Ziegenhals bei Berlin, 7.2.2004 - Gedenken an die illegale Sitzung des ZK der KPD unter Leitung von Ernst Thälmann am 7.2.1933Bilder

»Eine abgekartete Aktion«

Interview mit Heinz Schmidt, Sprecher des Freundeskreises 'Ernst-Thälmann-Gedenkstätte' e.V., über die Versuche, die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bei Berlin zu beseitigen, über das merkwürdige Rechtsverständnis eines Brandenburger Landesbeamten und deutschnationale Gedenkstättenpflege - geführt von Arnold Schölzel, aus 'junge Welt' vom 7.2.2004

F: Im vergangenen Jahr hat der neue Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte in Ziegenhals bei Berlin befindet, den Zugang für die Öffentlichkeit und für den Freundeskreis gesperrt, der die denkmalgeschützte Gedenkstätte seit 1990 betreut. Außerdem versucht er, den Denkmalschutz anzufechten. Wie ist der Stand der Auseinandersetzungen?

Ich möchte zunächst hervorheben, daß die Bedeutung der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« in Ziegenhals, aber auch die Gefahr, die ihr droht, nie so offenbar wurde wie 2003. Die Festveranstaltung zum 70. Jahrestag der »illegalen Tagung des ZK der KPD« am 7. Februar stand bereits im Zeichen der Massendemonstrationen gegen den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg. Die weiteren Kundgebungen richteten sich gegen die heimtückische Aussperrung durch den neuen Eigentümer. Zugleich beweisen die vielen Veröffentlichungen in Tageszeitungen, auch im Spiegel und in der SuperIllu und die Protestschreiben an die zuständigen Behörden und den Eigentümer, daß sein Vorhaben, die Gedenkstätte zu vernichten, und seine gesetzwidrigen Handlungen von einer immer größeren Öffentlichkeit verurteilt werden.

Das Gutachten, das der zuständige Landrat nach der Forderung des Eigentümers, die Gedenkstätte von der Denkmalliste zu streichen, vom Landesamt für Denkmalpflege erstellen ließ, spricht allerdings gegen dessen Bestrebungen. Es hat die gesellschaftliche und wissenschaftliche Bedeutung der im ursprünglichen Zustand erhaltenen Gedenkstätte bestätigt und ihren Seltenheitswert hervorgehoben. Die Gutachter setzen sie mit anderen bedeutenden revolutionären und antifaschistischen Gedenkstätten gleich. Dieses Gutachten erhielt der Eigentümer mit dem Bescheid, daß der Denkmalschutz bis Ende März 2004 auch auf die Außenanlagen erweitert wurde, die bisher nur unter sogenanntem Umgebungsschutz standen. Er geht allerdings auch gegen diesen Bescheid juristisch vor.

F: Die Presse stellte sich aber zum Teil auch hinter ihn. Die FAZ teilte mit, da wolle einer lediglich »sein Eigentum« nutzen und nannte ihn »unsern Mann«. Er steht wohl nicht allein?

Vieles deutet darauf hin, daß es längst um eine grundsätzliche Frage geht, nämlich um die Beseitigung einer wichtigen Gedenkstätte des deutschen Antifaschismus. Immerhin hat das Gutachten des Landesamtes geradezu dazu aufgefordert, die Gedenkstätte zu besuchen. Außerdem haben wir in den 13 Jahren, in denen wir sie betreuten und offenhielten, ja erlebt, wie viele Menschen und besonders Jugendliche sie besuchten.

F: Der Eigentümer ist Referatsleiter im Bauministerium des Landes, also ein Beamter, der allerdings großen Wert darauf legt, nicht namentlich genannt zu werden. Ist es richtig, daß er sich sogar über Gerichtsbeschlüsse hinweggesetzt hat?

Das ist wahr und kaum nachvollziehbar. Das Amtsgericht Königs Wusterhausen hat am 13. Oktober 2003 eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach dem Freundeskreis bis zum 30. November 2003 ungehinderter Zutritt zur Gedenkstätte zu gewähren ist, damit entsprechend den Forderungen des neuen Eigentümers des »Sporthauses Ziegenhals« eine juristisch sichere Inventarisierung erfolgen und persönlicher Besitz an Gegenständen in der Gedenkstätte dem jeweiligen Eigentümer zurückgegeben werden kann. Der »Sporthaus«-Eigentümer befolgte diese Anordnung nicht und ging außerdem mit seinem Anwalt dagegen an. Nach einer Bekräftigung des Beschlusses erfolgte am 21. November 2003 vormittags durch Gerichtsbeschluß die Zwangsvollstreckung, die er noch am Nachmittag durch einen Schlössertausch wiederum sabotierte.

F: Hat er weitere Schritte unternommen?

Ja, xx xxxxxxxxxx xxx xxxxxxxxxxxxx xxx xxxxxxx xxxxxxxxxxxx xxxx xxxxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxxx xxx xxx xxxxxxxxx xxxxxxxxxxx xxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxx xxxxx. Sie wurde vom Amt Unteres Dahmeland abgelehnt. Er läßt außerdem allen, die in ihrem rechtmäßigen Handeln nicht mit ihm konform gehen, zuständige Behörden eingeschlossen, durch seinen Anwalt hohe Strafandrohungen zukommen.

F: Wie kommt ein Landesbeamter zu solch einem Grundstück und zu solch einem Verhalten?

Der neue Eigentümer hat das »Sporthaus Ziegenhals« mit der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« am 30. November 2002 zu einem Schnäppchenpreis von 86 000 Euro von der Treuhandliegenschaftsgesellschaft ersteigert. Viele Beobachter, auch auf der Auktion Anwesende, äußerten damals, daß hier eine abgekartete Aktion einflußreicher rechter Kreise zur Beseitigung der Gedenkstätte im Gange war. Ich bin der Meinung, daß der Eigentümer diese Vermutungen immer wieder in Wort und Tat bestätigt hat. xxx xxxxx xxx xxxxxx xxx xx xxxx xxxxxxxxx xxxxxxxxx xxx xxx xxxxxx xxxxxxxx xxxx xxxx xxxxx xxxxx xxx xxxxxx xxxx xxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxxxx xx xxxxxxxx.

Die Frage ist ganz einfach: Würde sich ein einzelner so öffentlich immer wieder ins Unrecht setzen?

F: Wie lief die Auktion damals ab?

Der Herr erschien zur Auktion wie auf Bestellung. xxx xxx xxxxx xxx xxxxxxxxxxxxx xxx xxxxxxxxxxxx xxxxxxxxxxx xx xxx xxxxxx xxxxxxxxxx. Er erschrak auch nicht beim Verlesen der Auktionsauflage, daß das Gesamtobjekt unter Umgebungsschutz steht. Wie abgesprochen fragte der Auktionator nach Bekanntgabe der Auflage, wieviel Kommunisten denn hier im Saale säßen. Für den Eigentümer, der mich als erstes wissen ließ, er habe mit Thälmann »nichts am Hut«, stand vermutlich von Beginn an fest, daß die Gedenkstätte weg muß. Er will auf dem Grundstück sogenannte Stadtvillen bauen und aus dem Erlös sein eigenes »Schlößchen am See« errichten. xx xxx xxxx xxx xxxxxxx xxxxxxx xxx xxx xxxxxx xxxxx xxxxxx xxx xx xxxxx xxxxxxxxxx xxxxx. Ich halte es für ein sehr merkwürdiges Rechtsverständnis, wenn sein Handeln als Chef der obersten Bauaufsicht im Land Brandenburg, die übrigens xxxx xxx xxx xxxxxxxxxxxxx xxxxxxxxx xxxx von Vorgesetzten als »Privatangelegenheit« bezeichnet wird.

F: Im Januar hat das Kabinett des Landes Brandenburg grünes Licht für ein neues Denkmalschutzgesetz gegeben. Wie beurteilen Sie das, was bisher darüber bekannt wurde?

Alle bisherigen Verlautbarungen gestatten noch kein Urteil. Aber man kann sagen: Ein neues Gesetz darf für private Willkürakte eines Eigentümers gegen den Denkmalschutz keine Lücken lassen. Vor allem muß es vom Gesetzgeber mit allen staatlichen, rechtlichen und materiellen Mitteln unbürokratisch durchgesetzt werden. Außerdem müssen die zuständigen Behörden in der Lage sein, den Denkmalschutz für bestimmte Objekte jederzeit öffentlich zu machen.

Welche Bedeutung kommt nach Ihrer Ansicht der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« heute zu?

Das läßt sich in den Reden nachlesen, die bei den jährlichen Kundgebungen im Februar gehalten worden sind. Sie sind in dem Buch »Ziegenhalser Reden« enthalten, das der Freundeskreis herausgegeben hat. Ziegenhals ist eine Begegnungsstätte für viele Kommunisten und Sozialisten geworden, für Gegner von Faschismus und Krieg.

Worum es geht, hat ein Reporter von Radio Berlin-Brandenburg gezeigt, als er eingeschworene Gegner der Gedenkstätte zu Wort kommen ließ, die auf historische Unkenntnis, auf Stereotype und Schlagworte im Stil des »Tausendjährigen Reiches setzen«. Ich zitiere daraus: »Hier schwor Ernst Thälmann die Genossen zum Kampf gegen Hitler ein, eine Woche nach dessen Machtantritt. Siebzig Jahre später soll nun Schluß sein mit den alten Gesängen. Schluß mit dem Personenkult. Raus mit den Kommunisten! Getrauert werden darf ab sofort nur auf der Straße!«

F: Sehen Sie einen Zusammenhang mit der politischen Entwicklung in Brandenburg und der Bundesrepublik?

Auf jeden Fall. Ich halte es jedenfalls für keinen Zufall, daß im Januar mitgeteilt wurde, daß die Potsdamer Garnisonkirche, also das Symbol für die Einheit von Preußentum, deutschem Militär, Junkertum und Faschismus mit internationalem Geld wiederaufgebaut werden soll. Das dazu verbreitete Foto zeigt den Vorsitzenden des Industrieclubs, den Ministerpräsidenten des Landes, den Potsdamer Bürgermeister, den evangelischen Landesbischof, einen Superintendenten und den Innenminister – das sind die Unterstützer dieses »Denkmals«. Das Ganze vollzieht sich in einer Zeit, in der Brandenburg kaum noch einen Pfennig für soziale Belange übrig hat und die Justiz in den Skandal um die Trennungsgelder verwickelt ist. 50 Millionen für den Wiederaufbau der Garnisonkirche – bei der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« bedarf es nur eines Eigentümers, der die Auflagen einhält. Den gab und gibt es übrigens.

Unter der Schlagzeile »Ruf aus Potsdam« titelte die Märkische Allgemeine am 13. Januar: »Platzeck und Schönbohm werben gemeinsam für neue Garnisonkirche«. Ob sie tatsächlich glauben, damit der vielen Opfer von Krieg und Faschismus gerecht zu werden?

Das gehört mit in eine Atmosphäre, in der Sozialabbau rasend um sich greift und sich antikommunistischer und anti-antifaschistischer Ungeist vereinen. In einer solchen Situation haben die Verteidigung der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« und ihre unverfälschte Erhaltung eine zentrale Bedeutung. Moral, Recht und Gesetz sprechen für uns, sind aber leider in einem »Rechtsstaat« nicht gesichert. Um einen dauerhaften Erfolg im Ringen um die Gedenkstätte zu erzielen, müssen die Forderungen nach öffentlichem Zugang zur Gedenkstätte in den Medien und an die zuständigen Behörden verstärkt werden. Die öffentliche Nutzung kann nur durch die Öffentlichkeit erzwungen werden. Der Freundeskreis bedarf weiterhin vielfältigster Unterstützung im Ringen um die Gedenkstätte und dringender finanzieller Hilfe. Schließlich stellt sich die Frage, wann die zuständigen amtlichen Stellen der Öffentlichkeit erklären, warum die »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« geschlossen wurde und was sie zu ihrem weiteren Erhalt unternommen haben.

* Am Sonntag, dem 8. Februar, findet um 11.30 Uhr in Ziegenhals anläßlich des 71. Jahrestages der »Illegalen Tagung des ZK der KPD« das traditionelle Treffen an der »Ernst-Thälmann-Gedenkstätte« statt. Es spricht der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), Professor Dr. Heinrich Fink. Die Kundgebung wird wahrscheinlich wieder im Freien vor der Gedenkstätte stattfinden müssen.

xxx: Aufgrund einer Einstweiligen Verfügung mußten diese Textteile geschwärzt werden, wir befinden uns auf dem Weg einer juristischen Klärung. Die Redaktion 'junge Welt'

Quelle: http://www.jungewelt.de