München, 1.4.2006 - Protest gegen Massaker an Kurden in der TürkeiBilder

Brutaler Polizeieinsatz gegen friedliche Kundgebung

Presseerklärung des Münchner Bündnisses gegen Krieg und Rassismus, 2.4.2006

Kurden protestieren gegen Massaker in der Türkei - Brutaler Polizeieinsatz gegen friedliche Kundgebung

Eine Protestkundgebung von Münchner Kurdinnen und Kurden auf dem Stachus wurde von der bayerischen Polizei am Samstag Abend brutal zerschlagen.

Rund 100 Demonstranten protestierten mit Plakaten und Sprechchören gegen die seit einer Woche andauernden erneuten Massaker der türkischen Armee und Polizei an der kurdischen Bevölkerung. Mindestens neun Zivilisten, darunter Kinder im Alter von drei, acht und zwölf Jahren wurden in Kurdistan von Polizeischüssen getötet und Hunderte zum Teil schwer verwundet.

Der gerade von einer Beobachterdelegation zu den Newroz-Festen zurückgekehrte Versammlungsleiter Dr. Nikolaus Brauns berichtete vom Einsatz deutscher Panzer in den kurdischen Gebieten und Orhan Akman, Sekretär der Gewerkschaft ver.di in München, forderte demokratische Rechte und Selbstbestimmung für die Kurden in der Türkei.

Ohne Vorwarnung stürmten schwarzuniformierte USK-Sonderkommandos der Polizei die friedliche Kundgebung, warfen mehrere Teilnehmer zu Boden oder rissen Frauen an den Haaren.

Der Staatsschutz hatte zuvor gefordert, die Bilder von 14 am vergangenen Wochenende durch einen Giftgaseinsatz der Armee ermordeten Freiheitskämpfer zu entfernen. Der hinter den Gesichtern angedeutete rote Stern sei ein Symbol der verbotenen PKK.

Offenbar handelte es sich nur um einen Vorwand, um den friedlichen Protest gegen die Massaker in der Türkei zu verhindern. Während die angeblich verbotenen Bilder nicht angerührt wurden, nahm die Polizei gezielt die beiden Versammlungsleiter fest.

Unter den neun willkürlich Festgenommenen, die am gleichen Abend wieder frei kamen, waren auch einen Sprecher der Föderation Kurdischer Vereine Yek-Kom, ein Korrespondent der türkischsprachigen Tageszeitung Yeni Özgür Politika und der Fachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di Hubert Thiermeyer.

Gegen den von USK-Führer Martin Schlegel geleiteten Polizeieinsatz werden mehrere Leidtragende Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Körperverletzung und Beleidigung stellen. Mehrere Kundgebungs-teilnehmer klagten nach dem Polizeieinsatz über Schmerzen, eine von der Polizei zu Boden geworfene Frau konnte aufgrund der erlittenen Verletzungen am Sonntag Morgen noch nicht laufen. Betroffene haben bereits Anzeige erstattet bzw. werden dies noch tun.

Wir protestieren auf das Schärfste gegen das brutale Vorgehen der Münchner Polizei. Das eingesetzte Polizeieinsatzkommando hat das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen getreten, eine angemeldete Versammlung rechtswidrig angegriffen und dadurch verunmöglicht.
  • Orhan Akman, Sekretär der Gewerkschaft ver.di
  • Claus Schreer, Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus
  • Brigitte Wolf, Stadträtin der LinksparteiPDS
Weitere Informationen: Dr. Nikolaus Brauns, Tel. 089/391483

MÜNCHNER BÜNDNIS GEGEN KRIEG UND RASSISMUS
c/o Claus Schreer
Johann-von-Werth-Str. 3, 80639 München
Telefon: 089/16 95 19, Fax: 089/168 94 15


Polizeiknüppel gegen friedliche Kundgebung

Ludwig König in 'junge Welt' vom 03.04.2006

München: SDAJ-Sprecher und jW-Mitarbeiter bei Demo gegen Massaker an Kurden festgenommen

»Diyarbakir und München Schulter an Schulter«, lautete ein türkischsprachiger Aufruf für eine Münchner Kundgebung gegen die jüngsten Massaker in der Türkei. Dieses Motto wurde von der bayerischen Polizei auf eigene Art ausgelegt. Die friedliche Kundgebung am Sonnabend wurde brutal auseinandergeknüppelt.

Die rund 100 mehrheitlich kurdischen Demonstranten hatten auf dem Stachus gegen die seit einer Woche andauernden Massaker der türkischen Armee und Polizei an der kurdischen Bevölkerung protestiert, bei denen mindestens neun Zivilisten, darunter Kinder im Alter von drei, acht und zwölf Jahren getötet und Hunderte zum Teil schwer verwundet wurden.

Orhan Akman, Sekretär der Gewerkschaft ver.di, forderte demokratische Rechte und Selbstbestimmung für die Kurden in der Türkei, und der gerade aus der Osttürkei zurückgekehrte jW-Korrespondent Nick Brauns berichtete von Panzern aus deutscher Lieferung in den kurdischen Gebieten. Ohne Vorwarnung stürmten kurz darauf schwarzuniformierte Sonderkommandos der Polizei die friedliche Kundgebung, warfen Teilnehmer zu Boden und zogen Frauen an den Haaren.

Ein Staatsschutzmitarbeiter hatte die Demonstranten zuvor aufgefordert, die Bilder von 14 vor einer Woche durch einen Giftgaseinsatz der türkischen Armee ermordeten kurdischen Freiheitskämpfer zu entfernen. Der hinter den Gesichtern angedeutete rote Stern sei ein Symbol der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Offenbar handelte es sich dabei um den Vorwand für die Zerschlagung des friedlichen Protestes. Während die angeblich verbotenen Bilder nicht angerührt wurden, nahm die Polizei gezielt die beiden Versammlungsleiter Falko B., Vorsitzender der SDAJ Bayern, und Nick Brauns fest. Unter den insgesamt acht Festgenommenen, die am gleichen Abend wieder frei kamen, waren auch ein Vertreter der Föderation Kurdischer Vereine Yek-Kom, ein Korrespondent der Tageszeitung Özgür Gündem und ein Fachbereichsleiter der Gewerkschaft ver.di. Allen Festgenommenen wird Widerstand gegen die Staatsgewalt oder die Behinderung von Polizeimaßnahmen vorgeworfen.

Beobachter des brutalen Polizeieinsatzes haben gegen mehrere Beamte Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Körperverletzung und Beleidigung gestellt. Ver.di-Sekretär Akman und Claus Schreer vom Münchner Bündnis gegen Rassismus und Krieg verurteilten in einer Presseerklärung die Kumpanei von Bayerns Innenminister Günther Beckstein und dem türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan. Es sei ein Skandal, daß nicht der Mord an kurdischen Kindern oder der Einsatz völkerrechtlich verbotener Massenvernichtungsmittel durch die türkische Armee verfolgt werde, sondern die Trauer um die Opfer.

Zu friedlichen Protesten gegen die Massaker in der Türkei kam es am Wochenende auch in Hamburg, Stuttgart, Freiburg, Wien, Paris, London und Nikosia.

Quelle: www.jungewelt.de


Münchner Polizei bekannte Farbe

Claudia Wangerin in 'Neues Deutschland' vom 03.04.2006

Neun Festnahmen auf deutsch-kurdischer Protestkundgebung

Während in türkischen Städten die verlustreichsten Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Bevölkerung und der Staatsgewalt seit den 90er Jahren stattfinden, werden Solidaritätsaktionen mit dem Verweis auf das 1993 erlassene PKK-Verbot kriminalisiert. So auf einer Kundgebung am Samstag in München.

Anlässlich der tödlichen Polizeischüsse auf kurdische Demonstranten, Kinder und Jugendliche im Südosten der Türkei fand am Samstag in München eine Protestkundgebung statt. Zur Unterstützung hatten sich Vertreter der Gewerkschaft ver.di eingefunden. Der aus Malatya stammende Gewerkschaftssekretär Orhan Akman betonte in einer Rede die zersetzende Wirkung des Militärs auf jede demokratische Entwicklung in der Türkei. Der Journalist Nick Brauns berichtete von einer Delegationsreise in die kurdischen Gebiete, wo ein Offizier ihm voller Stolz die deutschen Panzer gezeigt habe, die gegen Kurden eingesetzt werden.

Etwa 50 Personen hatten sich mit handgemalten Plakaten aufgestellt, einige zeigten Porträtfotos der 14 in Mus gefallenen Guerillakämpfer, deren Angehörige der kurdischen Nachrichtenagentur DIHA gesagt hatten, der Zustand der Leichen lasse auf einen Giftgasangriff schließen. Ihnen zu Ehren hatten in Diyarbakir Zehntausende an Trauerdemonstrationen teilgenommen, die von Polizei und Militär angegriffen wurden. Daraufhin kam es in mehreren Städten zu Straßenschlachten, die seit mehreren Tagen andauern.

Die Münchner Polizei machte klar, auf wessen Seite sie steht: Im Hintergrund der Porträtfotos sei ein verbotenes Symbol zu sehen, also dürften sie nicht gezeigt werden. »Verbietet lieber die Waffenexporte«, schrie ein kurdischer Familienvater. Wenig später ging die Bereitschaftspolizei brutal gegen Demonstranten vor, neun Personen wurden festgenommen, darunter die Veranstalter Nick Brauns und Erdal Han, der als Korrespondent der Özgür Politika anwesend war, sowie der ver.di-Sekretär Hubert Thiermeyer.

Quelle: www.nd-online.de