Köln, 8.5.2010 - Eröffnung der Freiluft-Ausstellung "Open Memory - Portraits von Deportierten"Bilder

Open Memory

8. bis 24.Mai 2010, Heinrich Böll Platz, Köln, vor der Hohenzollernbrücke

An einem öffentlichen Ort in der Kölner Innenstadt werden 20 Transparente (3m x 5m) und 6 Transparente (3m x 4m) gezeigt, auf denen die Portraits, bzw. Fotografien von 1551 Personen großformatig abgebildet sind. Sechs der Transparente zeigen Roma, aus dem „Transport Z“, der 1944 von der Kaserne Malines/Nordfrankreich nach Auschwitz fuhr. Auf den anderen Transparenten sind die Portraits von 1200 jüdischen Menschen zu sehen, die 1943 mit dem so genannten “XX Transport“ von Mechelen/Belgien nach Auschwitz deportiert wurden.

Drei Ereignisse, die in einem engen Bezug zu dieser Ausstellung stehen, jähren sich im Mai 2010 in dem Zeitraum, in dem die Gedenkinstallation zu sehen sein wird:
  • das Ende des 2. Weltkrieges in Europa am 08. und 09. Mai 1945

  • am 10. Mai 1940 überfiel die deutsche Wehrmacht Belgien und

  • zwischen dem 16. und 21. Mai des selben Jahres wurden über 1000 Roma aus Köln und dem Rheinland auf dem Gelände der Kölner Messe zusammen getrieben, um sie von dort in den Osten zu deportieren.
Die Ausstellung wird hinter dem Heinrich-Böll-Platz bis zur Hohenzollernbrücke installiert– einer hochfrequentierten Eisenbahn- und Fußgängerbrücke über den Rhein.

Diesen Weg mussten die Roma zum Messelager und dem dort benachbarten Deportationsgleis “Deutz-Tief“ nehmen. Die atmosphärische Dichte zwischen dem historischen Ort, den Fahrgeräuschen der unentwegt über die Brücke rollenden Personenzüge und den großformatigen Portraits, war entscheidend für die Wahl dieses Platzes.

Der Termin und der Ort in Verbindung mit den gezeigten Portraits sollen einen Hinweis darauf liefern, dass die Deportation und Ermordung ganzer Bevölkerungsteile, ohne das Prinzip “Krieg“ nicht möglich gewesen wäre.

Dem Betrachter wird die Möglichkeit gelassen, sich gezielt oder auch zufällig dem Schicksal der dargestellten Personen zu nähern. Antworten auf die Fragen, wer sie sind, woher sie kamen und was aus ihnen geworden ist, können an einem Informationsstand in einem persönlichen Gespräch oder den angebotenen Faltblättern gefunden werden.

Der öffentliche Raum und die Art der Präsentation erzwingen diese Auseinandersetzung jedoch nicht.

Veranstalter

Die Kölner Initiative „Die Bahn erinnern“, hat die Idee entwickelt.

Wir sind eine Initiative, die verschiedene Aktivitäten und Gedenkinstallationen jeweils um den 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz, in Köln realisiert hat u.a.:
  • 2006 Installation „Die Schwelle“ auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs

  • 2007 Aufstellen eines Güterwaggons aus den 30er Jahren auf dem Vorplatz des Hauptbahnhofs mit einer kleinen Ausstellung zum Thema Deportation.
Der Rom e.V. Köln arbeitet seit 20 Jahren als interkultureller Verein für die Verständigung von Roma/Sinti und Nicht-Roma/Sinti. Als Initiative wurde er 1986/87 gegründet, um Roma-Flüchtlinge gegen Angriffe zu schützen und für die Familien eine sichere Zukunft in Köln zu schaffen. Seit seiner Gründung engagiert sich der Verein für das Bleiberecht und für menschenwürdige Lebensbedingungen von Flüchtlingsfamilien in Köln und bekämpft den Rassismus und die Diskriminierung gegen Roma/Sinti in Medien, Behörden und der Bevölkerung. So beteiligte sich der Verein im Januar 1990 an der Besetzung des Kölner Doms, die zum Ausgangspunkt des 6 wöchigen Bettelmarsches durch NRW wurde. Der Verein macht es sich zur Aufgabe, Roma und Sinti sozial und kulturell durch entsprechende Projekte und geeignete Hilfestellungen zu fördern, die unter Wahrung der eigenen Identität den Integrationsprozess unterstützen.

Der Jugendclub Courage, Köln e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und als freier Träger der Jugendhilfe anerkannt. Arbeitsschwerpunkt des Vereins ist die Projektarbeit zu den Themen: (Anti)Rassismus, Rechtsextremismus, Nationalsozialismus und “Erinnerungsarbeit“. Der Verein hat in Köln seit vielen Jahren seinen festen Platz im Bereich der jugendpolitischen Bildungsarbeit.

Kooperationspartner
  • Jüdisches Deportations- und Widerstandsmuseum (JDWM) in Mechelen/Belgien

  • La Coupole, Centre d`Histoire et de Memoire du Nord-Pas-de-Calais (Saint Omer) / Frankreich

  • NS-Dokumentationszentrum Köln, AK Gedenkstätten NRW
    Der Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten in Nordrhein-Westfalen hat "OPEN MEMORY" als eine der zentralen landesweiten Aktivitäten zum Gedenken an den 70. Jahrestag der Sinti und Roma aus dem Rheinland und Westfalen unterstützt. Dank dieser Initiative war es möglich, von der Landeszentrale für politische Bildung in Nordrhein-Westfalen eine Förderung für die Gedenkinstallation zu erhalten.

  • Lern-und Gedenkort Jawne, im EL-DE Haus Verein Köln
Die beiden Museen haben die Exponate leihweise für die Ausstellung zur Verfügung gestellt.

Quelle: open-memory.info


Zur Ausstellungseröffnung von 'open memory'

Begrüßungsrede von Maria Baumeister (Initiative 'Die Bahn erinnern')

Guten Tag meine Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde. Mein Name ist Maria Baumeister und ich begrüße Sie ganz herzlich im Namen der Veranstalter, der Initiative „Die Bahn erinnern", dem Rom e.V. Köln und dem Jugendclub Courage zur Ausstellungseröffnung von „open memory".

Wir eröffnen heute eine außergewöhnliche Ausstellung. Sie zeigt die Portraits von Menschen, die in dem Transport XX und dem Transport Z nach Auschwitz deportiert wurden. Diese Portraits werden heute zum ersten Mal in Deutschland präsentiert.

Ganz herzlich möchte ich unsere Gäste begrüßen:
  • Frau Gitta R. eine Romni aus der Gruppe der Lovara, die viele Angehörige verloren hat.
  • Herrn Simon Gronowski, der als 11-jähriger aus dem Transport XX fliehen konnte.
  • und Herrn Johannes Blum aus Brüssel, der uns unermüdlich bei der Vorbereitung unterstützt hat.
  • Frau Simone Treis vom Rom e.V. Köln
  • die musikalischen Künstler Esther, Edna und Joram Bejarano & Microphonemafia
  • und Frau Karena Weduwen als Vertreterin des jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum in Mechelen/Belgien
Im Jahre 2007 wurde die Ausstellung des Transport XX vom jüdischen Deportations- und Widerstandsmuseum in Mechelen das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Durch unseren Kontakt zu dem Museum entstand sehr bald die Idee, diese Portraits in Köln zu zeigen. Im vergangenen Jahr wurden nach dem gleichen Konzept große Tafeln mit Portraits vom Transport Z vom das Museum La Coupole in Nordfrankreich erstellt und in Lille gezeigt. An dieser Stelle möchte ich meinen ganz herzlichen Dank an die beiden Museen aussprechen, die uns unkomplizierten und kostenlos die Ausstellungen zur Verfügung gestellt haben. Darüber hinaus haben sie uns mit jeglichen Informationen unterstützt.

Der Transport XX mit den 1638 jüdischen Menschen fuhr am 19. April 1943 von Mechelen ab. Er wurde von drei jungen Männern in Belgien gestoppt. Mehr als 200 Menschen konnten fliehen - viele haben überlebt.

Der Transport Z deportierte im Januar 1944 351 Roma und Sinti aus Nordfrankreich vom Lager Malines, über Mechelen nach Auschwitz.

In den jetzigen Ausstellungszeitraum fallen drei historische Daten, die den Rahmen dieser Deportationen zentral bestimmen.

Am 10. Mai 1940 vor 70 Jahren überfiel die deutsche Wehrmacht die Nachbarländer Belgien, Niederlande und Frankreich und organisierte damit in diesen Länder die Mordpolitik der Nationalsozialisten.

In diesem Mai jährt sich zum 70sten Mal die Deportation der Roma und Sinti in Köln. Fast 1000 „Zigeuner" wurden über die Hohenzollernbrücke ins Messelager Deutz verschleppt, und von hier mit Viehwaggons in die Konzentrationslager im Osten. Am 21. Mai 1940 waren die „Zigeuner" aus Köln verschwunden.

Am heutigen 8. Mai jährt sich zum 65sten Mal das Ende des 2. Weltkrieges in Europa. Deportation und Ermordung ganzer Bevölkerungsteile waren und sind ohne Krieg nicht denkbar.

Ich möchte mich jetzt bei den vielen Unterstützerinnen und Unterstützern bedanken, ohne die diese Gedenkinstallation nicht möglich wäre.

Bedanken möchte ich mich auch für die finanzielle Förderung durch den Arbeitskreis der Gedenkstätten in NRW und der Landeszentrale für politische Bildung, der Aktion Mensch, der Bilz Stiftung, dem Gülich Fond, dem Ökofond der Grünen und dem Lern- und Gedenkort Jawne. Für den AK der Gedenkstätten ist diese Gedenkinstallation die zentrale Veranstaltung in Nordrhein-Westfalen zum 70sten Jahrestag der Deportation der Roma und Sinti.


"Es lebe der Frieden und die Freundschaft unter den Menschen"

Rede von Simon Gronowski, Brüssel

Ich - ein Kind der Shoah - überbringe dem deutschen Volk, der deutschen Jugend eine Freundesbotschaft. Die Barbaren haben meine Mutter und meine Schwester in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau umgebracht, und mein Vater starb vor Verzweifelung im Juli 1945.

Meine Eltern hatten einen einzigen Fehler begangen, sie hatten nichts Schlimmes getan, aber sie wurden als Juden geboren, ein «Verbrechen», das in dieser Zeit nur mit dem Tod bestraft werden konnte.

Am 17ten März 1943 hat uns die Gestapo verhaftet: meine Mutter, meine Schwester Ita und mich selbst. Mein Vater entging der Verhaftung, er war zu dieser Zeit im Krankenhaus.

Zwei Tage verbrachten wir in den Kellern der Gestapo an der avenue Louise und einen Monat in der Dossin-Kaserne in Mechelen.

Meiner Schwester war vorläufig von der Deportation ausgeschlossen, denn sie hatte die belgische Staatsangehörigkeit angenommen (als sie 16 Jahre alt wurde).

Am 19zehnten April 1943 habe ich meiner Schwester Ita 'auf Wiedersehen' gesagt, Ich wusste nicht, dass dies ein Abschied für immer war.

Ich verließ die Unglückskaserne, rechts und links von zwei Reihen bewaffneter Soldaten umgeben und bestieg mit meiner Mutter und 50zig bis 60zig anderen Menschen einen Viehwagen.

Die Schiebetür des Wagons wurde auf brutale Weise und mit großem Metallgetöse geschlossen.

Ich war elf Jahre alt. Ich verstand von alledem ganz und gar nichts. Ich befand mich noch in meiner Welt der Pfadfinder. Ich wusste nicht, dass ich zum Tode verurteilt war und zu meinem Exekutionsort transportiert wurde.

Es war ein Wunder, das ich vom Zug abspringen und fliehen konnte.

Kurz nach unserer Abfahrt hielt der Zug an. Ich befand mich im Wagon in völliger Dunkelheit, Ich hörte Gewehrschüsse und die deutschen Wachen brüllen.

Das war der Angriff auf den zwanzigsten Deportationszug in Boortmeerbeek und per Zufall brach am gleichen Tag - es war der 19te April 1943 - der Aufstand im Warschauer Ghetto aus.

Drei junge Leute hielten den Zug an, sie öffneten einen Wagon - nicht den Meinigen - und haben 17 Personen befreit.

Der Zug fuhr weiter, und ich schlafe in den Armen meiner Mutter ein. Aber im Unterbewustsein hörte ich doch das Männer in meinem Wagon versuchten, die Wagontür von innen aufzumachen. Die Ereignisse um den Angriff auf den Zug hatten ihnen Mut gegeben.

Plötzlich weckte mich meine Mutter auf, der Zug rollte, aber die Wagontür war offen. Sie stellte mich auf das Trittbrett des Wagons, und ich sprang. Ich war in der Provinz von Limburg, ich lief die ganze Nacht durch den Wald und am Morgen fiel ich in die Hände eines Polizisten: Jean Aerts. Er wusste schnell, dass ich ein jüdisches Kind war und das ich mich auf der Flucht befand. Er hat mich beschützt.

50-60 Jahre lang habe ich wenig von meiner Vergangenheit gesprochen. Ich wollte nur dem Heute und dem Morgen leben. Heute spreche ich aus mehreren Gründen:

1) Die Negationisten sagen, dass das nicht wahr sei, dass alles nicht existiert hat: es hat keine Gaskammern gegeben, keine Krematorien, keine unzähligen Massaker.

Ich wünschte dass sie recht hätten, dann hätte ich meine Familie noch!

Diese Leute sind gefährlich: sie negieren die Verbrechen von gestern, um morgen andere zu begehen. Zeugnis abzulegen ist meine Pflicht. Jemand, der einen Zeugen hört, wird selbst Zeuge.

2) Ich möchte den Helden, die mir das Leben gerettet haben, Dank sagen:
  • den drei jungen Leuten, die den Zug in Boortmeerbeek anhielten, den Wagon öffneten und 17 Menschen retteten: Youra Livschitz, Jean Franklemont und Robert Maistriau hatten eine Aktion von außergewöhnlichem Mut vollbracht. Von all den vielen Deportationszügen, die Europa zwischen 1939 und 1945 durchquerten, war nur der zwanzigste Deportationszug aus Belgien das Ziel einer Widerstandsgruppe.
  • dem Polizisten von Borgloon, Jean Aerts, der sein Leben riskierte indem er mich rettete. Wenn die Nazis gewusst hätten, dass ein belgischer Polizist ein jüdisches Kind, das auf der Flucht war, gerettet hätte, so wäre er sofort erschossen worden.
  • den belgischen Familien, die mich aufnahmen, mich 17 Monate lang versteckten, bis Brüssel am dritten September 1944 befreit wurde, diese Familien haben mich wie ihr eigenes Kind behandelt.
Ohne all diese Menschen wäre ich heute weder Vater noch Großvater.

Jedoch die größte, allererste Heldin ist meine Mutter: sie stellte ihren kleinen Jungen auf das Trittbrett des Wagons, Trittbrett zur Freiheit, zum Leben. Sie selbst hat die Reise fortgesetzt, die mit dem Tod in der Gaskammer von Auschwitz endete.

Und tausende von Belgiern, oft aus dem einfachen Volk, sind nur der Stimme ihres Herzens gefolgt. Sie haben den Verfolgten geholfen und dabei große Risiken auf sich genommen;

3) Ich muss die Opfer der Barbarei würdigen: den Millionen ermordeter Juden, unter ihnen die Kinder. Bei Völkermord ist es «normal» das man zuerst die Kinder tötet, denn die Kinder sind die Zukunft eines Volkes.

Aber es hat andere Opfer Hitler Regimes gegeben und andere Völkermorde in der Geschichte der Menschheit. Ich spreche im Namen aller Opfer, jeglicher Barbarei.

4) Ich spreche heute vor allem zu den jungen Leuten.

Sie müssen von den gestrigen Untaten wissen, um die Demokratie von heute zu verteidigen. Die Demokratie muss tagtäglich verteidigt werden.

Kinder meines Landes Belgien, Kinder von Deutschland, bewahrt unsere beiden Länder so wie sie sind: frei, in Frieden lebend, demokratisch, tolerant, damit ihr, eure Kinder, eure Enkel nicht eines Tages aus Unglück die Barbarei erleben wie ich diese erlebt habe.

Dies ist eine Botschaft an Freunde, voller Hoffnung und Glück.

Trotz der tragischen Geschehnisse von gestern und denen von heute, behalte ich meinen Glauben an die Zukunft, denn ich glaube an das Gute im Menschen.

Diese Ausstellung, eure Einladung, euer Empfang hat mich in diesem Glauben bestärkt. Es lebe der Frieden und die Freundschaft unter den Menschen.