Medien und Krieg - Feindbild Nordkorea
"Der Vorhof der Hölle"
Woher wir unser Wissen über Nordkorea haben - Betrachtungen von Andreas Vogel, 3.3.2005

"Nordkorea ist ein Regime, das sich mit Raketen und Massenvernichtungswaffen ausrüstet und gleichzeitig seine Bürger verhungern lässt." Das wissen wir von US-Präsident George W. Bush aus seinem Bericht zur Lage der Nation vom 29. Januar 2002, in dem er mit Irak, Iran und Nordkorea die 'Achse des Bösen' definiert.

Nordkorea ist ein "schreckliches Regime". Es sind dort Leute am Werk, "die Geld für die Entwicklung atomarer Waffen ausgeben, aber ihre Kinder verhungern lassen". Das wissen wir von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dessen Erkenntnis uns - verbreitet über die Nachrichtenagentur AP - am 10.2.2005 u.a. von 'N24' vermittelt wird.

Nordkorea ist ein "stalinistischer Staat" mit einem "riesigen GUlag", in dem "etwa 150 000 bis 200 000 Menschen ... festgehalten, ausgebeutet und grausam gequält" werden. Das wissen wir aus der 'Welt' vom 29.19.2003. Und die hat es - wie sie schreibt - aus einer Studie des 'US-Komitees für Menschenrechte in Nordkorea' (USCHRK), die "mit Hilfe von Satellitenfotos und Zeugenaussagen ein System von Arbeitslagern und politischen Gefängnissen offen" legt, "das von Hieronymus Bosch erfunden sein könnte, ein Vorhof der Hölle."

Nordkorea ist neben Birma, Kuba, Iran, Simbabwe und Weißrußland einer der sechs "Vorposten der Tyrannei" auf der Welt. Das wissen wir von US-Außenministerin Condoleezza Rice, die diese Erkenntnis am 18.1.2005 vor dem Außenpolitischen Ausschuß des US-Senats in Washington vorgetragen hat.

"Nordkorea, der letzte stalinistische Staat der Erde, ist bankrott. Seit Mitte der Neunziger Jahre, als Russland und China die Hilfsleistungen an den einstigen Bruderstaat zusammenstrichen, sind Hunderttausende Nordkoreaner verhungert." Das wissen wir aus der Zeitung 'Oberösterreichische Nachrichten - Die Zeitung, die ich mag' vom 12.2.2005.

In Nordkorea herrscht ein "Regime des Terrors und des Hungers". "Mitte der neunziger Jahre starben schätzungsweise rund zwei Millionen Menschen den Hungertod. Nach zwei Flutkatastrophen war die Ernte ausgeblieben. Aber nicht die Naturgewalten hatten Schuld an der Tragödie: Die Menschen hungerten bereits, die Industrie war vollkommen marode und Kim Jong Il und sein Clan waren einzig am Machterhalt interessiert." Das wissen wir aus dem Online-Angebot des 'Spiegel' vom 19.2.2005. Innerhalb von nur einer Woche ist offenbar die Erkenntnis gereift, daß es nicht Hunderttausende sondern zwei Millionen gewesen sind, die der Staat hat verhungern lassen.

"Der 'Geliebte Führer' Kim Jong Il hält sein Volk am Limit - verhungern darf es nicht, denn es soll arbeiten." "Die Menschen werden vor dem Hungertod bewahrt, doch zugleich bleiben sie auf dem Niveau der Unterernährung." Auch das wissen wir aus dem 'Spiegel' vom 19.2.2005. Der 'Spiegel' scheint damit deutlich zu machen, daß es doch nicht Ziel des 'Regimes' ist, die Bevölkerung verhungern zu lassen. Er fällt damit seiner eigenen Argumentation und - was noch gravierender ist - der von George W. Bush in den Rücken.

"Nordkorea glaubt zwar ... einen ... Prozess, abgekoppelt von der Weltwirtschaft, organisieren zu können. Aber im Ergebnis wird das Volk strukturell verhungern." Das wissen wir von unserem 'grünen' Politiker Ludger Volmer aus seiner Rede, die er am 29.1.2004 vor dem Deutschen Bundestag gehalten hat. So ist es uns vergönnt zu erfahren, daß es neben dem 'normalen' Verhungern auch ein 'strukturelles' Verhungern gibt. Ein Beispiel für dieses 'strukturelle' Verhungern werden wir in Zukunft in Nordkorea beobachten können - zur Zeit offensichtlich noch nicht. Denn nicht umsonst verwendet Ludger Volmer bei seiner Formulierung die Zukunftsform.

"Die Koreanische Demokratische Volksrepublik ist ein souveräner sozialistischer Staat, der den Interessen des ganzen koreanischen Volkes entspricht. In der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik sind die Klassengegensätze und jedwede Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen beseitigt. Der Staat verteidigt und schützt die Interessen der von Ausbeutung und Unterdrückung befreiten Arbeiter, Bauern, Soldaten und werktätigen Intellektuellen. Die Macht in der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik gehört den Arbeitern, den Bauern, den Soldaten und den werktätigen Intellektuellen. In der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik sind die Produktionsmittel Eigentum des Staates und der Genossenschaften. Das Staatseigentum ist Eigentum des ganzen Volkes."

Das sind Auszüge aus der Nordkoreanischen Verfassung, über die wir kaum etwas wissen. Klar ist, daß ein Staat mit derartigen Vorstellungen in der heutigen Zeit keinen Platz mehr haben kann. Ein solches Relikt aus vergangenen Zeiten muß mit allen Mitteln beseitigt werden. Das Staatseigentum gehört schließlich nicht dem Volk oder sonstwem, sondern den multinationalen Konzernen. Darin scheinen sich George W. Bush, Gerhard Schröder, Condoleezza Rice, Ludger Volmer, 'N24', 'Die Welt' und 'Der Spiegel' - um nur einige wenige zu nennen - einig zu sein.


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