Düsseldorf, 19.1.2008 - 'Kopfnoten abschaffen' - NRW-weite SchülerInnen-Demonstration gegen die Wiedereinführung der KopfnotenBilder

Resolution 'Kopfnoten abschaffen'

Beschluss der 91. Landesdelegiertenkonferenz der LandesschülerInnenvertretung NRW vom 24.11. in Dortmund

Kopfnoten sind nicht nur neuer Bestandteil des Schulalltags, sondern stehen im Zusammenhang politischer Verhältnisse:

Die LSV NRW sieht Kopfnoten als weiteres Mittel, die bestehende ungerechte Klassengesellschaft zu manifestieren. In dieser gibt es bestimmte Machtpositionen, welche durch das Bildungssystem dank Selektion (durch die Kombination Ziffern-Noten und Ziffern-Kopfnoten) personell besetzt werden. Kopfnoten sollen nur die mannigfaltigen bestehenden Probleme verschleiern, die dem Schulalltag zu Grunde liegen und die er produziert.

Präambel

Mit dem Schulgesetz der CDU / FDP- Landesregierung sind in NRW Änderungen auf die SchülerInnenschaft zugekommen, die eigentlich in die Zeit des deutschen Kaiserreichs gehören. So bekommen Schülerinnen und Schüler in NRW ab dem ersten Halbjahreszeugnis Ziffernnoten in den abstrakten Kategorien Betragen, Fleiß, Ordentlich- und Pünktlichkeit.

Nach Willen der Düsseldorfer Regierung soll es in der Schule von Morgen nicht mehr darum gehen, SchülerInnen zu kritischen und mündigen BürgerInnen zu erziehen. Ebenfalls nicht darum, während der Schullaufbahn die persönlichen, fachlichen und sozialen Kompetenzen von SchülerInnen zu fördern. Schule verkommt – betrachtet man das Schulgesetz und dessen Konsequenzen genau – zu einem Ort, an dem SchülerInnen stupide Fakten auswendig lernen und reproduzieren müssen. In den Schulen ist kein Platz für künstlerische, musische oder soziale Entfaltungen von Jugendlichen. Sie haben sich bloß noch den Anforderungen zu stellen, die schon bereits im Bismarck’schen Bildungssystem und in der heutigen Ellenbogengesellschaft von ihnen abverlangt werden: Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin.

Wir fordern, dass SchülerInnen zu mündigen und kritischen Bürgern erzogen werden, die befähigt sind das demokratische System der Bundesrepublik zu tragen.

Kopfnoten sind durchgefallen

Wir lehnen Kopfnoten generell ab. Und wünschen uns einen direkteren Umgang in den Schulen miteinander. Feedback muss situativ erfolgen und nicht ein halbes Jahr später auf dem Zeugnis durch eine Zahl ausgedrückt werden. So wird keine konstruktive Rückmeldung über das Verhalten der SchülerInnen gegeben. Für ein gutes miteinander sollte es stattdessen eine ehrliche Feedbackkultur in den Schulen geben. Dafür sind die Kopfnoten allerdings kontraproduktiv. Wir fordern deswegen die reguläre Einführung von Klassenstunden, um auf die persönlichen und gruppendynamischen Probleme der SchülerInnen einzugehen und diese gemeinsam zu lösen.

Kopfnoten sind nur ein weiteres Disziplinarmittel. Sie geben LehrerInnen ein weiteres Druckmittel, das sich nahtlos in die neu eingeführten Kontrollmechanismen der zentralen Prüfungen und des Zentralabiturs einreiht. Die CDU / FDP - Landesregierung übersieht in ihrer Bewertungswut die negativen Auswirkungen, die solche Noten auf die Unterrichtsqualität haben.

Kopfnoten geben keine Auskunft über menschliche Eigenschaften. Das Arbeits- und Sozialverhalten ist für LehrerInnen in der Regel intransparent. Die Pädagogen haben keinen Einblick in das soziale Umfeld der SchülerInnen. Die familiären Faktoren sind normalerweise nicht einsehbar und somit auch nicht bewertbar. SchülerInnen mit sozial benachteiligtem Hintergrund z.B. durch Migration und fehlende Kompetenzen der Eltern werden an den Pranger gestellt statt gefördert.

Kopfnoten spiegeln nicht den sozialen Umgang der SchülerInnen miteinander wieder. Zum Beispiel kann und darf in Schule das an den Tag gelegte Konfliktverhalten nicht von einem subjektiven Standpunkt aus beurteilt werden. Ein Schüler kann sich seinen MitschülerInnen gegenüber total asozial verhalten, kriegt aber wegen seiner Unauffälligkeit im Unterrichtsgeschehen Top-Noten in diesen Kategorien. Das heißt SchülerInnen, die sich gegen den Lehrer artikulieren und sich dabei beispielsweise für andere SchülerInnen einsetzten, werden hiermit versucht mundtot zu machen.

Kopfnoten sind eine Selektion für die Wirtschaft. Die Ausrichtung von Schule sollte es nicht sein, primär SchülerInnen für den Arbeitsmarkt vor zu sortieren und erst sekundär den Jugendlichen etwas beizubringen. Unterricht richtet sich zu stark nach diesen Bewertungskriterien aus und die stetige Benotung verhindert eine Entwicklung der SchülerInnen zur Selbstständigkeit. Diese wird doch gerade in der modernen Arbeitswelt so dringend benötigt.

Kopfnoten zwingen viele SchülerInnen sich zu verstellen. Unter stetiger Beobachtung versuchen sich viele SchülerInne unter den Umständen gezwungener Weise künstlich vor Lehrkörpern in ein gutes Licht zu rücken und diesen für eine positive Bewertung zu schmeicheln. Dadurch müssen sich SchülerInnen verstellen und es entwickelt sich eine Mentalität des Gegeneinanders und des Wettkampfes um die Sympathie bei der Lehrkraft zu erlangen. Dadurch geht jegliche Teamfähigkeit verloren. Dabei wäre ein Gruppenautomatismus geprägt von gegenseitiger Hilfe auf dem Weg zum Bildungsabschluss wünschenswert.

Kopfnoten sind keine nette Form des Umgangs miteinander - „Frau Ministerin Ihr Arbeitsverhalten ist 4, oder was auch immer die schlechteste Noten für diese Reform ist!“. Nur die offene Konversation ermöglicht einen gepflegten, menschlichen Umgang und stärkt das Gemeinschaftsgefühl in den Klassen. Die Lehrkräfte sollten sich nicht an Zahlen klammern, sondern das Gespräch mit den SchülerInnen suchen.

Kopfnoten sind nicht praktikabel! Der Arbeitsaufwand, die Vergabe von ca. 140 Noten pro Klasse, den jedeR LehrerIn leisten muss, ist nicht zu schaffen: Da ist eine gerechte Benotung unmöglich.

Kopfnoten sind wie Pickel. Sie kommen vor allem in der Pubertät. SchülerInnen durchlaufen in der Schulzeit eine Persönlichkeitsentwicklung. Dabei müssen Sie von den Schulen positiv unterstützt werden. Die Jugendlichen sind oft von Unsicherheit, Selbstzweifel und Selbstfindung geprägt. Ihr Bildungsweg muss den SchülerInnen helfen sich zu orientieren, statt sie in dieser schwierigen Phase zu bestrafen. Diese Auswirkungen werden sie bis zum Ende ihres Arbeitslebens verfolgen.

Kopfnoten sind sinnlos. Es gibt keinen berechtigten Grund das Verhalten von jungen Menschen in Zahlen zufassen und ihnen dieses lebenslang zu protokollieren.

Quelle: kopfnoten-abschaffen.de