiert: "Solange der Europäische Rat keinen Beschluss im Sinne des Absatzes 2 gefasst hat, wird im Rahmen der Union eine engere Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung eingerichtet." Dies bedeutet, dass einzelne Staaten innerhalb der EU, die "untereinander festere Verpflichtungen eingegangen" sind, gemeinsame ständige militärische Strukturen schaffen können. Dies ist im militärischen Bereich das, was der deutsche Außenminister in seiner Grundsatzrede ["Vom Staatenverbund zur Föderation - Gedanken über die Finalität der europäischen Integration"] am 12. Mai 2000 an der Humboldt-Universität in Berlin (z.B. unter: http://www.deutschebotschaft-moskau.ru/de/ aussenpolitik/reden/foederation.html ) beschrieben hat. Er sprach dort von einem "Avantgarde"-Europa, von einem "Gravitationszentrum" innerhalb der EU, der ältere Begriff vom "Kerneuropa" von Wolfgang Schäuble und Karl Lamers trifft die Sache allerdings besser.

Diese so genannte "strukturierte Zusammenarbeit" bzw. "engere Zusammenarbeit" im Bereich der Militärpolitik ist eine Art Exklusivclub innerhalb der EU: So heißt es in Artikel III-213, Absatz 3: "Wenn der Ministerrat die Europäischen Beschlüsse über den Gegenstand der strukturierten Zusammenarbeit erlässt, nehmen nur die Mitglieder des Ministerrates, die an der strukturierten Zusammenarbeit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten, an den Beratungen und an der Abstimmung über diese Beschlüsse teil. Der Außenminister der Union nimmt an den Beratungen teil. Die Vertreter der anderen Mitgliedstaaten werden ordnungsgemäß und in regelmäßigen Abständen vom Außenminister der Union über die Entwicklung der strukturierten Zusammenarbeit informiert." Wie diese engere Militärzusammenarbeit im Rahmen der EU von anderen EU-Einzelstaaten gebremst oder verhindert werden könnte, bleibt völlig offen. Für die offiziell noch neutralen Staaten der EU - Finnland, Irland, Österreich und Schweden - stellt sich ein weiteres Problem: In der EU-Verfassung gibt es eine Reihe von expliziten Regelungen für die Zusammenarbeit mit der NATO, so z.B. im Artikel I-40, Absatz 7: "Bei der Umsetzung der engeren Zusammenarbeit im Bereich der gegenseitigen Verteidigung arbeiten die beteiligten Staaten eng mit der Nordatlantikvertrags-Organisation zusammen." Damit ist die Befürchtung nicht unberechtigt, dass mit der Unterzeichnung dieser EU-Verfassung für die bisherigen Nicht-NATO-Staaten die EU-Mitgliedschaft eine "NATO-Mitgliedschaft light" wird.

7. Ministerrat entscheidet allein - Keine Parlamentbeteiligung bei Militäreinsätzen weder vom EU-Parlament noch vom Bundestag

Mehrfach wird in der EU-Verfassung betont, dass die alleinige Entscheidungsgewalt über die EU-Militärpolitik beim EU-Ministerrat liegt: "Über militärische Einsätze der EU entscheidet der Ministerrat", so regelt das Artikel 40 Absatz 4 des EU-Verfassungsentwurfs. Ähnlich noch einmal in Artikel 198 Absatz 1: "Verlangt eine internationale Situation ein operatives Vorgehen der Union, so erlässt der Ministerrat die erforderlichen Europäischen Beschlüsse". Das EU-Parlament soll also nicht beteiligt werden. In Absatz 8 des Artikels 40 wird lediglich regelt, dass das EU-Parlament zu "wichtigsten Aspekten" regelmäßig anzuhören sei und über die Entwicklung der "grundlegenden Weichenstellungen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf dem Laufenden gehalten" wird. Artikel 205 Absatz 1 präzisiert dieses Informationspflicht. In Absatz 2 heißt es dann: "Das Europäische Parlament kann Anfragen an den Ministerrat und den Außenminister der Union stellen." Doch eine Informationspflicht ist kein Beschlussrecht. In seinem Urteil vom 12. Juli 1994 hatte das Bundesverfassungsgericht bezüglich Auslandseinsätze der Bundeswehr verbindlich festgelegt, dass der Bundestag Auslandseinsätzen mit einfacher Mehrheit zustimmen muss. Da EU-Recht grundsätzlich deutsches Recht bricht, ist fraglich, ob die Beteiligung des Bundestages damit nicht de facto gestrichen ist. Dieser EU-Kontext wirft auf die derzeitige Erarbeitung des so genannten "Parlamentsbeteiligungsgesetzes" - eigentlich richtiger Parlementsentmachtungsgesetz - ein neues Licht: Im vorliegenden Gesetzentwurf der SPD sind vor allem zwei Regelungen interessant: Erstens sollen nur noch bewaffnete Einsätze durch den Bundestag abgestimmt werden und zweitens sollen Verlängerungen von Einsätzen automatisch erfolgen, es sei denn es widerspricht eine Bundestagsfraktion oder 33 Abgeordnete, dann entscheidet der Bundestag mit einfacher Mehrheit. Das Problem bei diesem Parlamentsentmachtungsgesetz ist weniger, dass die Bundestagsabgeordneten nicht mehr grundsätzlich mit Bundeswehr-Auslandseinsätzen befasst werden, sondern dass durch diese Nichtbefassung auch die Öffentlichkeit aus dem Verfahren ausgeschlossen ist. Diese geplante Regelung passt also "sehr gut" zum Entwurf der EU-Verfassung.

8. EU-Verfassung und Grundgesetz - Aushebelung des Grundgesetzes

Prof. Dr. Jürgen Meyer (SPD), über den Bundestag Mitglied im EU-Konvent, hat noch einmal klargestellt, dass EU-Recht immer deutsches Recht bricht: "Sollte es allerdings ausnahmsweise zu inhaltlichen Widersprüchen kommen, gilt der Vorrang des EU-Rechts." Auf folgende Frage: "Kommt damit die vorauszusehende Ratifizierung des Dokuments durch den Deutschen Bundestag nicht einer Verfassungsänderung gleich? Welches Abstimmungsverfahren ist hierfür vorgesehen?" konkretisierte er: "Sie haben Recht. Nach meiner Auffassung ergibt sich aus Art. 23 Grundgesetz, dass Bundestag und Bundesrat der EU-Verfassung mit 2/3 Mehrheit zustimmen müssen." D.h., um das noch einmal ganz deutlich zu schreiben: Die Annahme dieser EU-Verfassung ist eine grundlegende Verfassungsänderung. Das Grundgesetz ist dann zweitrangig geworden. Besonders die Grundgesetzartikel, die sich auf den Militärbereich beziehen, die erst 1956 nach der Wiederbewaffnung eingefügt wurden, sind damit Makulatur: Z.B. Artikel 87a (1) "Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. (...) (2) Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zulässt" oder Artikel 26, Absatz 1: "Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." Die neuen Regelungen im Entwurf für die EU-Verfassung im Militärbereich sind den Regelungen im Grundgesetz dann übergeordnet. Greift hier eigentlich Artikel 20, Absatz 4 des Grundgesetzes? "Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist"?

9. EU-Militärstrategie von Javier Solana: Die EU als militärischer Faktor im Weltmaßstab in einem multilateralen System

Im Auftrag der EU-Regierungschefs hat der Verantwortliche für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik" der EU, Javier Solana einen Entwurf für ein Strategiepapier für den Militärbereich vorgelegt. (Original z.B. unter http://imi-online.de/ download/Solana-Papier.pdf ) Dieses EU-Militärstrategie-Papier wurde beim EU-Gipfel in Thessaloniki im Grundsatz von allen EU-Regierungschefs gebilligt. "In diesem Papier werden drei strategische Ziele für die Europäische Union vorgeschlagen. Erstens können wir in besonderem Maße zu Stabilität und verantwortungsvoller Staatsführung in unserer unmittelbaren Nachbarschaft beitragen. Zweitens müssen wir ganz allgemein eine Weltordnung schaffen, die sich auf einen wirksamen Multilateralismus stützt. Drittens müssen wir uns den alten und den neuen Bedrohungen stellen." Die Europäische Union setzt dafür vor allem auf ihre (neue) militärische Stärke: "Eine Union mit 25 Mitgliedern und einem Verteidigungsgesamthaushalt von 160 Milliarden Euro sollte in der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig auszuführen. Wir müssen eine strategische Kultur entwickeln, die frühe, schnelle und, falls erforderlich, robuste Interventionen fördert". "Wenn wir es ernst meinen mit den neuen Bedrohungen und dem Aufbau von flexibleren mobilen Einsatzkräften, müssen wir die Mittel für die Verteidigung aufstocken." (Es heißt hier nicht, "wenn die Bedrohungen ernst zu nehmen sind", es heißt: "Wenn wir es ernst meinen mit den neuen Bedrohungen..."!) "In einer Welt globaler Bedrohungen, globaler Märkte und globaler Medien hängt unsere Sicherheit und unser Wohlstand von einem funktionsfähigen multilateralen System ab." Im Fazit des Solana-Papiers heißt es: "Wir leben in einer Welt mit neuen Gefahren, aber auch mit neuen Chancen. Wenn es der Europäischen Union gelingt, zu einem handlungsstarken Akteur zu werden, dann besitzt sie das Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Bedrohungen wie auch zur Nutzung der Chancen zu leisten. Eine aktive und handlungsfähige Europäische Union könnte Einfluss im Weltmaßstab ausüben. Damit würde sie zu einem wirksamen multilateralen System beitragen, das zu einer gerechteren und sichereren Welt führen würde." Dies sind Kampfansagen an die von der britischen und us-amerikanischen Regierung beschworene unilaterale Weltordnung mit einer einzigen Weltmacht USA. Die Europäische Union soll so etwas wie die zweite Weltmacht in einem "multilateralen" Weltsystem werden!

10. Auch die Europäische Union will "präventive Kriege" führen.

Im Solana-Papier wird u.a. auch das Präventivkriegskonzept festgeschrieben: "Die Bedrohungen in diesem neuen Zeitalter haben ihren Ursprung oftmals in fernen Gebieten. Im Zeitalter der Globalisierung können allerdings solche fernen Bedrohungen genauso Besorgnis erregend sein wie näher gelegene. Nukleare Tätigkeiten in Nordkorea, nukleare Risiken in Südasien und Proliferation im Nahen Osten sind allesamt ein Grund zur Besorgnis für Europa." Und: "Unser herkömmliches Konzept der Selbstverteidigung, das bis zum Ende des Kalten Krieges galt, ging von der Gefahr einer Invasion aus. Bei den neuen Bedrohungen wird die erste Verteidigungslinie oftmals im Ausland liegen. Die neuen Bedrohungen sind dynamischer Art. Wenn sie nicht beachtet werden, erhöht sich die Gefahr. ... Daher müssen wir bereit sein, vor dem Ausbrechen einer Krise zu handeln." Damit wird das Kernelement der National Security Strategy (NSS) der USA, - die so genannte Bush-Doktrin - auch für den EU-Rahmen festgeschrieben. Die Bombenphase des Krieges gegen den Irak war der Testlauf für dieses Präventivkriegskonzept (vgl. z.B. Financial Times Deutschland, 19.03.2003). Inzwischen gilt dieses Präventivkriegskonzept offensichtlich unter Militärs und Regierungen des Westens als Erfolgsrezept. Die Formulierungen im Solana-Papier zeigen, dass es keinen qualitativen - nur noch einen quantitativen - Unterschied gibt im Bereich der expansiven Militärpolitik zwischen EU und USA. Von vielen, auch von Regierungen, im "alten Europa" werden gerne die US-Regierung und ihre Methoden kritisiert, doch genau diese EU-Regierungen - einschließlich der deutschen rot-grünen Regierung - übernehmen sehr gerne - z.B. mit der neuen EU-Militärstrategie - genau diese Methoden, z.B. die Präventivkriegsstrategie.

11. Der Kampf um das Gute in der Welt - oder wo liegt das Problem, im Süden oder im Westen? oder Mit oder ohne die USA - der Feind ist der Süden

Die drei Hauptgefahren, die die EU-Regierenden sehen, werden im Solana-Papier benannt: "Bei einer Summierung dieser verschiedenen Elemente extrem gewaltbereite Terroristen, Verfügbarkeit von Massenvernichtungswaffen und Scheitern staatlicher Systeme ist es durchaus vorstellbar, dass Europa einer sehr ernsten Bedrohung ausgesetzt sein könnte." Gegen diese Bedrohungen helfe nur ein gemeinsames Handeln. Das Ziel der EU-Politik wird offen und direkt formuliert, auch wenn man/frau den Satz mehrfach lesen muss, um zu glauben, dass er tatsächlich so im Militärstrategiepapier der EU steht:: "Gemeinsam handelnd können die Europäische Union und die Vereinigten Staaten eine eindrucksvolle Kraft sein die sich für das Gute in der Welt einsetzt." Gemeinsam für "das Gute in der Welt" gegen alles "Böse"? Für wen dieses "Gute" gut sein soll, ist klar. Es geht um möglichst viel Macht, Einfluss und wirtschaftliche Expansion aus den westlichen Staaten. Die westlichen Staaten sind sich in den Kernfragen einig, bei Differenzen im Detail (Irak): weitere Aufrüstung und Herausbildung kriegsführungsfähiger Armeen. Die Kriege der Zukunft werden in ständig wechselnden Koalitionen stattfinden, bei denen nicht immer alle mitmachen werden. Aber die Kriege werden stattfinden, gegen Länder und Menschen im Süden. Die Analysen, die hinter dem Entwurf für eine EU-Verfassung und hinter dem Solana-Papier stehen, gehen davon aus, dass das Problem im Süden bei den "gescheiterten Staaten" liegt. Im Entwurf für die neue EU-Verfassung wird genau die neoliberale Wirtschaftspolitik festgeschrieben, die weltweit zu Verarmung führt. Das Problem liegt also offensichtlich im Wesentlichen nicht im Süden, sondern im Westen... Die Politik der westlichen Staaten muss grundlegend geändert werden. Die derzeitige neoliberale und neoimperiale Politik der EU-Staaten - zwei Seiten einer Medaille - darf nicht auch noch festgeschrieben werden in der zukünftigen Verfassung der Europäischen Union.

12. Vorschlag der Initiierung einer Kampagne gegen die EU-Verfassung, um u.a. gegen die Militarisierung der Europäischen Union aktiv zu werden

Deshalb schlagen wir als Informationsstelle Militarisierung vor, eine Kampagne gegen diese EU-Verfassung zu initiieren. Die EU-Verfassung ist ein Ausfluss der falschen Politik der Regierungen der EU-Staaten. Im Militärbereich ist der EU-Verfassungsentwurf erschreckend und deshalb kann diese EU-Verfassung nur abgelehnt werden. Eine Kampagne gegen diese EU-Verfassung könnte getragen werden von Gruppen der Friedens- und Antikriegsbewegung, Gruppen der globalisierungskritischen Bewegung, Gruppen der Bewegung gegen Sozialabbau, Gruppen, die sich um Flüchtlinge kümmern, usw. Eine Kampagne gegen diese EU-Verfassung könnte in der Zusammenarbeit über Grenzen hinweg zwischen politischen Gruppen verschiedener EU-Staaten stattfinden. Dieser Entwurf der EU-Verfassung ist keine EU-Verfassung für die Menschen. Dieser Entwurf der EU-Verfassung ist nicht unsere EU-Verfassung!