Köln, 20.1.2005 - Soldatengottesdienst und der Protest dagegenBilder

"Der Glaube an das Militär versetzt Berge von Menschen unter die Erde"

Artikel aus 'Antifaschistische Nachrichten', 27.1.2005

Köln. Am 20. Januar predigte Kardinal Meisner im Kölner Dom wieder einmal seine Absegnung der militärischen Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. 1500 Soldaten der Bundeswehr und aus anderen NATO-Staaten sollten religiös ausgerichtet werden, im Namen ihres und Meisners Gottes Menschen zu töten, militärische Gewalt einzusetzen, nämlich "Böses durch Gutes überwinden", so der Titel von Kardinal Meisners Predigt. Auch Verteidigungsminister Struck, Sozialdemokrat, und der Generalinspekteur der Bundeswehr saßen in der ersten Reihe neben Oberbürgermeister Schramma, Christdemokrat, und ließen sich die Verteidigung Deutschlands am Hindukusch fürs kommende Jahr absegnen.

Etwa 20 Demonstrantinnen und Demonstranten protestierten gegen diese religiöse Rechtfertigung der deutschen Militärpolitik. Einer stand mit der Tafel "Der Glaube an das Militär versetzt Berge von Menschen unter die Erde" vor dem Domeingang. Die Polizei zwang ihn sich zu entfernen. So nahe an den lesenden Soldaten wollten Kardinal und Verteidigungsminister diesen wahren Satz nicht stehen lassen.

Im Dom zitierte Kardinal Meisner aus dem Römerbrief des Apostel Paulus: "Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute" (Römerbrief 12, 21). Er interpretierte das so, daß die Soldaten die andere Backe hinhalten sollten: "Und wenn ich geschlagen werde und nicht mit der Faust zurückschlage, sondern - nach dem Worte Christi in der Bergpredigt - dem anderen meine Wange zum zweiten Male hinhalte (Matthäus 5,39), dann hält er (der andere) inne, wird verwirrt und fragt sich: ‚Was ist denn passiert? Ist er verrückt oder bin ich verrückt?'" Der Kardinal preist hier als Mittel für die Soldaten: "Es ist die Feindesliebe, die unbegreiflichste Herausforderung, die Gott den Menschen als seinen Ebenbildern zumutet."

Mit diesem Mittel der Feindesliebe hätten die Bomberpiloten der Bundeswehr aber sicher Probleme, ihren Vernichtungsauftrag durchzuführen. Die Realität ist anders. Denn die Bundeswehr richtet sich nicht gegen Meisners behauptetes allgemeines "das Böse". Die weltweite Sicherung der Rohstoffe und die Sicherung der weltweiten Handelswege für die deutschen Kapitalisten ist verbindlicher Auftrag laut Bundeswehrrichtlinien.

Damit Meisner zum selben Ziel, das Böse durch das Gute überwinden, kommen kann, nimmt er daher einen anderen Weg. Er zitiert nicht mehr aus der Bibel. Wie in jeder seiner Soldatengottesdienst-Reden kramt er im reichen Sprichwortschatz seiner Vorfahren und zitiert, leicht in seinem Sinne gedreht: "Das Sprichwort unserer Vorfahren: ‚Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt' ist leider noch nicht ad absurdum geführt." Die übliche Formulierung des Vorfahren Friedrich Schiller, Wilhelm Tell, Vierter Aufzug, 3. Szene, Tell: "Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt" verwendete der Kardinal lieber nicht. Die Gedanken der mehr oder weniger frommen Zuhörenden könnten sich schwerer von der bisher angepriesenen biblischen Feindesliebe lösen. Meisners Spruch "Es kann der Beste nicht ..." passt ihm genauer zu dem "Guten" und dem "Bösen". Obwohl mit ganz anderen Mitteln, haben Feindesliebe und Militäreinsatz der Bundeswehr nach Kardinal Meisner dasselbe Ziel. Nachdem er seinen Vorfahren-Spruch losgelassen hat, fordert Meisner den Einsatz der Bundeswehr: "Und selbst, wo Gewalt angewendet werden müsste, muß es als Ultima ratio geschehen, das Böse in das Gute zurück zu führen, aus dem Negativen das Positive zu machen." Will die Bundeswehr etwas anderes als die christliche Feindesliebe? Will die geplante EU-Angriffstruppe nicht das Positive machen, zumindest für die weltweiten Vorherrschaftsziele ihrer Auftraggeber?

Verteidigungsminister Struck soll laut Kölner Rundschau vom 21. Januar 2005 beim folgenden Empfang im Maternushaus gesagt haben: "Er werde oft gefragt, ob denn Soldaten und Friedensgebet zusammen passten (...) Dem halte er entgegen: ‚Wir leisten aktive Friedensarbeit'".

Sozialdemokrat Struck könnte seine "aktive Friedensarbeit" in Köln am Mittwoch, dem 23. Februar 2005, noch einmal nachvollziehen und Kardinal Meisners Spruch "Das Böse in das Gute zurückführen" ins Angesicht der klagenden Angehörigen rechtfertigen:

Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Köln (Reichenspergerplatz) in Sachen Bürger von Varvarin gegen Bundesrepublik Deutschland. Einwohner dieses serbischen Dorfes, das im Krieg 1999 von der NATO bombardiert wurde, obwohl es kein militärisches Ziel in diesem Dorf gab, wobei etliche Einwohner getötet wurden, haben das NATO-Mitglied Deutschland verklagt (insbesondere die Eltern der getöteten Jugendlichen). Die Verhandlung beginnt wahrscheinlich am Vormittag. Das Friedensforum plant eine Aktion. Wer kann, sollte sich den Termin freihalten. (gba)