Halbe, 18.11.2006 - Veranstaltung 'Tag der Demokraten' (Fotos: Margita Görner)Bilder

Mit Demokratie gegen rechts?

Während im brandenburgischen Halbe Tausende den 'Tag der Demokraten' feierten, machte Polizei Neonazis in Seelow den Weg zum 'Heldengedenken' frei - Artikel von Andreas Siegmund-Schultze aus 'junge Welt' vom 20.11.06

Samstag in Halbe: Die Politik setzt sich an die Spitze der antifaschistischen Bewegung

Nahezu zehntausend Menschen sind am Samstag in Brandenburg gegen Neonazis auf die Straße gegangen. Anlaß waren die alljährlichen »Heldengedenken«, mit denen alte und neue Faschisten die Wehrmacht heroisieren. Bei der Kesselschlacht von Halbe waren im April 1945 rund 60000 sowjetische und deutsche Soldaten sowie Tausende Zivilisten, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter zu Tode gekommen. 2005 marschierten in der Ortschaft etwa 1700 Rechtsextreme auf. 2000 Gegendemonstranten hatten damals im Rahmen eines »Tages der Demokraten« dafür gesorgt, daß ihr seit 2003 wieder jährlich stattfindendes »Heldengedenken« abgebrochen werden mußte.

Rund 8500 Menschen kamen dieses Mal ab dem frühen Samstag nachmittag zur Neuauflage des »Tages der Demokraten« nach Halbe, zu dem ein Bündnis aus Landesregierung, Politikern und Parteien, aber auch Gewerkschaften, Vereinen und Künstlern aufgerufen hatte. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sprach von einem guten Tag für die Demokraten in ganz Deutschland. Von einigen falsch informierten Neonazis abgesehen, zeigten sich in Halbe keine Rechtsextremen. Sie hatten ihre Veranstaltung nach Seelow bei Frankfurt/Oder verlegt. Dort hatten die Faschisten im April 1945 ebenfalls Zehntausende Soldaten verheizt, obwohl der Krieg längst entschieden war. Zehntausende Rotarmisten starben bei diesen Kämpfen. Die Neonazis um den Hamburger Christian Worch waren nach Seelow ausgewichen, weil ihnen die Gerichte in Halbe nur eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz eingeräumt hatten, ein Marsch zum Halber Soldatenfriedhof also nicht möglich war.

So versamelten sich am Sonnabend etwa 1000 Alt- und Neonazis erschienen auf dem Seelower Puschkinplatz. Ein Redner nannte das Nazireich die »letzte Demokratie« in Deutschland, vor einer Bühne waren Kränze für Wehrmachtseinheiten drapiert. 1000 Gegendemonstranten protestierten zeitgleich auf einer »Kundgebung der Demokratie« und einer von antifaschistischen Gruppen organisierten Veranstaltung. Trotz eines martialischen Polizeiaufgebots von über 1000 Beamten gelang es Antifaschisten mittels Blockaden zeitweise, anreisende Neonazis daran zu hindern, zu ihrer Kundgebung zu gelangen. Aus Bayern angereiste Polizisten prügelten ihnen jedoch schließlich den Weg frei.

Gegen 15 Uhr marschierten die Rechtsextremen zur Kriegsgräberstätte am Seelower Stadtrand. Die Behörden hatten es ihnen zuvor verboten, ihre Abschlußkundgebung direkt auf dem Friedhof zu veranstalten. Ihr militaristisches Ritual konnten sie in dessen Nähe dennoch abhalten. Dabei kam es zu einer Attacke auf einen Journalisten. Mehrere Schläger bedrängten den Fotografen und drückten ihn an den Zaun des Friedhofs. Die von ihm um Hilfe gebetene Polizei griff nicht ein.

Quelle: jungewelt.de