Israels Krieg im Nahen Osten
Eingemauerte sieht man nicht
Deutsche Bischöfe sprechen in Israel von Berliner Mauer und Warschauer Ghetto

AF, 8.3.2007 -- 27 deutsche Bischöfe haben eine einwöchige Reise durch Palästina unternommen. Am Samstag, 3.3.2007, dem letzten Tag ihrer Reise besichtigen sie die Mauer, die Bethlehem umschließt: "Zehn Meter hohe Betonplatten [...] Wachtürme, Grenzanlagen. 'Ich kann da gar nicht hinschauen', sagt Kardinal Joachim Meisner. Er steht mit dem Rücken zur Grenzmauer [...]. 'Ich dachte nicht, dass ich in meinem Leben noch mal so eine Mauer sehe', sagt der Kölner Kardinal. Letzte Nacht habe er Albträume gehabt, Erinnerungen an die Berliner Mauer, an sein Leben in der DDR seien hochgekommen." ('Tagesspiegel', 5.3.2007) "So sperre man Tiere ein, aber nicht Menschen." (FAZ, 6.3.2007) So weiter Kardinal Meisner. "Diese Mauer wird fallen wie die Berliner Mauer auch." (DPA, 6.3.2007) "'Das Schlimmste am Einmauern ist, dass man das Leiden auf der anderen Seite nicht mehr sieht', sagt Bischof Heinrich Mussinghoff aus Aachen." ('Tagesspiegel', 5.3.2007)

Mauer um Bethlehem

Am Freitag, 2.3.2007, besuchen die Bischöfe die Gedenkstätte Jad Vaschem und Ramallah: "'Morgens in Jad Vaschem die Fotos vom unmenschlichen Warschauer Ghetto, abends fahren wir ins Ghetto in Ramallah. Da geht einem doch der Deckel hoch', sagt der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke." ('Tagesspiegel', 5.3.2007) "Es sei schwer zu ertragen [...] wenn man am Morgen in der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem die Bilder aus dem Warschauer Getto sehe und am Nachmittag durch Stacheldraht und Mauer in ein 'Getto wie Ramallah' fahre. Auch der Augsburger Bischof Mixa sprach von einer 'gettoartigen Situation' und dass dies 'fast schon Rassismus' sei." (FAZ, 6.3.2007) "'Die Menschen hier haben keine Bewegungsfreiheit, keine Zukunftschance. Das kann doch nicht die Säule der Friedensverhandlungen sein', sagt Hanke. Israel habe ein Lebensrecht, natürlich. Aber das dürfe nicht so brutal durchgesetzt werden. Die Bischöfe seien 'tief betroffen' von der 'existenziellen Dramatik', die sie in Bethlehem und Ramallah erlebt hätten." ('Tagesspiegel', 5.3.2007)

Wie die Israel-Lobby reagiert

Die Israel-Lobby fühlt sich angegriffen und reagiert ungehalten. Tobias Kaufmann erhebt sich am 6.3.2007 im 'Kölner Stadt-Anzeiger' mit den Worten: "Manchmal hilft's, das Hirn einzuschalten, bevor man redet. Das gilt auch für Bischöfe." Mit seiner Erwiderung, es handele sich um einen "historisch falschen, moralisch obszönen und politisch dummen NS-Vergleich" unternimmt er den Versuch, die anklagende Kritik ins Abseits zu schieben. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, greift zu Worten wie 'rudimentär ausgeprägtes Geschichtsverständnis' und 'Geschichtslegasthenie'. "Pflicht [der Bischöfe wäre es] gewesen, auf die Bedrohung ihrer Glaubensbrüder durch gewaltbereite Islamisten hinzuweisen." Die Präsidentin des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, zielt darauf ab, die Äußerungen der Bischöfe mit Worten wie 'entsetzlich', 'völlig inakzeptabel' und 'hart an der Grenze zum Antisemitismus' zu diskreditieren.

Wie die Nachrichtenagenturen operieren - wie gleichgeschaltet

Es lohnt noch ein Blick auf das Verhalten der Nachrichtenagenturen - obwohl dazu nicht allzu viel zu sagen ist. Nach dem Besuch der Bischöfe in Palästina gibt es zunächst keine einzige Meldung, die die anklagenden Stellungnahmen der Bischöfe zur Situation der Palästinenser wiedergeben würde - nicht bei DPA, nicht bei DDP, nicht bei AP, nicht bei Reuters, nicht bei AFP. Erst als sich die Israel-Lobby zu Wort meldet, ist es, als werde ein Schalter umgelegt - für alle Agenturen gleich. Jetzt - ab dem 6.3.2007, drei Tage nach Ende der Reise - hagelt es Meldungen mit Entgegnungen des Zentralrats der Juden in Deutschland (Charlotte Knobloch und Dieter Graumann), des israelischen Botschafters in Deutschland (Schimon Stein), des Vorsitzenden des Simon-Wiesenthal-Zentrums (Rabbi Marvin), des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Berlin (Gideon Joffe), der Grünen-Vorsitzenden (Claudia Roth), des außenpolitischen Sprechers der SPD-Bundestagsfraktion (Gert Weisskirchen) und von Henryk M. Broders 'Achse des Guten' im Kölner Stadt-Anzeiger (Tobias Kaufmann). Und nun läßt es sich natürlich nicht mehr vermeiden zu erwähnen, über welche Äußerungen die Israel-Lobby sich aufregt.


Thomas Immanuel Steinberg kommentiert am 7.3.2007
In the ghetto

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hatte auf seiner Pilgerreise durchs Heilige Land in der Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem die Bilder aus dem Warschauer Ghetto gesehen. Das sind erschütternde Bilder. Selbst einen Bischof, menschlicher Regungen nicht grundsätzlich unfähig, dürften diese Bilder erschüttern; sie werden auch den Eichstätter Bischof erschüttert haben.

Am gleichen Tag fuhr der – vermutlich erschütterte – Bischof durch meterhohe, meterdicke Sperranlagen aus Mauern und Stacheldraht auf völkerrechtswidrig besetztem Gebiet in das Palästinenserreservat Ramallah. Alle, die je die Ghettoisierung der Palästinenser auf deren eigenem Boden besichtigt haben, sind erschüttert. Erlaubt sie doch immer weitere rein jüdische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet mit Verkehrsverbindungen nur für Juden; der Judenstaat kann sich ausweiten, und die Palästinenser werden verjagt.

Vermutlich war auch der Bischof von dem Anblick erschüttert.

Beides, Warschauer Ghetto-Bilder und Palästinenser-Ghetto an einem Tag: Das fand Bischof Hanke „schwer zu ertragen". Jeder fände das schwer erträglich. Mauer und Stacheldraht hier, Mauer und Stacheldraht da; verbrecherische Besatzung und Freiheitsberaubung hier, verbrecherische Besatzung und Freiheitsberaubung da; Opfergruppe hier, Tätergruppe da – wem ginge da nicht der Deckel hoch.

Bischof Hanke empfand genau das, oder er simulierte glaubhaft dieses Gefühl, denn er schimpfte: „Da geht einem ja der Deckel hoch." Der geht jedem hoch angesichts der himmelschreienden Gemeinheit, die jüdische Israelis mit Unterstützung der Zionisten in aller Welt jeden Tag aufs Neue den Palästinensern antun.

Selbst der Zentralrat der Juden in Deutschland behauptet, er wisse, daß die Situation der Palästinenser nicht leicht sei. Wer aber deren Lage mit dem Leiden der Juden in den Ghettos der Nazis gleichsetzt, der hat aus der Geschichte nichts gelernt. Diese Äußerung hat antisemitischen Charakter.

So der Zentralrat. Doch Hanke hat nicht gleichgesetzt. Keines der Pressezitate deutet darauf hin. Nur der Zentralrat behauptet es. Die – vom Zentralrat wahrheitswidrig behauptete – Gleichsetzung habe judäophoben Charakter.

Der Zentralrat ist offenbar verstandlos, oder er simuliert Unverstand: Er kann einfache Sätze nicht lesen. Er ist womöglich auch gefühllos – er teilt keine menschliche Regung. Er lebt offenbar in einem Ghetto.

Eines seiner Mitglieder, der Psychologie-Professor Rolf Verleger, hat auf ein Türchen in der Mauer gewiesen. Der Zentralrat könnte es öffnen. Draußen ist bald Frühling.

(Quelle: SteinbergRecherche.com)


Reaktion von Günter Schenk (Collectif judéo-arabe et citoyen pour la paix, Strasbourg; Coordination de l'Appel de Strasbourg pour une paix juste au Proche-Orient) vom 8.3.2007
Die Bischöfe aus Deutschland haben berichtet, wo anderen Berichten kein oder kaum Gehör geschenkt wurde

Sehr geehrte Frau Karas,

mit Interesse las ich die von Ihnen weiterverbreitete Mitteilung des Thomas Immanuel Steinberg. Natürlich hat SteinbergRecherche Recht, legt seinen Finger in die Wunden eines Staates, der einst gegründet wurde, um verfolgten Juden der Welt einen sicheren Hafen zu geben.

Das aber ist lange Geschichte, und Sie sollten doch wissen, dass schon die Gründung dieses "sicheren" Hafens auf Terror gebaut war. Zahlreiche Empfänger Ihrer Mail wissen dies vielleicht nicht. Die Berichte über jüdische Terroraktionen sind Legion und in der Bibliothek jedes Institutes für neuere Geschichte nachzulesen, z.B. bei Simcha Flapan. (1)

Israel - auf Terror gegründet

Der Terror richtete sich aber im Falle Israels nicht, wie das bedauerlicherweise, ja oft wohl notwendigerweise, in fast allen kolonisierten Staaten zur Zeit der Entkolonisierung üblich war, allein gegen die damalige britische Mandatsmacht für Palästina. Anders, als man ihnen versprochen hatte, fanden die einwandernden Menschen nämlich kein menschenleeres Land vor. Nein, der wirkliche Terror von für den Nahen Osten historischer Dimension fand seinen ersten Höhepunkt in der Ermordung der Einwohner ganzer palästinensischer Ortschaften und der daraus folgenden Massenflucht. Deir Yassin steht hier stellvertretend für zahlreiche andere... Wie so oft, führte aber die Gründung, erbaut auf Terror, nicht zur gewünschten Sicherheit, sondern ist der Grund für den Scherbenhaufen, den dieser Staat im ganzen Nahen und Mittleren Osten seitdem geschaffen hat.

Damals schon schaute die durch den grausamen europäischen Judenmord gelähmte Welt untätig zu. Später dann, nach mehreren Angriffskriegen, siehe Forschungsergebnisse der angesehenen "Neuen Historiker" in Israel (2) gegen seine Nachbarn, nachungezählten Nichtbeachtungen von UNO-Resolutionen wurde der auf Gewalt gegründete letzte Kolonialstaat des 20. Jahrhunderts hoffähig, ungeachtet seines notorischen Zuwiederhandelns gegen immer mehr Resolutionen der UNO. Es war ja allzu verständlich: Das schlechte Gewissen war in vielen Ländern allgegenwärtig.

Israelische Kriege

Kriege gegen die schwachen Nachbarn wurden vom Zaun gebrochen, die ohne erhebliche materielle Hilfe des Westens, dabei nicht unwesentlich durch die deutsche Rüstungswirtschaft, die jedes Mal mit einer Erweiterung des vorher geflissentlich nie abgesteckten Staatsgebietes, dieses auf fremdem Boden, nach Vertreibungen und fortgesetztem Landraub, endeten.

All dies weiß natürlich jeder Kenner der neueren Geschichte (ich hoffe, Sie entschuldigen mir die Nichterwähnung uralter historischer oder ahistorischer Mythen). Allein, es gehört sich offensichtlich einfach nicht, dies zu benennen. Genauso wenig, wie es sich zu gehören scheint, auf die fortwährende schleichende Vernichtung aller gewachsenen Kultur und gesellschaftlichen Lebens im besetzten Palästina hinzuweisen.

Wer in Deutschland weiß schon, wie die Welt für deutsche Juden von der Zeit der Naziherrschaft bis zum Beginn des 2. Weltkrieges aussah? Wer will wissen, wie das Leben für Juden in Deutschland aussah, in den dunklen Jahren, bevor deutscher Rassewahn auch vor der letzten Schranke, dem Massenmord, irgendwo im Fernen Polen, dort, wo niemand so recht hinschauen konnte oder wollte, oder hinter Stacheldrahtzäunen von Lagern, in die man lieber nicht hineinschaute, nicht mehr zurückschreckte? Verbot des Zuganges zu Gymnasien, zu Hochschulen und Universitäten, zumindest Behinderung, wo immer das möglich war,das war Realität für deutsche Juden bis zum Kriegsbeginn. Auch war erzwungene Auswanderung aus der geliebten und angestammten Heimat in Deutschland an der Tagesordnung.

Parallelen

Waren all dies keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit? frage ich Sie. Und nun, welche Parallelen gibt es zwischen diesen barbarischen Methoden und jenen, unter denen das palästinensische Volk nun schon im 40. Jahr (sic!) der Besatzung leidet? Das alles sahen auch die Bischöfe aus Deutschland. Und sie sahen es nicht nur, nein sie benannten es auch, genauso, wie es ist. Ohne den allzuoft in der Vergangenheit geübten "Schönsprech". Mit klaren, jedermann verständlichen Worten.

Der Beweis? Die vor Wut schäumende Reaktion der verantwortlichen Täter und jener, die die Täter und ihre schändlichen Untaten decken oder die mit relativierendem Ja/Aber mehr zur Vernebelung als zur Klärung beitragen. Lassen Sie es mich deutlich ausdrücken: Nicht Juden sind die neuen Täter, es ist der Staat Israel, der das Leben der Palästinenser nun schon im 40. Jahr dem langsamen Erstickungstod zutreibt. Wenn aber Juden in unserem Land und anderswo meinen, diese "langsame Vernichtung eines Volkes" (*) als rechtens vertreten zu müssen, "entschuldigt" von einem absurden Sicherheitsargument, so machen sie sich ebenso mitschuldig wie all jene unter uns, Juden und Nichtjuden, Christen und Nichtchristen, die tatenlos zuschauen beim fortlaufenden Vernichtungswerk Palästinas. Ist es nicht gerade dies, das Vermächtnis aus der Geschichte, gerade für uns Deutsche, dass nie wieder Menschen wegen ihrer Herkunft, Zugehörigkeit, Religion oder Rasse bedrängt und gefährdet werden dürfen?

Werte des humanistischen Judentums

Wer da aufschreit, ist kein Antisemit, er ist ganz gewiss auch kein Judenhasser, sondern er folgt jenen universalen Werten, die gerade das humanistische Judentum unserer Welt geschenkt hat, Werte so schamlos von Israel mit Füßen getreten, Werte, die sich nicht ernähren aus Nationalismus, Militarismus, Abgrenzung, Ablehnung alles Fremden, sondern auf Humanitas gegründet sind. Wie ich Ihnen, liebe Frau Karas, oben schrieb, kann man offensichtlich all dies in unserem Land denken, aber sagen, es beim Namen nennen, das gehört sich anscheinend einfach nicht, folgt man der erhitzten öffentlichen Diskussion um die Berichte der katholischen Bischöfe, am Ende ihrer Reise nach Israel, dem 1948 in Palästina errichteten Staat, um dessen Existenz es natürlich nicht geht, es sei denn, man meine einen kolonialen, sicher kaum in unsere Zeit gehörenden Apartheidstaat, der die im Lande heimische und mit der angestammten Heimat in Liebe verbunde Bevölkerung aus Gründen von Zugehörigkeit ausschließt.

Die gleiche Feigheit

Erlauben Sie mir bitte, liebe Frau Karas, eine Vermutung: könnte es sein, dass es die gleiche Feigheit ist, damals und heute, die nicht hinschauen wollte und will, die die Greueltaten nicht beim Namen nennen wollte und will, die lieber mit "Schönsprech" die Verbrechen verharmlosten und nun erneut verharmlosen? Das, was dann aber später geschah, als die Schranken der Moralesetze der zivilisierten Menschheit außer Kraft gesetzt und mit Füßen getreten wurden, im Weltkrieg, das wissen wir und es gilt natürlich nicht, dies und jenes miteinander gleichzusetzen. Schließlich gilt der Vergleich der Vorsorge, Gleichsetzung ist eine unerlaubte Instrumentalisierung und führt nicht weiter. Die Verbrechen sind ungleich, wiewohl es gerade jetzt wieder gilt, den Anfängen zu wehren. Wer weiß schon, wohin es den Staat Israel noch treibt, wenn einmal die Welt woanders hinschaut? Wie schrieb dazu Frau Hecht-Galinski, gestern wiedergegeben in einer Depesche einer großen Presseagentur? "Die Verbrechen der Vergangenheit sind nicht mehr rückgängig zu machen, aber die jetzigen in Palästina". Dem ist kaum etwas hinzuzufügen.

Schockierende Urteile

Dann aber wird niemand mehr sagen können: "Wir haben es nicht gewusst". Die Bischöfe aus Deutschland haben berichtet, wo anderen Berichten kein oder kaum Gehör geschenkt wurde. Darum ist es auch so wichtig, dass die katholischen Bischöfe nicht, wie allzuoft in der Vergangenheit, eine verbrämende Sprache der "politischen Korrektheit" gewählt haben, sondern ihren Gefühlen und ihrem Denken mit aller Betroffenheit, jedoch mit Verantwortung für die Menschen in Israel und Palästina Ausdruck verliehen haben. Diejenigen, die nun laut schreiend und keifend sich getroffen fühlen, sollten darüber nachdenken, wie es zu schaffen ist, diese in der Tat schockierenden Urteile obsolet werden zu lassen. Noch ist es dafür nicht zu spät. Noch ist es Zeit, die seit fast 40 Jahren andauernde Besatzung über ein gequältes Volk zu beenden. Dann wird auch das, was die einen Widerstand, die anderen Terror nennen, ein Ende finden, zum Wohle aller Menschen, nenne man das dann Palästina oder Israel, das Land wird aufblühen als gemeinsame demokratische Errungenschaft nach langen, zerstörerischen Bruderkämpfen.

Sollten für Sie, sehr geehrte Frau Karas, Fragen offen geblieben sein, so stehe ich Ihnen selbstverständlich gern zu weiteren Erläuterungen bereit.

Mit freundlichen Grüßen
Günter Schenk, 8. März 2007
Collectif judéo-arabe et citoyen pour la paix, Strasbourg
Coordination de l'Appel de Strasbourg pour une paix juste au Proche-Orient
http://www.eutopic.lautre.net/coordination/

* Ich erwähne hier die erst in diesen Tagen erschienene erschütternde Veröffentlichung des Mitgliedes von Gush-Shalom und der Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande, Frau Ellen Rohlfs "Nie wieder!" ? - Was geschieht eigentlich hinter der Mauer in Palästina? "Nur" Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schleichender Völkermord?- eine Dokumentation - für eine Schutzgebühr von 10 € zu beziehen bei der Autorin Ellen.Rohlfs@freenet.de

Überschriften von T:I:S, 8. März 2007
Anmerkungen von T:I:S

(1) Simcha Flapan: Die Geburt Israels. Mythos und Wirklichkeit. Aus dem Amerikanischen von Karl Heinz Siber. Melzer Verlag, Neu Isenburg 2005; 400 S., 19,95 Euro; rezensiert von Ludwig Watzal im Parlament Nr. 32 - 33 / 08.08.2005

(2) z.B. Ilan Pappe: The Ethnic Cleansing of Palestine. Oneworld Verlag, Oxford 2006. 313 Seiten, 30,89 Euro; rezensiert in der Süddeutschen Zeitung vom 5. März 2007, S.35, von Heiko Flottau: Der Geburtsmakel Israels. Die Vertreibung der Palästinenser wird immer noch geleugnet.

(Quelle: SteinbergRecherche.com)


Brief von Evelyn Hecht-Galinski, Ellen Rohlfs und Günter Schenk an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Lehmann
Nicht mit dem Vorwurf leben müssen, zu einem himmelschreienden Unrecht geschwiegen zu haben

Seine Eminenz
Kardinal Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann
Bischöfliches Ordinariat
Bischofsplatz 2
55116 Mainz

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Lehmann,

mit Erschrecken nehmen wir die Verleumdung der Deutschen Bischöfe durch den Zentralrat der Juden in Deutschland zur Kenntnis.

Sie und Ihre Kollegen, ganz besonders Herr Kamphaus, ehemaliger Bischof des Bistums Limburg, haben sich durch eine so ausgewogene wie irgend mögliche Stellungnahme zum Skandal um die vom israelischen Staat mit Füßen getretenen Menschen- und Bürgerrechte der Palästinenser um Frieden und Menschenwürde verdient gemacht.

Jede Verunglimpfung dieses deutlichen Rufes für Gerechtigkeit ist ein Verrat gerade an jenen europäischen Juden, die den Verbrechen, hervorgerufen durch Menschenverachtung, zum Opfer fielen.

Was den Juden Europas angetan wurde ist unfassbar und grausam. Dies kann nur durch reuige Buße und Verpflichtung zum Vermeiden ähnlicher Verbrechen in der Zukunft beantwortet werden. Gerade dies beabsichtigte, wenn wir es richtig verstanden haben, Ihre und Ihrer bischöflichen Kollegen Intervention. Wie anders, als durch Vergleichen mit vergangenen Verbrechen, können ähnliche Verbrechen, an Anderen, in Zukunft vermieden werden? Vergleichen heißt schließlich keinesfalls "gleichsetzen"

Ihnen ist dafür zu danken, auch von Juden, gerade auch von deutschen Juden und allen anderen Menschen guten Willens in Deutschland, die mit Dank Ihren Bericht über das Leben und Sterben in Palästina, über die andauernde Entwürdigung eines ganzen Volkes, zur Kenntnis genommen haben. Dieses Land wurde durch die israelische Besatzung entheiligt, indem seine Menschen ihrer Würde beraubt wurden und werden.

Es ist schwer vorstellbar, wie eines Tages Menschen in Israel mit der Hypothek des an den palästinensischen Schwestern und Brüdern (welcher Religion oder Weltanschauung auch immer!) fertig werden.

Sie aber, sehr geehrte Eminenz, und Ihre werten Kollegen werden nicht mit dem Vorwurf leben müssen, zu einem himmelschreienden Unrecht geschwiegen zu haben.

Zu diesem Unrecht nicht zu schweigen ist nämlich das verpflichtende Vermächtnis unserer Geschichte besonders an alle, deutsche Juden, Christen und alle Anderen Bürger unseres Landes. Gerechtigkeit und Liebe zu den Menschen ist unteilbar.

Bitte richten Sie Ihrem Augsburger Kollegen, Herrn Bischof Hanke unser Bedauern über seine durch die Medien bekanntgewordene Rücknahme, bzw. die Relativierung seiner vorher gemachten Aussagen aus. Weder er, noch einer von Ihnen, steht in der Pfllicht, sich zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil.

Hochachtungsvoll

Evelyn Hecht-Galinski (Tochter des Auschwitz-Überlebenden und ehemaligen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Mitglied der Deutschen Sektion der European Jews for Just Peace, EJJP)

Ellen Rohlfs (Gush Shalom und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande)

Günter Schenk (Aktionsbündnis für einen gerechten Frieden in Palästina, Deutscher Sprecher des 'Collectif judeo-arabe et citoyen pour la paix' Strasbourg)

Post scriptum: mit der Veröffentlichung unseres Schreibens sind wir einverstanden.


Anhang
Rechtsgutachten zu Israels Mauerbau

Der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag kommt am 9. Juli 2004 in Beantwortung der mit der Resolution Nr. ES-10/14 vom 8. Dezember 2003 durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen gestellte Frage
    Was sind die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem Bau der Mauer ergeben, die von Israel, der Besatzungsmacht, in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschliesslich in und um Jerusalem, errichtet wird, wie sie in dem Bericht des Generalsekretärs beschrieben ist, wenn die Regeln und Prinzipien des Völkerrechts, einschliesslich der Vierten Genfer Konvention von 1949, und die einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates und der Generalversammlung berücksichtigt werden?
gemäß Presseerklärung 2004/28 im Rahmen eines Rechtsgutachtens zu folgendem Ergebnis:

A. Mit 14 zu 1 Stimmen:
Der von Israel, der Besatzungsmacht in den besetzten palästinensischen Gebieten, vollzogene Mauerbau einschließlich in und um Ost-Jerusalem und das zugehörige Regime stehen im Widerspruch zu internationalem Recht.

B. Mit 14 zu 1 Stimmen:
Israel unterliegt der Verpflichtung, die Verletzung des internationalen Rechts zu beenden; es unterliegt der Verpflichtung, unverzüglich die Arbeiten am Bau der Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich in und um Ost-Jerusalem zu beenden, unverzüglich das dort befindliche Bauwerk abzubrechen...

C. Mit 14 zu 1 Stimmen:
Israel unterliegt der Verpflichtung, für alle durch den Bau der Mauer in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich in und um Ost-Jerusalem verursachten Schäden Reparationen zu leisten.

D. Mit 13 zu 2 Stimmen:
Alle Staaten unterliegen der Verpflichtung, die aus dem Mauerbau resultierende illegale Situation nicht anzuerkennen und keine Hilfe oder Unterstützung zur Erhaltung der Situation zu leisten, die durch einen solchen Bau entstanden ist...

E. Mit 14 zu 1 Stimmen:
Die Vereinten Nationen, insbesondere die Generalversammlung und der Sicherheitsrat, sollten prüfen, welche weiteren Schritte erforderlich sind, um die illegale Situation, wie sie aus dem Mauerbau und dem zugehörigen Regime resultiert, zu beenden...


Weiterer Beitrag zum Thema Israel/Palästina:
Tagebuch Israel/Palästina
Notizen zu Israels Krieg im Nahen Osten - insbesondere gegen die Bevölkerung Palästinas

Alle Beiträge zu Israel/Palästina im Überblick:
Tagebuch Israel/Palästina
Notizen zu Israels Krieg im Nahen Osten - insbesondere gegen die Bevölkerung Palästinas
Eine schwarze Fahne
Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 9.7.2006
Wer hat begonnen?
Gideon Levy in der israelischen Tageszeitung Haaretz vom 13.7.2006
Israels Kriegsführung gegen die (palästinensische) Infrastruktur
Mike Whitney am 2.7.2006 auf der website 'Information Clearing House'
Anhaltender Bomben-Terror Israels im Libanon ist keine Selbstverteidigung
Offener Brief an die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland Angelika Merkel, Beirut, 15.7.2006
Wider die ideologische Kontrolle
Norman G. Finkelstein und sein unfreiwilliger, hochaktueller Kommentar zu Israels neuem Krieg - Eine Betrachtung zu seinem 2006 in deutsch erschienenen Buch 'Antisemitismus als politische Waffe'
Stop dem israelischen Staatsterrorismus im Libanon und in Palästina!
Flugblatt der Wiener 'Frauen in Schwarz' anläßlich der Mahnwache am 4.8.2006 (Übersetzung eines Flugblatts der Femmes en Noir, Marseille)
Der Libanon als neues Ziel - Die Neokonservativen und die Politik des 'konstruktiven Chaos'
Analyse von Thierry Meyssan (Journalist, Schriftsteller, Präsident von 'Réseau Voltaire'), 25.7.2006 - aus dem Französischen von Klaus von Raussendorff
Kriegsanlaß durch Israel provoziert?
Über den 'Ausbruch' von Israels Krieg gegen den Libanon am 12. Juli 2006
"Wir erkennen den Staat Israel nicht länger an"
Auszüge aus dem in 'Aftenposten' vom 5.8.2006 erschienenen Artikel 'Gottes auserwähltes Volk' von Jostein Gaarder
"Das Abnormalste am Krieg, an jedem Krieg, ist die Normalität, mit der er hingenommen wird"
Rede des Schriftstellers Pedro Lenz anläßlich der Friedenskundgebung 'Nein zum Krieg im Nahen Osten' am 29. Juli 2006 in Bern
Antideutsche: deutscher Ableger der Neocons
Jürgen Elsässer in 'junge Welt' vom 2.8.2006 in einem Artikel mit dem Titel 'Alte Feinde, neue Feinde'
Der Gerechtigkeit halber
Strafanzeige gegen den israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert, den israelischen Verteidigungsminister Amir Peretz und den israelischen Generalstabschef Dan Halutz wegen Verbrechen bzw. Kriegsverbrechen, am 12.8.2006 erstattet durch den Hamburger Rechtsanwalt Armin Fiand
Waffentest in Gaza
Artikel von Andrea Bistrich und Interview mit Dr. Juma Al Saqqa, Facharzt für plastische Chirurgie und Sprecher des Schifa-Krankenhauses in Gaza-Stadt
"Rain Man"
Bericht von Lama Hourani aus Gaza City vom 17. Oktober 2006
Wolf Biermann und 'Die Zeit' mißbrauchen Stolpersteinkünstler Gunter Demnig
Betrachtungen zu einem Artikel in der 'Zeit' vom 26. Oktober 2006
Die ethnische Säuberung in Palästina
Vortrag von Ilan Pappe (Israel) im Rahmen einer vom Lehrstuhl Emilio Garcia Gomez der Universität von Granada (Spanien) am 26. Oktober 2006 veranstalteten Konferenz
Mekka entgegen - Muss ein Indianer das Existenzrecht der Vereinigten Staaten anerkennen?
Artikel von Uri Avnery, israelischer Friedensaktivist bei Gush Shalom, vom 17.2.2007
Eingemauerte sieht man nicht
Deutsche Bischöfe sprechen in Israel von Berliner Mauer und Warschauer Ghetto