Krieg und Medien - Die Äußerungen des Feindes und andere Rechtfertigungen für den Krieg (10)
Osama Bin Laden, Abu Gheith, Eiman el Sawahiri, Ahmed Alghamdi, Ibrahim el Haznawi...
Andreas von Bülow (SPD) auf die Frage "Was halten Sie von den Bin-Laden-Videos?": "Wenn man es mit Geheimdiensten zu tun hat, darf man Manipulation in höchster Qualität unterstellen. Die Technik könnte Hollywood liefern. Ich halte die Videos als Beweismittel für ungeeignet." "Sie trauen dem CIA wirklich alles zu." ('Tagesspiegel' vom 13.1.2002)

1. Bin-Laden-Video vom 7.10.2001:
2. Abu-Gheith-Video vom 9/10.10.2001:
3. Diverse dem Feind zugeschriebene Äußerungen:
4. Bin-Laden-Interview vom 10.11.2001:
5. Bin-Laden-Video vom 13.12.2001:
6. Bin-Laden-Video vom 27.12.2001:
7. Bin-Laden-Video von Oktober 2001, von CNN ausgestrahlt am 1.2.2002:
8. "Attentäter-Video-Testament", ausgestrahlt von El Dschasira am 15.4.2002:
9. Das Attentäter-Video, ausgestrahlt von El Dschasira am 10.9.2002:
10. Das Bin-Laden-Video zum US-Präsidentschaftswahlkampf, ausgestrahlt von El Dschasira am 29.10.2004:

Wie gerufen: 'Bin Laden' greift in die US-Wahlkampf-Show ein

Über das Bin-Laden-Wahlkampf-Video, das von El Dschasira am 29.10.2004 ausgestrahlt wird

Einstellung aus einem Video, auf dem Bin Laden zu sehen sein soll, ausgestrahlt von El Dschasira am 29.10.2004

Die Zeitplanung stimmt. Vier Tage vor den US-Präsidentschaftswahlen wird ein Video in Umlauf gebracht, das eine Person zeigt, die Bin Laden genannt wird, und es ist eine Stimme zu hören, die der gleichen Person zugeordnet wird. So wird das Video Bestandteil der Wahlkampf-Show mit durchaus bemerkenswertem Öffentlichkeitswert.

Was sagt die Person, die wir im Bild sehen? Ein Beispiel:
  • Gemäß El Dschasira (Full transcript of bin Ladin's speech, Monday 01 November 2004, 16:01 Makka Time, 13:01 GMT)
    "And for the record, we had agreed with the Commander-General Muhammad Ataa, Allah have mercy on him, that all the operations should be carried out within 20 minutes, before Bush and his administration notice."
    Quelle: http://english.aljazeera.net

  • Gemäß BBC (transcript of those excerpts broadcast by al-Jazeera)
    "We had agreed with the chief amir [leader - of the 11 September hijackers] Mohammed Atta that he should accomplish all the operations within 20 minutes before Bush and his administration could take notice."
    Quelle: http://news.bbc.co.uk

  • Gemäß Gerhard Wisnewski
    „Und um es festzuhalten: ich stimmte mit dem Commander-General Mohamed Atta überein, daß die gesamte Operation innerhalb von 20 Minuten ausgeführt werden muß, bevor Bush und seine Regierung es merken."
    Quelle: http://www.operation911.de

  • Gemäß AFP vom 30.10.2004
    "Wir haben mit Mohammed Atta - Gott schütze seine Seele - vereinbart, dass er alle Operationen innerhalb von 20 Minuten abschließt, bevor Bush und seine Regierung es merken."

Abgesehen von den irritierenden Formulierungsunterschieden: Was die Person behauptet, löst in uns eine nicht geringe Verwunderung aus. Gerhard Wisnewski bringt den Grund für diese Verwunderung auf den Punkt: "Das ist sehr nett von USAma, denn das hört sich ja ganz so an, als sei die Bush-Regierung überrascht worden. Nur leider dauerte es von den ersten Entführungsanzeichen bis zum letzten 'Einschlag' in Pennsylvania rund zwei Stunden, bis 'die gesamte Operation' ausgeführt war."

Ein weiteres Beispiel für das, was die Person auf dem Video gesagt haben soll:
  • Gemäß CNN (Saturday, October 30, 2004 Posted: 0859 GMT)
    Bin Laden criticizes Bush - Bin Laden sharply criticized President Bush for his behavior on the morning of September 11, 2001, when the president was reading 'My Pet Goat' to a group of schoolchildren in Florida at the time he was informed of the attacks. "It never occurred that the highest leader of the military armed forces would leave 50,000 people to face the horror that they faced all by themselves when they needed him most," bin Laden said. "He was more interested in listening to the child's story about the goat rather than worry about what was happening to the towers. So, that gave us double the time for us to execute our attacks."
    Quelle: http://edition.cnn.com

  • Gemäß El Dschasira (Full transcript of bin Ladin's speech, Monday 01 November 2004, 16:01 Makka Time, 13:01 GMT)
    "It never occurred to us that the commander-in-chief of the American armed forces would abandon 50,000 of his citizens in the twin towers to face those great horrors alone, the time when they most needed him. But because it seemed to him that occupying himself by talking to the little girl about the goat and its butting was more important than occupying himself with the planes and their butting of the skyscrapers, we were given three times the period required to execute the operations - all praise is due to Allah."
    Quelle: http://english.aljazeera.net

  • Gemäß AFP (30.10.2004)
    Den US-Präsidenten bedachte Bin Laden mit Hohn: "Wir hätten nie gedacht, dass der Oberkommandierende der US-Streitkräfte 50.000 seiner Bürger dem Schrecken in den beiden Türmen aussetzte und sie alleine ließ, als sie ihn am meisten brauchten." Der Terroristenführer spielte auch auf die filmisch dokumentierte Szene an, in der Bush einen Schulbesuch fortsetzte, nachdem er über die Anschläge informiert worden war: "Er dachte, es sei wichtiger, sich mit einem kleinen Mädchen zu beschäftigen, das von seiner Ziege erzählte." Dies habe den Tätern "drei Mal so viel Zeit als wir dachten, um unsere Operationen auszuführen" gegeben.

  • Gemäß Florian Rötzer (am 30.10.2004 in einem Artikel mit dem Titel 'Bin Laden gibt sich staatsmännisch')
    Er [der Fürst des Terrors, wie Florian Rötzer bin Laden unreflektiert nennt] wirft Bush auch vor, nichts während der Angriffe getan zu haben. Der Präsident war in der Zeit in einer Schule und las den Kindern weiter vor, als er bereits von dem Anschlag auf das WTC in Kenntnis gesetzt worden war. Das habe denjenigen, die die Anschläge ausgeführt haben, mehr Zeit gegeben. Allerdings sagte er auch, dass er Mohammed Atta beauftragt hatte, die Anschläge innerhalb von 20 Minuten durchzuführen, so dass Bush und seine Administration nicht reagieren konnten...
    Quelle: http://www.heise.de

Was wirft die Stimme, die der Person auf dem Video zugeordnet wird, Bush vor? Hat er während der Anschläge selber gelesen, oder hat er vielmehr zugehört? Wieviel Zeit wurde durch Bushs Verhalten für die Durchführung der Anschläge denn nun gewonnen? Stand die zweifache oder vielmehr die dreifache Zeit zur Verfügung? Oder einfach nur 'mehr' Zeit, wie Florian Rötzer sich aus dem Widerspruch geschickt herauswindet?

Wäre Bush seiner Verantwortung gerecht geworden, hätten sich die 'Terroristen' noch stärker ins Zeug gelegt. Sie hätten die Tat in nur 10 oder gar knapp 7 Minuten durchgezogen. Dazu wäre ihnen gewiss jedes Mittel recht gewesen. Auf die Höchstgeschwindigkeit der Flugzeuge hätten sie dann keine Rücksicht nehmen können. Zu derart logischen Anstrengungen müssen diejenigen fähig gewesen sein, die den Text entworfen haben, der in diesem Video vorgetragen wird.

Was uns wundert: Florian Rötzer tut so, als wäre davon auszugehen, daß auf dem Video bin Laden zu sehen ist und die zu hörenden Worte von bin Laden stammen. Dafür gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Oder doch? Gehen wir anhand von Agenturmeldungen der folgenden Frage nach:

Ist das Video echt?
  • Gemäß Reuters (29.10.2004 22:21)
    "Echtheit zunächst nicht bestätigt"

  • Gemäß AFP (29.10.2004 22:21)
    "Der Zeitpunkt der Aufnahme und die Authentizität des Videos standen zunächst nicht fest."

  • Gemäß AP (29.10.2004 23:52)
    "US-Regierung stuft Bin-Laden-Video als echt ein - Die US-Regierung stuft das jüngste Video von Osama bin Laden als authentisch ein. Sie geht ferner davon aus, dass es erst vor kurzer Zeit erstellt wurde, wie der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, am Freitag am Rande einer Wahlkampftour im US-Staat Ohio erklärte."

  • Gemäß AP (30.10.2004 00:49)
    "Amerikanischen Geheimdienstbeamten zufolge ist das Video authentisch und erst vor kurzer Zeit erstellt worden."

Nun wissen wir es: Das Video muß echt sein. Und wir bewundern die Fähigkeiten des 'Weißen Hauses' und seiner Geheimdienste. In Windeseile kommen sie zu der ihren Interessen entsprechenden Erkenntnis: es ist echt. Es wäre ja auch dumm zu verbreiten, es sei nicht echt und von den eigenen Geheimdiensten in Umlauf gebracht - ob dies nun zutrifft oder nicht. Klüger ist sicherlich die gewählte Variante. Zumal mit großer Sicherheit davon auszugehen ist, daß sie ohne Nachfrage von den Medien verbreitet wird. Auch das vom Pentagon in die Öffentlichkeit gebrachte Video vom 13.12.2001 ging ohne jedes Halten wie ein Sturm um die Welt. Wir erinnern uns.

Was 'Bin Laden' am 13.12.2001 gemäß Pentagon-Video gesagt haben soll:
  • Gemäß Pentagon-Verlautbarung vom 13.12.2001
    "UBL: The brothers, who conducted the operation, all they knew was that they have a martyrdom operation and we asked each of them to go to America but they didn’t know anything about the operation, not even one letter. But they were trained and we did not reveal the operation to them until they are there and just before they boarded the planes."
    Quelle: http://www.defenselink.mil

  • Gemäß 'Express' vom 14.12.2001 (in deutscher Übersetzung)
    Die „Brüder“ wussten nichts - "Die Brüder, die die Operation durchführten, alles, was sie wussten, war, dass sie eine Märtyrer-Operation hatten, und wir baten jeden von ihnen, nach Amerika zu gehen, aber sie wussten nichts über die Operation, nicht mal ein Bruchstück. Aber sie wurden trainiert, und wir erklärten ihnen die Operation nicht, bis sie da waren und unmittelbar bevor sie die Flugzeuge bestiegen... Die, die trainiert wurden, die Flugzeuge zu fliegen, kannten die anderen nicht. Eine Gruppe kannte die andere nicht... "

Was lesen wir da? Jeder ging nach Amerika und wußte vor dem Besteigen der Flugzeuge nichts über die bevorstehende Tat. Was ist das eigentlich für eine Person, die sich immer wieder in Widersprüche verwickelt? In dem hier analysierten Video behauptet sie, mit Mohammed Atta den Ablauf der Tat im Vorhinein abgestimmt zu haben. Der wußte aber gemäß Pentagon-Video vom 13.12.2001 bis zum Besteigen des Flugzeugs nichts, rein gar nichts. Dann wird die Person mit dem Namen 'Bin Laden' wohl mit auf den Flughafen gekommen sein, um alles zu bereden. Vielleicht ist er gar infolge des Zeitmangels, den es beim Besteigen von Flug AA11 gab, mit an Bord gegangen. Aber war 'Bin Laden' nicht in Afghanistan und hat von dort alles gesteuert? Sehr eigenartig!

Und dann gibt es noch ein Interview mit einer Person namens 'Bin Laden', in dem dieser von einer Beteiligung an der Tat ganz und gar nichts gewußt haben will.

Was 'Bin Laden' am 28.9.2001 in einem Interview mit der pakistanischen Zeitung 'Ummat' gesagt haben soll:
  • In englischer Sprache:
    "I have already said that I am not involved in the 11 September attacks in the United States. As a Muslim, I try my best to avoid telling a lie. I had no knowledge of these attacks, nor do I consider the killing of innocent women, children and other humans as an appreciable act. Islam strictly forbids causing harm to innocent women, children and other people. Such a practice is forbidden even in the course of a battle."
    Quelle: http://www.vanguardnewsnetwork.com

  • In deutscher Übersetzung
    „Ich habe schon gesagt, das ich nichts mit den Attacken des 11.September zu tun habe. Als Moslem versuche ich mein Bestes um Lügen zu vermeiden. Ich hatte keine Kenntnis von diesen Attacken, noch halte ich die Ermordung unschuldiger Frauen, Kinder und anderer Menschen für einen verantwortbaren Akt."
    Quelle: http://www.operation911.de

Und wie sieht die Reaktion auf das Wahlkampf-Video aus?
  • Bush und Kerry sprachen sich für einen unnachgiebigen Kampf gegen den Terrorismus aus. Auf einer Wahlkampfreise im Bundesstaat Ohio sagte Bush: «Die Amerikaner werden sich nicht von einem Feind unseres Landes einschüchtern oder beeinflussen lassen.» Kerry sagte in Florida: «Sie (die Terroristen) sind Barbaren. Ich werde vor nichts Halt machen, um die Terroristen zu jagen, dingfest zu machen oder zu töten, was auch immer es koste.»
    (AFP, 30.10.2004)

  • Der australische Außenminister Alexander Downer bekräftigte, die Welt werde sich gegenüber den Terroristen nicht beugen: "Unsere Botschaft an sie ist eine einfach Botschaft: ... Wir werden uns Euch widersetzen, und wir werden Euch besiegen."
    (AP, 30.10.2004)

Spätestens jetzt ist es sicher: das Video hat sich gelohnt. Der Zeitpunkt, es in die Öffentlichkeit einzuspeisen, war günstig. Das Feindbild ist ein weiteres Mal gefestigt. Der 'Krieg gegen den Terror', wie der weltweite Eroberungsfeldzug genannt wird, kann weiter gehen. Um mit den Worten des US-amerikanischen Schriftstellers Gore Vidal zu sprechen: Die zwei rechten Flügel des vom US-Kapital gesteuerten Einparteiensystems, die 'Demokraten' mit Kerry und die 'Republikaner' mit Bush als Verlautbarungsorgan, erhalten Gelegenheit, sich in ihrem Willen zum Krieg gegenseitig zu überbieten und so ein weiteres Mal den Krieg als Notwendigkeit in die Köpfe der Menschen zu hämmern.


Der weltweite Eroberungsfeldzug muß weitergehen

'Express' über das von El Dschasira am 29.10.2004 ausgestrahlte Bin-Laden-Wahlkampf-Video

Titelseite des Express vom 31.10.2004

Im 'Express' vom 31.10.2004 kommentiert Maternus Hilger, betitelt mit 'Ein Mörder inszeniert sich':

    Bin Laden meldet sich mit einem wohl inszenierten Paukenschlag zurück: Schaut her, mich gibt es noch, und mir geht es gut! Dass dies kurz vor der Präsidentschaftswahl geschieht, ist sicher kein Zufall. Und es könnte durchaus sein, dass der Auftritt Bush mehr nützt als Kerry bei dem äußerst knappen Finale.

    Ob Bush oder Kerry siegen wird, scheint Bin Laden allerdings letztlich egal zu sein. Der Massenmörder kostet es vielmehr aus, dass er seine Widersacher nach Belieben bedrohen und verhöhnen kann. In der Tat: 25 Millionen Dollar Kopfgeld haben ihn bislang ebenso wenig zu Fall bringen können wie die weltweite Jagd seiner Häscher.

    Dabei ist es unerheblich, ob er noch direkt die Mordbefehle erteilt. Solange er frei ist, reicht sein Nimbus als Terror-Ikone, um weltweit Tausende von Fanatikern zu neuen Bluttaten zu motivieren - zu jeder Zeit und an jedem Ort. Das ist das eigentlich Beklemmende der Videobotschaft und die Herausforderung, der sich jeder US-Präsident stellen muß - ob er nun Bush oder Kerry heißen wird.
Das schreibt ein Kommentator, wie er gebraucht wird. Hier haben wir wieder einen Vertreter der Medien vor uns, der Staatsanwaltschaft und Gericht in einem ist. Maternus Hilger schreibt von einem Massenmörder, als gäbe es irgendwelche Beweise dafür.

Es ist immer wieder verwunderlich, wie es Menschen möglich ist, Teile der Realität auszublenden. Dabei gibt es Massenmörder, die das was sie zu verantworten haben, ganz offen zugestehen. Nein: sie brüsten sich regelrecht der Kriege, die sie unter dem Vorwand des 11. September führen lassen. Dafür gelangt dieser Spezies von Journalisten der Begriff Massenmörder nicht auf's Papier.

Was Maternus Hilger allerdings sehr treffend erkennt: beide Kandidaten für das Präsidentschaftsamt sind verpflichtet, das Spiel mitzuspielen. Das wissen sie. In dieser Frage haben sie keine Wahl. Schließlich wollen sie ihr Leben nicht aufs Spiel setzen. Der weltweite Eroberungsfeldzug muß weitergehen. Das wird von einem Präsidenten erwartet, wer auch immer es ist.