Berlin, 17.1.2004, 17.10.2003, 30.9.2003 - Veranstaltungen im Palast der RepublikBilder

Palast der Republik, Berlin

Ein Bericht von Rudolf Denner

Wer die aktuelle Situation auf dem Berliner Schlossplatz richtig beurteilen will, muss zumindest in groben Zügen die Vergangenheit des Palastes der Republik kennen und den politischen Umgang mit dem Gebäude seit der sogenannten 'Wende'.

Der Palast der Republik, erbaut von 1973 - 1976, steht dort, wo einst das Berliner Stadtschloss stand, das Anfang Februar 1945 nach einem anglo - amerikanischen Bombenangriff auf die Berliner Stadtmitte und weiteren Kriegsfolgen ausbrannte und weitgehend zerstört wurde.

Die Schlossruine wurde 1950 gesprengt.

In den fast 15 Jahren der Öffnung des Palastes fanden über 21.000 Shows und bunte Veranstaltungen, Konzerte und Palastbälle sowie Kongresse und Tagungen statt. Mehr als 97% der Veranstaltungen waren kultureller Art.

Ca. 70 Mio. Besucher fanden hier Geselligkeit, Freude und Entspannung. Es war ein Haus des Volkes und nach dem Urteil von Fachexperten in seiner Art einmalig in Europa.

Im Palast befand sich auch die Volkskammer der DDR, die 1990 den Beitritt zur BRD beschloss.

Neben anderen Funktionsbereichen wie Hauptfoyer, Eingangsbereich, Jugendtreff, Freizeiteinrichtungen, Restaurants unterschiedlichen Charakters mit 1500 Plätzen, Galerie, Theater ist besonders der große Saal zu nennen, der ein variables Platzangebot von 1000 bis maximal 5000 Plätzen bot.

Am 19. September 1990 wurde der Palast unter dubiosen Umständen wegen „Asbestverseuchung“ geschlossen. Die Volkskammerabgeordneten, mit dem Einigungsvertrag beschäftigt, mussten fluchtartig in ein anderes Gebäude ziehen, das ebenfalls asbestbelastet war.

Grundlage für die Schließung am 19. September 1990 war der Entwurf eines Gutachtens zur Asbestbelastung. Es wurde erst im Dezember 1990 vorgelegt. Bis heute wurde es nicht veröffentlicht. Warum?

Die damalige Bundesregierung wusste wohl, wie unpopulär die Schließung durch sie nach dem 3. Oktober 1990 werden würde. Also musste die damalige DDR-Regierung unter de Maiziere, längst am Tropf der bundesrepublikanischen Berater hängend, diese Aufgabe wahrnehmen.

Der Schliessungsbeschluß der DDR-Regierung sah jedoch nicht nur die Schliessung, sondern auch die Gebäudesanierung und die nachfolgende Weiternutzung vor. Da sich diese letzte DDR-Regierung selbst per 3.10.1990 abschaffte, blieb es zwar bei der Schliessung, die vorgesehene Sanierung erfolgte nicht, über eine weitere Nutzung wurde bewusst nicht nachgedacht.

Rechtsnachfolger wurde nach dem 3.10.1990 die Bundesrepublik, die Zuständigkeit lag beim Bundesfinanzminister.

Es kam anders.

Politiker der CDU und FDP stellten im März 1993 auf einem Spitzentreffen die Weichen auf Abriss. Der gemeinsame Ausschuss Berlin - Bonn beschloss wenig später den Abriss des Palastes. Das glich einer feindlichen Übernahme des Gebäudes aus politisch motivierten Gründen gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung.

Ein Sturm des Protestes, vor allem im Ostteil der Hauptstadt brach los. Bis in die Gegenwart hält dieser Protest an. Der Deutsche Bundestag negierte ca. 100.000 „Pro Palast“ Petitionen. Dutzende Gesprächsangebote von namhaften Palastbefürwortern an Spitzenpolitiker der Bundesregierung und des Senats von Berlin verschiedener Colours wurden und werden mit fadenscheinigen Gründen abgelehnt, beispielsweise vom Bundeskanzler, Bundestagspräsidenten und Regierenden Bürgermeister von Berlin. Entsprechender Schriftwechsel kann unter www. palast.com eingesehen werden.

Der auch heute noch vielschichtige Protest wird in der medialen Öffentlichkeit unterdrückt oder politisch diskriminiert. Die etablierten Medien, vor allem die der Hauptstadt, berichteten zum Thema Palast einseitig, tendenziös und mit zeitlich wechselnden Argumentatitionen. Der Grundtenor: Der Palast muss weg.

Sachliche Informationen über die großartigen Möglichkeiten dieses Gebäudes waren und sind in dieser Medienlandschaft eine Seltenheit.

Aber auch heute noch ist trotz dem jahrelangen medialen Trommelfeuer eine deutliche Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung gegen den Palastabriss wie aktuelle Meinungsumfragen ergeben.

Spritzasbest, das „Hauptargument“ zur Abrisssanierung, wurde auf das Stahlskelett als Hitzeschutz aufgebracht, eine in den 70er Jahren international übliche und moderne Bauweise, übrigens auch beim IWC in New York. Bei ca. 4000 öffentlichen Gebäuden, vornehmlich in Westteil Berlins wurde diese Bauweise genutzt, nur verschwindend wenige wurden zumeist bei laufendem Betrieb saniert, noch weniger wurden abgerissen.

Dieser Spritzasbest ist im allgemeinen versiegelt und in öffentlich zugänglichen Räumen des Palastes war er darüber hinaus durch Marmorplatten abgedeckt.

Die „Asbestsanierung“ des Palastes erfolgte nach der teuersten Art und Weise und sah die vollständige Asbestsanierung vor, unverhüllte Abrissabsichten wurden deutlich erkennbar, erneut begleitet durch eine tendenziös berichtende Medienlandschaft.

Aus geplanten 70 Mio. DM „Sanierungskosten“ wurden 70 Mio Euro. Andere Methoden und Angebote, die weitaus preiswerter waren, wurden weder beachtet noch bearbeitet.

Die Proteste hielten an.

Eine internationale „Expertenkommission“, die zur Schlossplatzgestaltung Vorschläge unterbreiten sollte, entpuppte sich schließlich als eine Alibiveranstaltung der rot-grünen Bundesregierung. Die Öffentlichkeit wurde weitgehend von den Beratungen bzw. deren Arbeit bewusst ausgeschlossen.

Der als einer der „politischen Moderatoren“ eingesetzte Bundestagspräsident W. Thierse, bekannt als glühender Schlossfassaden -Befürworter, zog hinter den Kulissen unter Missachtung der Neutralität seines Amtes die Fäden. Die Weichen wurden erneut auf Abriss gestellt. Das war gleichzeitig Wahlbetrug, denn die SPD-Führung hatte 1998 einen anderen Umgang mit dem Palast in Aussicht gestellt. Ihre aktuellen Umfragewerte haben auch etwas mit diesem Wahlbetrug zu tun.

Im Frühjahr 2003 gründete sich der Verein 'Zwischenpalastnutzung'

Er will das Gebäude bis zum Abriss mit unterschiedlichen Projekten kultureller und politischer Art beleben, Besichtigungen durchführen. Im Sommer 2003 hat er Besichtigungen im Palast organisiert, im November 2003 hat er ein Programm für 1000 Tage vorgestellt. 200 Nutzungsideen für die Bereiche Theater, Konzert, Club, Führungen, Ausstellungen und diverse Einzelveranstaltungen liegen bereits vor. Er wird von zahlreichen Bürgern, von Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, sowie Institutionen unterstützt.

Alle bisherigen Veranstaltungen waren binnen weniger Tage ausverkauft, ohne jede Werbung, beispielsweise die Psychogeographie „Der Wagnerkomplex“ von Christian von Borries. Er hatte zu einem Streifzug durch den vollständig entkernten Palast der Republik eingeladen. Unter seiner Leitung spielte das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt/Oder und konfrontierte musikalisch Ort und Gebäude mit der wechselvollen Geschichte. Das Programm:

Soundtrack, Interface (mystischer Abgrund), basierend auf Interpolationen von Musiken der letzten 200 Jahre: Rheingoldsiegfriedgötterdämmerung, die Ästhetik des permanenten Übergangs, live-loops, minimal techno, „Exploration of the House/2. Fassung“, Wellingtons Sieges-und Mahlermärsche, live-Variationen über Aufnahmen der nicht mehr hörbaren DDR-Hymne, live-Schallplattenrauschen, musique concrète und viele weitere soundalikes. Musik zum Blick aus dem Palast der Republik 2003.

Eine beeindruckende Akustik unterstützte die musikalische Darbietung und machte sie zum Genuss.

Die Gedenkveranstaltung zu Ehren Einar Schleefs im Januar 2004 wurde ebenfalls ein kulturell-musikalischer Höhepunkt. Jutta Hoffmann las aus „Gertrud. Ein Totenfest“ in der Theaterfassung Einar Schleefs. Der Chor sang aus Schleefs letzter Inszenierung „Verratenes Volk“ am Deutschen Theater, Berlin.

Der Rohbau des Palastes gewann durch solche Veranstaltungen, aber auch durch die Gruppen - Führungen durch den Palast eine nicht erwartete Akzeptanz. Erneut belebte sich die Schlossplatz - Diskussion, auch durch TV - Live - Sendungen.

Bundestag und Regierung, die sich schon am Ziel ihrer Abrissabsichten wähnten, gerieten in helle Aufregung und Panik. Infolge dieser Entwicklung wurde im Bundestag im November 2003 erneut ein Beschluss zum Abriss gefasst.

Nun soll er ab 2005 abgerissen werden. 20 Mio. Euro soll der Abriss kosten, Sachverständige meinen, es können auch 40 Mio. Euro werden.

Der Verein „Zwischenpalastnutzung“ hatte auf Grund ursprünglicher Informationen aus dem zuständigen Bundesvermögensamt mit einem Zeitraum bis etwa 2006 gerechnet, ein Zeitraum, der auch für die finanzielle Beherrschbarkeit der Vorhaben notwendig war.

Ein Zeitraum von 1 Jahr sollte nun der Verein arbeiten können.

Und wieder kam es anders.

Das Bundesvermögensamt, seit der Schließung des Hauses untätig, was Führungen und Veranstaltungen betrifft, will dieses Haus durch die chinesischen Terrakotta - Soldaten bis Juli 2004 zur Besichtigung besetzen.

Auf diese Weise sollte die Arbeit des Vereins nicht nur behindert, sondern regelrecht unmöglich gemacht werden.

Erneut formierte sich der Protest und Widerstand.

Ein Kuratorium unter Leitung des Berliner Kultursenators vereinbarte nunmehr mit dem Eigentümer des Palastes der Republik, dem Bund, eine Nutzung „vorerst“ bis Oktober 2004. Mehr als 200 Projekte sind angemeldet, darunter Lesungen, Konzerte, Ausstellungen, Theateraufführungen und Multimediaprojekte. Schon jetzt ist das grosse Interesse dafür erkennbar.

Weitgehend von den Medien unbeachtet, geschah aber noch etwas anderes.

Im Januar 2004 besetzten ca. 50 Studenten den Palast und forderten dessen Erhalt!.

Es wird auf dem Schlossplatz noch spannend werden!

Seit 1990, seit der Schließung unter dubiosen Umständen und sicher schon vorher, wird unter Missachtung der anhaltenden Proteste parteiübergreifend und in großer Koalition der Abriss vorangetrieben, mal verdeckt, mal offen.

Kosten spielen dabei offensichtlich keine Rolle, trotz der ständig schärfer werdenden Sparorgien auf allen Gebieten.

Ob man das Rohbaugebäude im Wert von 250 Mio. Euro sinnvoll in die Gestaltung des Schlossplatzes einbeziehen kann, wie von den Palastbefürwortern gefordert, wurde nicht einmal ernsthaft geprüft.

Seit Jahren reagieren verantwortliche Politiker wie Bundeskanzler, Bundestagspräsident, Regierender Bürgermeister von Berlin nicht auf den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ihres Handelns (Art. 14.2 GG - Eigentum verpflichtet) oder der Tatsache, dass diese Abrissabsichten dem Einigungsvertrag (Art 35.2 - „Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen“) zuwiderlaufen.

Ihre Sprachlosigkeit geht soweit, dass sie auf Angebote zu sachlichen Gesprächen nicht einmal reagieren. Ist das nicht ein recht fragwürdiges Demokratieverständnis dieser Politiker, sichtbar am konkreten Objekt oder haben sie keine überzeugenden Gegenargumente?

Weitere Reportagen und Informationen zum Thema werden folgen.

Weitere Infos und Bilder unter www. palast.com und www.zwischenpalastnutzung.de