Verheizte Heimat


Arbeiterfotografie Köln
über den Braunkohletagebau im Raum Köln-Aachen

(siehe auch im Ausstellungsangebot)

Verheizte Heimat - das ist der Titel eines Projektes über den Braunkohletagebau im Kölner Raum. Die hier vorgestellten Fotos waren als erste Ergebnisse des Projekts innerhalb der Ausstellung "Engagierte Fotografie 1990" in der Galerie Arbeiterfotografie in Köln zu sehen. Entstanden sind die Fotos von April bis Juli 1990 in erster Linie in und bei Pattern.

Pattern - das ist der Name eines Dorfes irgendwo zwischen Köln und Aachen. Es ist ein Dorf ohne Läden, ohne Gaststätten, ohne Schule, ein Dorf ohne Polizei, Feuerwehr und Bürgermeister. An den Ortseingängen gibt es keine Ortseingangsschilder. Das Dorf hat keinen Briefkasten. Und in der Telefonzelle befindet sich ein Schild mit der Aufschrift "Wegen Störung geschlossen". Die Ortschaft macht insgesamt einen zerrissenen Eindruck. Am Rande der Strassen, die das Dorf durchziehen, gibt es nur vereinzelt Häuser. Und die sind nur teilweise bewohnt. Nur eine einzige Bauernfamilie und eine Reihe von tamilischen Asylsuchenden sind hier anzutreffen.

Das war der Zustand, wie wir Pattern im Frühjahr 1990 vorfanden. Weshalb sich mit einem derartigen Dorf befassen? Pattern befindet sich in der Schlußphase seiner Vernichtung. Am 13. Juli ist die Kirche dem Erdboden gleichgemacht worden. Und auch die Tage der noch stehenden Gebäude sind gezählt. Pattern verschwindet, um dem Braunkohletagebau Platz zu machen, der hier vom Rheinbraun-Konzern betrieben wird. Es ist das Tagebaugebiet Inden I, das hier entstehen soll.

Diesen Vorgang als ersten Bestandteil einer umfangreicheren Dokumentation fotografisch zu erfassen, hat sich die Arbeiterfotografie Köln zur Aufgabe gemacht. Eine Vielzahl von Exkursionen haben uns Anfang und Mitte dieses Jahres immer wieder nach Pattern geführt. Etwa zehn Mitglieder der Gruppe haben sich daran beteiligt. Das Thema erwies sich als für das Medium Fotografie wie geschaffen. Dementsprechend entwickelte sich das Interesse in der Gruppe.

Wozu ein solches Thema aufgreifen? Sind wir nicht alle auf Energiegewinnung angewiesen und müssen dafür Opfer bringen, indem wir zulassen, daß in erheblichem Maße in den Naturhaushalt eingegriffen wird, Kulturdenkmäler zerstört werden, der Lebensraum von Menschen vernichtet wird? Jörg Boström formuliert die Intention bei der Ausstellungseröffnung wie folgt: "Hier wird dokumentiert, was bald verschwunden ist. Ein Requiem für einen Lebensraum ... Es werden die Widersprüche unseres Lebenssystems in Bildern zur Sprache gebracht. Wie eine langfristig angelegte fotografische Erzählung ergänzen sich die Bilder zu überschaubaren und gerade darum widerspruchsvollen Zusammenhängen. Ein Bild entsteht, eine Metapher an einem Beispiel für die sich selbst untergrabende Menschenorganisation."

Andreas Neumann, Arbeiterfotografie Köln