Der Krieg und die Medien (2)
Wie die Menschen auf den Krieg eingestimmt werden
1. Über die Bilder von den jubelnden Palästinensern und andere Manipulationen im 'Krieg gegen den Terror':
2. Wie in vergangenen Kriegen manipuliert wurde, um kriegslüstern zu machen:
2a. Medien und Krieg - Das 'Massaker von Srebrenica'
3. Der Angriff der Mainstream-Medien auf die 'Verschwörungstheoretiker':
4. 'Die Akte Saddam' und die Auseinandersetzung um das 'Massaker' von Halabja:
5. Die 'Beweise' des Herrn Powell für den Angriff auf den Irak:
6. Wie der 'Sieg' gegen den Irak in Szene gesetzt wurde:
7. Die 'Festnahme' der Saddam Hussein genannten Person
8. Der erste Gerichtstermin mit der Saddam Hussein genannten Person
9. Schritte zur Installation bzw. Verfestigung des Feindbildes Nordkorea

Was Bilder beweisen
über die Funktion von Bildern im Krieg gegen Jugoslawien

Artikel von Andreas Neumann, August 2000, aus der Zeitschrift Arbeiterfotografie, Ausgabe 88

"'Die Bundesregierung' brauche 'Fakten über Greuel, besser noch Bilder von Grausamkeiten, die Milosevics Schergen begangen haben...' Verteidigungsminister Scharping beschwerte sich öffentlich, die NATO rücke nicht genügend Bilddokumente heraus. 'Ich hoffe, sie ändert das bald', so Scharping Mitte vergangener Woche, denn 'es ist auch eine Schlacht um Information und Propaganda.'" ('Spiegel', 12.4.99, S. 29) Die NATO reagiert schnell. Bereits am Sonntag, dem 11.4. präsentiert sie Bildmaterial von Massengräbern (veröffentlicht z.B. im 'Tagesspiegel' vom 13.4.99).

1 "Neue Gräber in Pusto Selo, Kosovo", links: "keine Gräber vorhanden", rechts: "neue Gräber"

aus 'Tagesspiegel', 13.4.1999, Quellenangabe: rtr

Bildunterschrift: "Foto-Vergleich: Auf der linken, älteren Aufnahme ist die markierte Fläche bei dem Ort Pusto Selo glatt, auf dem rechten Foto vom 9. April sind an gleicher Stelle dunkle Flecken zu erkennen, die Gräber sein könnten."

"Die Nato hat am Sonntag in Brüssel eine Luftaufnahme mit einem möglichen Massengrab bei Orahovac im Süden des Kosovo gezeigt. (1) An der Informationspolitik der Allianz hatte es immer wieder Kritik gegeben." ('Tagesspiegel', 13.4.99) Scharpings Kritik hat also gefruchtet und die damit verbundene Forderung nach wirkungsvollerem Propagandamaterial wurde offensichtlich prompt erfüllt. "NATO-Fotos deuten auf Massaker hin." So heißt die zugehörige, vierspaltig gesetzte Überschrift. Und weiter im Text: "Wie NATO-Sprecher Konrad Freytag mitteilte, deuteten Spuren von Erdarbeiten darauf hin, daß in der Ortschaft Pusto Selo bei Orahovac ein Massengrab ausgehoben sein könnte."

2 "Massengrabgelände nahe Izbica, Kosovo", links: "keine Gräber", rechts: "neue Gräber"

aus 'Der Spiegel', Nr. 17, 26.4.1999, S.152, Quellenangabe: dpa

Bildunterschrift: "Vermutete Massengräber im Kosovo: Ende der Gewalt"

Eine Aufnahme ähnlicher Machart veröffentlicht der 'Spiegel' am 26.4.1999. Das Bild 2 wird auf der Seite eingebaut, ohne daß im Text darauf konkret Bezug genommen würde, geschweige denn, daß das Bild in seiner Glaubwürdigkeit reflektiert und hinterfragt würde. Während im 'Tagesspiegel' noch darauf hingewiesen wird, daß es sich um ein von der NATO hergestelltes Foto handelt, wird diese Her­kunft im 'Spiegel' verschwiegen. Als Quelle wird lediglich 'dpa' angegeben. Dieses Bild war bei einer Pressekonferenz der NATO am 17.4.1999 präsentiert worden, und zwar mit den Worten: "Schließlich mögen Sie von Berichten über Greueltaten im Gebiet von Izbica gehört haben. Dieses Bild, am Donnerstag aufgenommen [15.4.1999], zeigt, was in der Nähe des Dorfes bis zu 150 Gräber sein könnten." Wenn es denn erwiesen wäre.

"Und unser Handwerk besteht darin, Nachrichten auszustreuen, sie so schnell wie möglich in Umlauf zu bringen, so daß die Behauptungen, die unserer Sache dienen, als erste an die Öffentlichkeit gelangen. Die Schnelligkeit ist entscheidend. Sobald irgendeine Information für uns vorteilhaft ist, sehen wir uns verpflichtet, sie sofort in die öffentliche Meinung einzupflanzen. Denn wir wissen genau: es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam... Wichtig ist die Fähigkeit, im richtigen Moment an der richtigen Stelle zu handeln... Es gehört nicht zu unserer Aufgabe, den Wahrheitsgehalt von Informationen zu überprüfen... Unsere Aufgabe ist es, uns dienliche Informationen schneller zu verbreiten und sie an wohlüberlegte Zielgruppen weiterzuleiten... Wir werden nicht bezahlt, um zu moralisieren." So äußert sich 1993 James Harff, Chef der PR-Agentur 'Ruder Finn Global Public Affairs', einer in den USA ansässigen Firma, die beauftragt ist, das Image von Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der 'Republik Kosovo' in der Öffentlichkeit positiv zu beeinflussen, was sie ganz wesentlich durch die Schaffung des Feindbilds 'Die Serben' erreicht.

Zurück zu den Massengrab-Bildern: Sie werden der Weltöffentlichkeit im Fernsehen und in den Druck-Medien präsentiert, in der Absicht, einen Eindruck von Beweisführung zu liefern. Sie graben sich ins Bewußtsein ein und mehr noch ins Unterbewußtsein - in der Regel, ohne daß dabei die Worte, mit denen sie präsentiert werden, im einzelnen analysiert würden und festgestellt würde, daß es sich um reine Spekulationen handelt, die entscheidenden Textpassagen im Konjunktiv formuliert sind, und ohne die Frage zu stellen, wie die Bilder tatsächlich zustande gekommen sind, ohne sich im klaren zu sein, wie leicht ein Bild manipuliert werden kann, wie leicht am Computer-Bildschirm ein paar grau-schwarze Tupfer erzeugt werden können.

Ausschnitt aus Bild 2 (Izbica): parallelogrammartig angeordnete Flecken, von denen behauptet wird, es seien Gräber

Selbst wenn wir davon ausgehen, daß die Flecken tatsächlicher Bestandteil der Landschaft sind, ist damit nichts belegt. Es müssen deshalb keine Gräber sein. Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß es sich um Gräber handelt, müssen hier keine Kosovo-Albaner liegen. Und selbst wenn wir davon ausgehen, daß es sich um Kosovo-Albaner handelt, und noch dazu um Zivilisten, ist es damit nicht erwiesen, daß sie von Serben umgebracht worden sind. Genausogut können die Beerdigten zu den 1400 Opfern gehören, denen bei insgesamt 38.000 Lufteinsätzen mittels Bomben ihr Leben genommen worden ist, wie z.B. bei Djako­vica den Menschen in einem Flüchtlingstreck.

"In Djakovica behaupteten städtische Beamte, daß 100 Kosovo-Albaner ermordet worden seien, aber daß dann mitten in der Nacht die Serben zurückgekommen wären, um die Leichen wieder auszugraben und abzutransportieren. In Pusto Selo berichteten Dorfbewohner von 106 Männern, die von Serben Ende März gefangengenommen und umgebracht worden seien. Die NATO gab sogar Satel­litenaufnahmen frei, und zeigte Bilder, auf denen scheinbar zahlreiche Gräber zu sehen waren. Aber auch diesmal wurden bei einer Untersuchung vor Ort keine Leichen gefunden. Dorfbewohner behaupteten, daß serbisches Militär zurückgekommen sei und Leichen weggeschafft hätte. In Izbica berichteten Flüchtlinge, daß 150 Kosovo-Albaner im März getötet worden seien. Auch diesmal konnten ihre Leichen nirgendwo gefunden werden." Das veröffentlicht der private US-amerikanische Nachrichtendienst Stratfor am 17. Oktober 1999 im Rahmen eines Berichtes, der einen Sturm der Empörung auslöst. Darauf reagiert Stratfor-Chef Dr. George Friedman am 19. Oktober u.a. wie folgt:

"Es ist möglich, daß Leichen abtransportiert oder sonstwie weggeschafft worden sind. Deshalb sind die gerichtsmedizinischen Teams vor Ort. Sie sind darin ausgebildet, Verbrechen zu erkennen, auch lange nachdem die Leichen weggeschafft worden sind. Deshalb haben wir auch sehr sorgfältig die Sprecher verschiedener Teams interviewt, einschließlich des FBI. Wir fragten spezifisch, ob sie Beweise für weggeschaffte Leichen gefunden hätten. Als Beweismittel gelten z.B. Blutspuren oder Körperfrag­mente in den geleerten Gräbern, oder Gase in den Erd­klumpen und so weiter. Nach Aussagen des FBI und der anderen Teams haben sie keine Beweise gefunden... Die Frage nach der Anzahl der Toten ist in doppelter Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Erstens ist es das, was die NATO behauptet hat, und es macht schon etwas aus, ob die NATO die Wahrheit gesagt hat oder nicht... [die Regierung] hat behauptet, daß Tausende ermordet würden. Wenn das nicht stimmt, dann macht mir das schon etwas aus. Es ist ein Standard, an dem ich meine Regierung messe. Es steht Ihnen frei, sich einen anderen Standard zu wählen."

3 Bild des US-Verteidungsministeriums: "Gräber, an denen man sich zu schaffen gemacht hat, in der Nähe von Izbica, Kosovo - 15. Mai - 3. Juni", präsentiert bei einer Pressekonferenz am 9.6.1999, um zu belegen, daß die Gräber beseitigt wurden

"Am 3. Juni zeigt dieses ... Bild etwas, was wie ein Gelände erscheint, auf dem ein Bulldozer zugange war. Das ist der schwarze Klecks hier." Mit diesen Worten wird am 9. Juni 1999 im Rahmen einer Pressekonferenz des US-Verteidigungsministeriums noch einmal ein Bild des angeblichen Massengrabgeländes bei Izbica vorgestellt. (3)

Allmählich haben die Massengrab-Aufnahmen ihre Wirkung erfüllt. Der Krieg, den sie zu legitimieren geholfen haben, neigt sich dem Ende zu. Wie James Harff sagt: Spätere Dementis sind völlig unwirksam. Dennoch ist es aufschlußreich, ein Jahr nach Kriegsende einen weit abgeschlagen winzigen Artikel zu lesen. (4)

4 'Kölner Stadt-Anzeiger', 15.6.2000, Seite 8

Zwar suggeriert auch dieser Artikel immer noch die erwiesene Existenz einer großen Anzahl von Massengräbern. Aber genaues Lesen besagt das Gegenteil.

'Der Spiegel' am 29.3.1999: "Der Serben-Zar drangsaliert seine albanischen Schutz-befohlenen im Kosovo mit Repressionen, Vertreibung und Morden wie Mitte Januar beim Massaker an 45 Bewohnern des Dorfes Racak. 'Wenn Milosevic keinen Frieden will', drohte Menschenrechtler Clin­ton, 'dann sind wir entschlossen, ihn am Kriegführen zu hindern.'"

Im Bericht der OSZE heißt es zu den Ereignissen in Racak klar: "Die Opfer wurden hingerichtet, viele aus allernächster Nähe erschossen."

"Am Freitag [15.1.1999], ein Tag, bevor das Massaker bekannt wurde, machte Außenministerin Madelaine K. Albright darauf aufmerksam, das brüchige Kosovo-Abkommen ... sei dabei zu zerbrechen, so ein Beamter der Administration. Frau Albright sagte dem Weißen Haus, dem Pentagon und anderen Behörden, die Administration stehe im Kosovo vor einem Augenblick der Entscheidung, so der Beamte." (New York Times, 19.1.1999)

Was deutet die US-Außenministerin an, wenn sie sagt, das Abkommen sei dabei zu zerbrechen und es stehe ein Augenblick der Entscheidung bevor? Der 'Spiegel' am 25.1.1999 in der Überschrift zu einem groß aufgemachten Artikel: "Nach dem Massaker an Albanern im Dorf Racak ist die NATO zum Eingreifen bereit." Was damit klar wird: Es bedurfte eines Auslösers, um NATO und Öffentlichkeit auf Krieg zu programmieren - das ist bei Kriegen immer so.

5 'Der Spiegel', Nr.4, 25.1.1999, S.136 und Nr.13, 29.3.1999, S. 200, Quellenangabe: R. Hazir, Sygma, Bildunterschrift: "Blutbad in Racak: verhört, gefoltert, erschossen" bzw. "Ermordete Einwohner von Racak: Balkankrieg droht"

in der Überschrift zum Artikel: "Nach dem Massaker an Albanern im Dorf Racak ist die NATO zum Eingreifen bereit."

Und wie es nach dem Vorgang, der als Massaker bezeichnet wird, ausgesehen hat, illustriert der 'Spiegel' mit einem Bild in einer für dieses Magazin erheblichen Größe. (5) Es bedarf besonderer Ereignisse, um einen Krieg auszulösen, und zur Untermauerung entsprechenden Bildmaterials. Dazu leisten 'Spiegel' und z.B. 'Focus' ihre Beiträge. (6) 'Bild am Sonntag' schreibt zu einem ähnlichen Bild von ausgestochenen Augen, abgetrennten Gliedmaßen und Hinrichtung durch Genick- und Kopfschüsse. Der 'Spiegel' weiß von Verhör und Folter.

6 'Focus', Nr. 4, 25.1.1999, S. 205

Bildunterschrift: "Grausamer Fund: OSZE-Missionschef William Walker am Ort des Massakers in Racak. Er beschuldigt die Serben der Tat."

Bereitwillig machen sie sich zum Sprachrohr derer, die den Krieg vorbereiten. Dabei kann man sogar im 'Spiegel' - bei genauerem Lesen - stutzig werden. "Es ist schwer, Worte zu finden, wenn man Körper wie diese vor sich sieht, zugerichtet wie bei einer Exekution." So läßt der 'Spiegel' OSZE-Missionschef William Wal­ker, seinerzeit US-Botschafter in El Sal­vador, als dort die CIA die Todes­schwa­dronen aufbaute, zu Wort kommen. "Zugerichtet wie bei einer Exekution." Gibt er damit unfreiwillig zu, daß es keine war?

'Le Figaro' vom 20.1.1999 fragt: "Am Samstag morgen [16.1. 1999] fanden die Journalisten nur sehr wenig Patronen in der Umgebung des Grabens, wo das Massaker stattgefunden haben soll. Versuchte die UCK, eine militärische Niederlage in einen politischen Sieg zu verwandeln?" Zwei voneinander unabhängige gerichtsmedizinische Teams kommen schließlich in ihren Obduktionsberichten zu dem Ergebnis: "Es gibt keine Hinweise auf aufgesetzte Schüsse oder Erschießung aus der Nähe." (Doris und George Pum­phrey in 'Die deutsche Verantwortung für den NATO-Krieg gegen Jugoslawien')

Was die Bilder hier für eine Funktion haben? Man kann nicht unterstellen, daß es sich um Fälschungen handelt. Das ist sicher nicht der Fall. Aber sie werden durch den Zusammenhang gefährlich - weil dieser die Bilder zum Beleg für etwas macht, was so nicht stattgefunden hat: eine Inszenierung für Journalisten und Fotografen und vermittels dieser für die Weltöffentlichkeit. "'Man hat den Eindruck, als seien sie hingelegt worden.' Racak: ein inszeniertes Massaker." So heißt es in einem Bericht der 'tages­themen' vom 23.3.2000, ein Jahr nach Kriegsbeginn.

"Ein Vertreter der US-Regierung vertraut der 'New York Times' (4.4.1999) an: 'Es könnte fünfzig Srebrenicas geben' - das wären 350.000 Tote. Der Fernsehsender ABC zitiert einen anderen Regierungsvertreter mit den Worten: 'Es könnten zehntausende junge Männer exekutiert worden sein' (18.4.1999) Das Außenministerium erklärt tags darauf: '500.000 Koso­vo-Albaner werden vermißt, und es wird befürchtet, dass sie getötet wurden.' Einen Monat später spricht US-Verteidigungsminister William Cohen von 100.000 Verschwundenen, die womöglich 'umgebracht worden' seien (CBS, 16.5.1999)... Nach der siegreichen Beendigung des Krieges sinkt die im Westen verbreitete Zahl der geschätzten Opfer auf albanischer Seite von sechs- auf fünfstellige Ziffern. Am 19. Juni erklärt das britische Außenministerium, dass 'in über 100 Massakern 10.000 Menschen getötet worden sind. Auch Präsident Clinton nennt am 25. Juni die Zahl von 10.000 getöteten Kosovo-Albanern..." Soweit ein Zitat aus 'Le Monde diplomatique' vom März 2000.

Der 'Express' weiß am 12.4.1999 von 250.000 verschwundenen Männern, Konzentrationslagern, Massenerschießungen, Vergewaltigungen, Folter und belegt dies in einem Artikel, für den sie Geheimdienste und Augenzeugen als Quelle angibt, mit dem Bild eines am Boden liegendes Mannes (7) und der Nato-Aufnahme eines zerstörten Dorfes.

7 'Express', 12.4.1999, Titelseite, Bild in einem Artikel mit der Überschrift 'Kosovo-Krieg: Die Akte des Grauens - 250000 Männer verschwunden'

Bilderläuterung: "Geheimdienste und Augenzeugen berichten von Konzentrationslagern und Massenerschießungen. So wie auf dem Foto..., das ein Flüchtling heimlich auf seiner Flucht aufnahm"

Ein einzelner, am Boden liegender Mann soll belegen, daß es Konzentrationslager und Massenerschießungen gegeben hat. Es ist schon ziemlich verwunderlich, was den Lesern hier untergeschoben werden soll. Und viele fallen offensichtlich auf derartigen Schwindel herein. Es ist ein ähnlicher Fall wie bei dem in 'Spiegel' und 'Bild' am 6. bzw. 12. April 1999 veröffentlichten Bild aus einem Video, das einen einzelnen auf dem Boden liegenden Mann zeigt - als Beleg für Massenhinrichtungen und Kriegsgreuel.

Auch die 'taz' strengt sich an, dem Krieg gegen Jugoslawien seine Rechtfertigung zu geben. Unter der Überschrift "Die Hinweise auf Massaker im Kosovo verdichten sich" werden "Die Toten von Djakovica" gezeigt. "Die Fotos (8) gehören zu einer Serie von zehn Aufnahmen, die der dänische Fotograf Christian Joergen­sen von einem Video machte. Das Band wurde Joergensen vor vier Tagen in Makedonien zugespielt. Er nimmt an, daß Flüchtlinge es aus dem Kosovo schmuggelten. Drei Tage lang versuchte Joergen­sen mit Hilfe zweier Albaner den Inhalt des Videos auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Seinen Recherchen zufolge ... zeigen die Aufnahmen 15 Kosovo-Albaner, die Anfang April in der kosovo­albanischen Ortschaft Djakovica von serbischen Sicherheitskräften getötet worden sein sollen..." (30.4.1999)


8 taz, 30.4.1999, S. 4, Video-Reproduktionen von Christian Joergensen/Zenit/laif, Titel: "Die Toten von Djakovica"

9 'Der Spiegel', Nr.4, 25.1.1999, S.136, dort in Zusammenhang mit dem 'Massaker von Racak' veröffentlicht

(weiße Linie zum Vergleich eingezeichnet)

Etwa drei Monate zuvor hatte der 'Spiegel' das uns bekannte Bild von dem Ereignis veröffentlicht, das als "Das Massaker von Racak" bezeichnet wird. (9) Dieser Umstand und die Tatsache, daß es trotz der Flut von Desinformation Menschen gibt, die genauer hinsehen, wurde der 'taz' zum Verhängnis, auch wenn man schon sehr genau hinsehen muß, um zu erkennen, daß die "Toten von Djakovica" nicht die Toten von Djakovica sind. Aber der Vergleich der Bilder ergibt derart viele Übereinstimmungen in Form und Anordnung der Bildelemente, daß die Fälschung nicht zu vertuschen ist.

Die 'taz' mußte die Fälschung eingestehen, ohne deshalb Einsicht zu zeigen: "Dadurch wird die Beschuldigung gegen die serbischen Einheiten wegen Massentötungen in Djakovica nicht hinfällig. Erst vorgestern berichteten wieder Flüchtlinge aus Djakovica dem UN-Flücht­lingswerk UNHCR von grausamen Vorkommnissen." ('taz', 7.5.1999)

Was die 'taz' hier vornimmt, ist eine besonders eigenwillige Fälschung. Sie belegt ein Massaker mit Bildern eines anderen Massakers, und noch dazu ausgerechnet desjenigen Massakers, das die entscheidende kriegsauslösende Inszenierung war.

Trotz des nachträglichen Eingeständnisses der Fälschung werden die Bilder zusammen mit den zahllosen anderen Bildern und Meldungen bei den Betrachtern und Lesern ihre Wirkung hinterlassen haben.

Wir erinnern uns wieder an das Zitat: "Denn wir wissen genau: es ist die erste Behauptung, die wirklich zählt. Alle Dementis sind völlig unwirksam..." Nachträgliche Korrekturen sind ohne Bedeutung. Der Krieg ist geführt, das Ziel der erweiterten Einflußnahme auf dem Balkan ist erreicht. Unter den Augen der Besatzer hat die Vertreibung der serbischen Bevölkerung, der Roma und Juden aus dem Kosovo bis auf geringfügige Ausnahmen stattgefunden. Bilder von der ethnischen Säuberung, vom hundertfachen Mord an der serbischen Bevölkerung und ihrer Vertreibung aus dem Kosovo fehlen. Sie werden nicht benötigt. Sie passen nicht zur herrschenden Interessenlage.

10 'Der Spiegel', 12.4.1999

Welche Aussagekraft haben die Bilder auf der Titelseite dieser Ausgabe des 'Spiegel'? (10) Was ist auf ihnen dargestellt? Darüber gibt der 'Spiegel' selbst keine Auskunft. Einzige Information ist die Herkunft der Bilder: sie stammen von den Nachrichtenagenturen dpa und Reuters. Wir finden diese Angaben nach einigem Suchen auf S. 16 im Impressum. Den Betrachtern bleibt bei der Analyse, was auf den Bildern dargestellt ist, lediglich ihr eigenes Vorstellungsvermögen. Ist das so? Nein nicht ganz. Die Gestalter des 'Spiegel' setzen einige Mittel ein, um die Betrachter nicht sich selbst zu überlassen. Und sie machen das durchaus gekonnt. Schließlich sollen die Bilder nicht beliebig wirken. Gewiß ist die Hinter­grund­farbe schwarz nicht zufällig gewählt. Der beabsichtigte finstere Eindruck wird dadurch wesentlich hervorgerufen. Unter dem Titelblatt befindet sich noch ein zweites, das als ursprünglich geplantes erscheint. Dadurch wird vermittelt, daß eine außergewöhnliche Situation herrscht, der der 'Spiegel' mit außergewöhnlichem Engagement gerecht zu werden in der Lage ist. Entscheidend für die Gesamtwirkung sind aber mit Sicherheit die Schriftzeilen: das in Schreibmaschinenschrift gesetzte 'Protokoll des Schreckens' und das in (blut)rot gesetzte 'Was geschieht wirklich im Kosovo?'. Das schafft eine Dramatik und Spannung, die die Leser auf das Innere des Heftes verweist, wo ihnen dann dargelegt wird, wie das ganze - wie sie schon ahnen - gemeint ist. 'Was Augenzeugen über die Verbrechen der Serben im Kosovo berichten' ist einer der Hauptartikel überschrieben. Die drei Bilder sollen die Tendenz der Aussage unterstützten. Das linke Bild wirkt auf den ersten Blick wie die Luftaufnahme eines KZ. Anzunehmen ist, daß es sich tatsächlich um von der NATO bombardierte Gebäude handelt. Die Soldaten auf dem mittleren Bild halten die Betrachter für serbische - auf dem Weg zur nächsten Greueltat. Und rechts finden wir ein Bild mit Menschen, die wir als Opfer der serbischen Vertreibung erkennen sollen.

Zwischen all den Bilder, die die Greueltaten des 'Feindes' darstellen sollen, beschäftigen wir uns jetzt mit Bildmaterial etwas anderer Art, mit Bildmaterial, das in Zusammenhang steht mit den von der NATO durchgeführten Luftangriffen und den sog. Kollateralschäden. Es geht um die Frage Unfall oder bewußt einkalkulierter Mord an der Zivilbevölkerung. Es geht um die Bombardierung eines Zuges auf der Fahrt von Belgrad nach Thessaloniki. 'Express' vom 13.4.1999: "Die NATO hatte die Brücke, über die der Zug gefahren war, ins Visier genommen. Der Pilot habe den Zug erst in letzter Sekunde gesehen." (11)

11 'focus', Nr.16, 19.4.1999, S.286

Bildunterschrift: "Tödliches Timing: Just in dem Moment, als die NATO die Brücke bei Grdelica unter Beschuß nahm, passierte sie ein Personenzug. Zehn Zivilisten starben, 16 wurden verletzt"

In diesem kurzen Satz stecken immerhin zwei Lügen. Zum einen ist es nicht der Pilot, der die Bombe ins Ziel steuert, sondern der Waffensystemoffizier. Die andere Falschaussage liegt in der angeblichen Unabwendbarkeit der Zerstörung des Zuges aufgrund der angeblich extrem kurzen Zeit zu reagieren.

12 'Frankfurter Rundschau' vom 6.1.2000

entnommen aus dem NATO-Video, das im Rahmen einer NATO-Pressekonferenz mit vielfacher Geschwindigkeit abgespielt wurde (im Internet abrufbar unter www.nato.int/kosovo/videos.htm)

"Die NATO hat bestätigt, daß zwei im Kosovo-Krieg gezeigte Videofilme (12) den Angriff auf einen Personenzug falsch wiedergeben. Die Filme liefen 'schneller, als sie sollten', sagte ein Sprecher des Nato-Hauptquartiers... Er bestätigte damit einen Bericht der 'Frankfurter Rundschau' [vom 6.1.2000]. Darin heißt es, die Nato habe mit den Filmen untermauern wollen, daß der Zug überraschend schnell auf der Brücke erschienen war und der Angriff daher nicht mehr abgebrochen werden konnte. Tatsächlich zeigten die Filme das Geschehen und damit auch den fahrenden Zug in dreifacher Geschwindigkeit." (Kölner Stadt-Anzeiger, 7.1.2000, S.7 unter dem Titel 'Nato-Video gab Zugangriff falsch wieder').

Die Frankfurter Rundschau beschreibt es genauer: der Waffensystemoffizier hatte mindestens 6,9 Sekunden Zeit für eine Reaktion, und das unter der Annahme einer Geschwindigkeit des Zuges von 100 km/h, was in Anbetracht der Streckenverhältnisse noch zu hoch gegriffen sein dürfte. Mord? Die Frage erübrigt sich.

13 'Bild', 1.4.99, 'Sie treiben sie ins KZ'

Aus der Bildlegende:
"KZ. Konzentrationslager. Ein Alptraum ist wiederauferstanden. Aus dem Kosovo verstärkten sich gestern Berichte, daß die Serben Tausende von Albanern in riesige Lager zusammentreiben..."

Wie der überwiegende Teil der Medien greift auch 'Bild' auf die Erfindung der PR-Agentur Ruder Finn zurück, Begriffe aus der Zeit des Nationalsozialismus auf 'Die Serben' anzuwenden: Völkermord, Ethnische Säuberungen, Konzentrationslager... Das Bild 13 beweist nichts dergleichen, auch wenn es von den Gestaltern der Bildzeitung fast auf Seitengröße aufgeblasen ist. Es ist fast nichts zu erkennen. Aber im Kontext entfaltet es seine Wirkung.

"Leichen, überall Leichen. Erschossene Männer, deren Gesichter mit Baseballschlägern verstümmelt wurden, damit sie niemand identifizieren kann. Bilder des Grauens, Bilder aus dem Kosovo. Verteidigungsminister Rudolf Scharping zeigte sie gestern, um eindringlich zu belegen: So grausam wütet Serben-Führer Milosevic. Deshalb dieser Krieg: Das Massenmorden muß ein Ende haben." So 'Express' vom 28.4.1999 - in gekonnter Weise gestaltet - auf seiner Titelseite. (14)

14 Ausschnitt aus der Titelseite des Express vom 28.4.1999

Und weiter: "Bilder, die den Betrachter sprachlos machen. Bilder, an die wir uns niemals gewöhnen dürfen. Die Fotos, die Verteidigungsminister Rudolf Scharping gestern in Bonn zeigte, entlarven Soldaten von Slobodan Milosevic als Killertruppe. Wenn eine Armee derart brutal gegen Menschen vorgeht, sie massakriert, mit bestialischem Vergnügen niedermetzelt, darf der Westen nicht wegsehen. Dann darf die NATO nicht tatenlos bleiben. Jeder Despot, der Massenmorde an der eigenen Bevölkerung anzettelt, muß wissen, daß die Allianz ihn militärisch bekämpfen wird. Die Dokumente der Grausamkeit legitimieren den Kampfeinsatz." So Thomas Goldau unter dem Titel 'Dokumente des Grauens' im Kommentar des Express vom 28.4.1999.

Im Kölner Stadt-Anzeiger vom 29.4.1999, der tags zuvor auch über Scharpings Präsentation der Bilder berichtet hatte, heißt es dazu auf Seite 6 in einem einspaltigen Artikel: "Am Dienstag flimmerten Bilder eines angeblich unbekannten Massakers im Kosovo über die Bildschirme, einige Zeitungen brachten sie auf der Titelseite. Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) hatte die Aufnahmen eines deutschen OSZE-Beobachters präsentiert und kommentiert. Das seien Belege, daß die Serben bereits vor den Verhandlungen über einen Friedensplan systematische Vertreibungen organisiert hätten. Was Scharping offenbar nicht wußte: Bereits vor drei Monaten wurde über den Vorfall berichtet... Scharping datierte das Massaker auf den 29. Januar. Ein Deutscher habe unter Lebensgefahr die Aufnahmen gemacht und den Film - tief geschockt - erst kürzlich zur Verfügung gestellt. Der Mann war nicht der einzige Zeuge. Ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters war vor Ort, noch am gleichen Tag wurden seine Bilder weltweit publiziert. (15) Was genau in dem kleinen Ort Rogo­va passiert war, ist unklar. Nach Darstellung der serbischen Seite hatten UCK-Rebellen einen Polizisten bei Durchsuchung eines Hauses umgebracht. Bei der Verfolgung seien die Albaner getötet worden. Für Scharping war die Sache klar: Die Bilder belegen Kriegsverbrechen. Einige Medien ergänzten, Kriegsverbrechen an Zivilisten. Scharping nannte die Bilder Belege, daß solche Verbrechen bereits vor den Verhandlungen von Rambouillet stattgefunden hätten. Verbrechen, auf die die NATO habe reagieren müssen."

Diesen Zitaten ist nicht viel hinzufügen. Sie machen aus sich heraus deutlich, auf welch plumpe Weise hier manipuliert worden ist. Für Leser des 'Express' sowie Konsumenten zahlreicher anderer Medien bleibt Scharpings Version ungebrochen im Bewußtsein. Die Kriegstreiber aus Politik und Medien stehen im Kampf um die öffentliche Meinung Seite an Seite.

NATO-Sprecher Jamie Shea (gemäß ARD-Sendung vom 28. Oktober 1999): "Kosovo war der erste Medien-Krieg. Der Umgang mit den Medien, der Kampf um die öffentliche Meinung war genauso wichtig wie die Luftangriffe. Dieser Krieg hat sich nicht von selbst erklärt. Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, daß sie der Öffentlichkeit erklären mußten, warum dieser Krieg wichtig war."

15 World Press Photo, 1. Preis Fotoserien, Yannis Behrakis, Reuters

Bildlegende: "Ein Mitglied serbischer Paratruppen nimmt einem Opfer des Hinterhalts von Rogovo seine AK-47 ab."

Auch nach Ende des Krieges geht der Kampf um die Köpfe der Menschen weiter, z.B. unter Zuhilfenahme des World-Press-Photo-Wettbewerbs. (15) Das Thema Kosovo nimmt auch hier einen breiten Raum ein. Aber mit keinem einzigen Bild werden die von der NATO in Jugoslawien begangenen Kriegsverbrechen thematisiert: keine zerstörten Krankenhäuser, keine Opfer der geächteten Splitterbomben, keine zerstörten Wohnhäuser... World Press: ein Teil der Medien, die sich fast durchweg haben gleichschalten lassen.


Der Informationskrieg

Artikel des Gegen-Informations-Büros zum Thema 'Propaganda und Krieg'

"Es wird nie soviel gelogen wie vor der Wahl, während des Krieges und nach der Jagd" (Bismarck)

Der Krieg gegen Jugoslawien begann mit einer Lüge: "Wir führen keinen Krieg" ließ Bundeskanzler Gerhard Schröder am 24. März 1999 in seiner Regierungserklärung die Nation wissen, vielmehr handele es sich um eine "Militäraktion" oder nach NATO-Jargon um eine "Luftkampagne". Die von Regierungsvertretern, PR-Agenturen und Pressestellen der kriegführenden NATO-Verbündeten zum Zweck der Kriegslegitimierung kreierten und über die Massenmedien gestreuten Begriffe wie der der "humanitären Intervention" gaben ganz nach dem Motto "Wenn sie von Frieden reden, meinen sie Krieg" den deutlichen Hinweis: Es wird Krieg geführt - in diesem Falle gegen die Bundesrepublik Jugoslawien. Zugleich handelte es sich um einen "(Des)Informationskrieg" an der "Heimatfront". Diese Seite des Krieges haben wir als Nachrichtenkonsumenten und Konsumentinnen eindrucksvoll erfahren müssen. Auf nahezu allen Fernsehkanälen die gleichen Bilder, im Radio die gleichen Stimmen und in den Kommentaren der Tagespresse sich wiederholendes Vokabular und auffallend ähnliche Meinungen zur Notwendigkeit der Bombardierungen.

Eine Verschwörung? Gleichschaltung? Staatliche Zensur? Oder einfach nur die bekannte Ignoranz und Oberflächlichkeit der meinungsbildenden Medienindustrie?

Die Brutkastenlüge

Waren es bei der Destabilisierung von missliebigen Regierungen und der Aufstandsbekämpfung in Lateinamerika überwiegend CIA-Agenten, die durch gezielte Falschmeldungen US-Interventionen legitimieren sollten, wurde zur Vorbereitung des Kriegs gegen Irak eine der größten PR-Agentur in den USA unter Vertrag genommen. Ausgestattet mit einem Budget von 10,7 Mio. $ startete die PR-Agentur Hill & Knowlton 1990 einen Propagandafeldzug für die "Befreiung" Kuweits. Höhepunkt der in der Geschichte wohl erfolgreichsten PR-Kampagne war eine gezielte Lüge, die von der Bush-Administration und der kuwaitischen Regierung gestreut wurde. Am 10. Oktober 1990 schilderte vor dem Menschenrechtsausschuß des US-Kongresses die 15-jährige Kuwaiterin Nayirah unter Tränen die Greueltaten irakischer Soldaten. Diese hätten in einem kuwaitischen Krankenhaus 15 Babys aus Brutkästen gerissen, auf den Boden geworfen und dort sterben lassen. Die Brutkästen seien entwendet worden. Aus anderen Krankenhäusern wurden ähnliche Vorfälle geschildert, so dass u.a. Amnesty International 312 auf diese Weise getötete Babys und gestohlene Brutkästen zählte - ai dementierte diese Angabe später. Präsident Bush griff die Greuelgeschichte in seiner Kriegskampagne immer wieder auf, so dass der zunächst kriegskritische US-Senat der Intervention zustimmte und durch die mediale Aufbereitung der Geschichte auch innerhalb der US-Gesellschaft ein Meinungsumschwung zu verzeichnen war.

Tochter des kuwaitischen Botschafters in den USA

Im Januar 1992 wurde die Identität der jungen Zeugin enthüllt - es handelte sich um die Tochter von Saud Nasir al-Sabah, dem kuwaitischen Botschafter in den USA. Das Mädchen war von Hill & Knowlton professionell als Zeugin aufgebaut worden. Präsident der PR-Agentur war Craig Fuller, Bush-Anhänger und dessen ehemaliger Stabschef. Weitere Untersuchungen ergaben, dass kuwaitische Ärzte offensichtlich gelogen hatten und die vorgeblich entwendeten Brutkästen an ihren Plätzen standen. Des weiteren wurde recherchiert, dass Untersuchungen stattgefunden hatten, mit deren Hilfe ermittelt worden war, welche Meldungen Menschen besonders erregte. Ergebnis war, dass die befragte Bevölkerungsgruppe sehr heftig auf Baby-Greuel reagiert hatte. Die Propagandalüge war 1992 widerlegt, der Krieg aber bereits Vergangenheit. Nach einem Bericht der Zeitschrift "Covert Action Quarterly" (CAQ) vom 26.Februar 1998 bestehen auch zwischen der Clinton-Administration und H&K engste Verbindungen. Die früheren H&K-Köpfe Howard Paster und Lauri Fitz-Pegado arbeiten im Stab von Clinton, und der frühere Mitarbeiter des Weißen Hauses, Thomas Hoog, ist nun Leiter des Washingtoner Büros von H&K. Auch zur CIA pflegt H&K einen regen Austausch. Insbesondere Robert Keith Gray, der das H&K-Büro in Washington aufbaute und über 30 Jahre leitete hatte, verfügt laut "CAQ" über beste Kontakte zur Führungsebene des Geheimdienstes. (1)

Ruder Finn in Jugoslawien

Als 1992 die Brutkastenlüge publik wurde und mensch denken mochte, "gebranntes Kind (d.h. in diesem Fall Journalisten und Journalistinnen) scheut das Feuer", war bereits eine andere PR-Agentur damit betraut, das Image Kroatiens, Bosnien-Herzegowinas und der kosovarischen Opposition zu fördern und die serbische Position in Misskredit zu bringen.

Der Direktor von Ruder Finn Global Public Affairs, James Harff, erklärte in einem Interview, wie seine PR-Agentur diesen Auftrag anging:

"Das ist ganz einfach. Unser Arbeitsgerät besteht im wesentlichen aus einer Kartei, einem Computer und einem Fax. Die Kartei enthält die Namen von einigen Hundert Journalisten, Politikern, Repräsentanten humanitärer Organisationen und Universitätsangehörigen."

Als den größten Erfolg ihrer Kampagne beschreibt er: "Dass es uns gelungen ist, die Juden auf unsere Seite zu ziehen."

Vor dem Hintergrund, dass Antisemitismus in Kroatien und Bosnien nicht nur ein historisches Phänomen ist, sondern vertreten durch den ehemaligen Präsidenten Tudjman und Izetbegovic auch im heutigen politischen Diskurs prägend ist, war dies keine leichte Aufgabe. "Die jüdischen Intellektuellen und Organisationen hatten daher allen Grund, den Kroaten und Bosniern feindlich gesinnt zu sein. Diese Tatsachenlage umzukehren, das war für uns eine Herausforderung. Wir haben das meisterhaft geschafft, und zwar zwischen dem 2. und 5. August 1992, als die New Yorker 'Newsday' die Sache mit den Lagern herausbrachte. (...) Wir sind sofort auf den Zug aufgesprungen. Im Handumdrehen konnten wir die Serben in der öffentlichen Meinung mit den Nazis gleichsetzen."

Und James Harff fährt fort, dass die Medien von nun an ihren Sprachgebrauch wandelten und emotional stark aufgeladene Begriffe benutzten wie "ethnische Säuberung, Konzentrationslager usw., bei denen man an Nazi-Deutschland, Gaskammern und Auschwitz denkt." (2)

Die Aktivitäten Ruder Finn's in der Republik Bosnien-Herzegowina umfaßten unter anderem:
  • die Einrichtung eines "Bosnia Crisis Communication Center" im Büro von Ruder Finn mit Kontakten zu amerikanischen, englischen und französischen Medien,
  • die Ausarbeitung eines in sich stimmigen Paketes von Aussagen und Botschaften, die in Gesprächen angewendet und ständig wiederholt werden sollten,
  • den Aufbau eines Fax-Netzes für internationale Bosnien-Berater. Zu dem Netz von Kontakten, das Ruder Finn gelegt hat, gehörten auch humanitäre Organisationen und wissenschaftliche Einrichtungen,
  • die Formulierung und Platzierung von Leitartikeln in "New York Times", "Washington Post", "USA Today" und "Wall Street Journal".
Für die Propagandakampagne zur Unterstützung der Separationsbestrebungen des Kosovo konnte Ruder Finn somit auf reichhaltige Erfahrung und Vorarbeit zurückgreifen. Die Agentur organisierte 1995 zwei Delegationen mit US-Kongreßabgeordneten in den Kosovo und vier Reisen Rugovas in die USA, wo er u.a. auf Cristopher, Albright und Al Gore traf. Unterstützt wurde die Kampagne von den albanischen Gemeinden insbesondere in New York, Chicago und dem Mittleren Westen, wo die jeweiligen Kongreßabgeordneten für die albanischen Bestrebungen gewonnen wurden. Über 300 Kongreßabgeordnete, ausländische Politiker und Journalisten, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen und Nachrichtenagenturen wurden von Ruder Finn mit Informationen über die Situation im Kosovo und mit Statistiken über Gewalttaten gegen die albanische Bevölkerung versorgt - selbstredend ausschließlich aus der Sicht der Kosovo-Albaner. Als ihren Erfolg verbuchte Ruder Finn, dass bis 1995 in den wichtigsten Publikationen der USA über 250 Artikel erschienen und 43 Interviews im nationalen und internationalen Fernsehen ausgestrahlt wurden.

Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass nach einer Untersuchung von Wm. Dorich vom 16. Februar 1999 in den letzten sieben Jahren etwa 8.000 Artikel über Bosnien und Kosovo in der Los Angeles Times veröffentlicht wurden, wovon nicht einer dieser Artikel von einem serbischen Journalisten, Autor oder politischem Führer stammte. Dr. Alex Dragnich, ein serbischer Gelehrter, Autor von acht Büchern über die Geschichte und Politik des Balkan und früherer Kulturattaché der US-amerikanischen Botschaft in Belgrad, reichte seit 1992 zweiundvierzig Artikel bei der "New York Times" ein, nicht einer erschien. Auf der anderen Seite wurden Serben öffentlich als "mörderische Arschlöcher" (Richard Holbrooke), als "ungebildet und degeneriert" (Senator Biden) oder als "Schweine" (Kongreßabgeordneter Obey) bezeichnet.

Von "faschistischer Propaganda" zu demokratischer "Operativer Information"

Die Bedeutung der Herrschaft über Informationen - insbesondere in Vorbereitung und Einstimmung auf kriegerische Aktionen - erklärte Adolf Hitler am 10. November 1938, als die Synagogen noch brannten, vor der deutschen Presse:

"Dazu war es aber notwendig, nicht etwa nun die Gewalt als solche zu propagieren, sondern es war notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass im Gehirn der breiten Masse des Volkes ganz automatisch allmählich die Überzeugung ausgelöst wurde: Wenn man das eben nicht im Guten abstellen kann, dann muss es mit Gewalt abgestellt werden; so kann es aber auf keinen Fall weitergehen."

Nun verfügen weder die USA noch die BRD über ein institutionalisiertes Propagandaministerium. Diese Tatsache ändert jedoch nichts daran, dass der Informationspolitik weiterhin und in zunehmendem Maße Beachtung geschenkt wird. So ist nach Meinung der Medienwissenschaftlerin Elvi Claßen die militärischpolitische Informations-Intervention nie zuvor so vielschichtig und umfassend, so aggressiv und effektiv wie während dieses Krieges gewesen. (3)

Eine der Lehren des Vietnamkriegs war für die US-Administration und Militärs, dass der freien journalistischen Interpretation von Bildern aus Kriegsgebieten entgegengewirkt werden muss, da die Kriegsbereitschaft der heimischen Bevölkerung dadurch unterwandert werden könne. Neben umfassenden Kontroll- und Zensurmaßnahmen schlug der Public Relations-Spezialist der US-Marine, Arthur A. Humphries, 1983 vor, die Medien gezielter in der Kriegsführung einzuplanen:

"Die Nachrichtenmedien können in der psychologischen Kriegsführung ein nützliches Werkzeug, ja sogar eine Waffe sein, die den Soldaten den Einsatz ihrer schweren Waffen erspart."

Sah Humphries die Medien noch als nützliches Werkzeug, so erklärte NATO-Sprecher Jamie Shea Journalisten bereits zu Soldaten:

"Kosovo war der erste Medienkrieg. (...) Die Journalisten waren gleichsam Soldaten in dem Sinne, dass sie der Öffentlichkeit erklären mussten, warum dieser Krieg wichtig war. Es gehörte zu meinen Aufgaben, sie zu munitionieren, die Lauterkeit unserer Kriegsmotive und unserer Aktionen zu zeigen."(4)

Kriegsminister Scharping behandelte JournalistInnen ganz im Sinne Sheas wie Soldaten und forderte sie auf Pressekonferenzen auf, zu gezeigten Fotos "genau das zu beschreiben, was auch er daraus erkenne. Zwischenfragen wurden nicht geduldet. In dieser Situation erreicht der Propaganda-Apparat der Regierung eine neue Qualität", erläutert Albrecht Reinhardt, Chef der Programmgruppe Ausland des WDR. Diese neue Qualität der Propaganda ist integraler Bestandteil psychologischer Kriegsführung. In der US-Armee heißt die zuständige Einheit Psychological Operations (PSYOPS), in der Bundeswehr "Truppe für Operative Information" (OpInfo). Scharping als Kriegsminister und damit oberster Chef der Truppe handelte ganz nach deren Maxime, die in der Konzeption über die Aufgaben der OpInfo dargestellt ist:

"Massenkommunikationsmittel können Verlauf und Ausgang von Konflikten entscheidend beeinflussen. Wer über solche Mittel verfügt, wird sie zu seinem Nutzen und zum Schaden des Gegners einsetzen. Propaganda, Desinformation und Manipulation von Meinungen sind Teil des Kampfes um und mit Information. In einem Klima einseitiger Information und eingeschränkter Informationsmöglichkeit kann politische, ethnische, religiöse und anders geartete Ideologisierung bis hin zur Gewaltbereitschaft gedeihen." (5)

Wie journalistischer Opportunismus an der "Heimatfront" geschaffen wurde und funktionierte, wurde z.B. auf der Pressekonferenz des Bundesministers Scharping am 16. April 1999 vorgeführt:

"Welche Konsequenzen sind denn aus der Panne von vorgestern gezogen worden?", fragte dort ein Journalist. Mit der "Panne" war die NATO-Bombardierung eines Flüchtlingstrecks gemeint - die Toten fanden in derlei Fallen keinerlei Erwähnung, vielmehr vermutete einer der anwesenden Journalisten hinter den Fernsehbildern ein serbisches Machwerk, als er fragte:

"Heißt das dann nicht, daß hier von Seiten der Serben Propaganda gemacht wird, Herr Minister?"

Doch so einfach konnte die Wahrheit in diesem Fall nicht verdreht werden, und auf die Frage, ob die Kriegszustimmung in der Öffentlichkeit durch Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung nicht in Gefahr gerate, antwortete Scharping:

"Ich würde sie bitten, in einer Frage nicht eine Feststellung zu verstecken, die z.Zt. niemand wirklich genau verifizieren kann. (...) Ich finde, wir sollten da alle etwas vorsichtiger sein und deshalb auch, weil wir es hier mit einer Propagandamaschinerie zu tun haben, die ihre Funktionstüchtigkeit und ihre absolute Unwahrhaftigkeit gleichermaßen schon einige Male unter Beweis gestellt hat. (...) Ich weiß um die Wirksamkeit von solchen Bildern, und vor diesem Hintergrund, so tragisch das Ganze ist, solange es nicht vollständig aufgeklärt ist, denke ich, sollten wir vorsichtig damit umgehen."

Ein sehr guter Rat des Ministers, den er selbst wenige Minuten zuvor Punkt für Punkt mit wilden Gerüchten über angebliche Greueltaten der Jugoslawischen Armee ad absurdum geführt hatte. Im Zusammenhang mit Aufklärungsfotos schilderte Scharping den versammelten Journalisten und Journalistinnen Vorgänge, "die für einen normalen menschlichen Kopf extrem schwierig auszuhalten sind. Wenn beispielsweise erzählt wird, dass man einer getöteten Schwangeren den Fötus aus dem Leib schneidet, um ihn zu grillen und dann wieder in den aufgeschnittenen Bauch zu legen; wenn man hört, dass systematisch Gliedmaßen und Köpfe abgeschnitten werden; wenn man hört, dass manchmal mit den Köpfen Fußball gespielt wird, dann können sie sich vorstellen, dass sich da einem der Magen umdreht." (6)

Diese an die Brutkastenlüge erinnernde Geschichte beruhte, wie Scharping selbst betonte, auf ungeprüften Erzählungen. Ebenso ungeprüft wurde insbesondere von Außenminister Fischer das vermeintliche Massaker von Racak am 15. Januar 1999 als Greueltat der Serben in die Öffentlichkeit getragen. Er habe sich schon in vielen Kriegsgebieten aufgehalten und viel gesehen, aber Racak sei "das Schrecklichste, was er in seinem Leben gesehen habe", erklärte vor laufenden Kameras William Graham Walker, ehemaliger Chef der OSZE-Mission im Kosovo. Auf einen schlüssigen Bericht der Untersuchungskommission zu Racak wartet die kritische Öffentlichkeit bis heute. Die Tagesthemen vom 23. März 2000 fragten dementsprechend kritisch nach Beweisen für die Ermordung von 45 albanischen Zivilisten. Nach den Informationen der Tagesthemen ließen die Autopsieberichte des finnischen Pathologenteams die Version eines Massakers nicht zu. Währenddessen empfing William Walker Ende letzten Jahres vom UCK-Chef Hashim Thaqi eine goldene Schüssel und unter begeisterten "Walker, Walker"-Rufen die kosovarische Ehrenbürgerschaft. (7)

Der oben bereits zitierter PR-Profi James Harff erklärt den Sinn von Greuel- und Horrormeldungen:

"Es ist nicht unsere Aufgabe, Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. (...) Unsere Aufgabe besteht darin, Informationen, die unserer Sache dienlich sind, schneller unter die Leute zu bringen und zu diesem Zweck sorgfältig ausgewählte Zielpersonen anzusprechen. (...) Wir werden nicht dafür bezahlt, Morallehren zu erteilen. Und selbst wenn es darum ginge, hätten wir ein ruhiges Gewissen. Denn sollten sie beweisen wollen, dass die Serben arme Opfer sind, dann versuchen sie es mal, sie werden damit ziemlich allein stehen."

Womit Harff vollständig Recht behielt. Nur wenige JournalistInnen hielten es während der regelmäßigen Pressekonferenzen für nötig, nach präziseren Informationen zu fragen. Der antiserbische Mainstream bestimmte das Verhalten, und zuzutrauen ist den Serben ja alles.

Albrecht Reinhardt vom WDR resümiert: "In diesem Klima wurden kritische Fragen nach Quellen und Belegen für Massengräber, Massaker, Massenvergewaltigungen, Deportationen und Konzentrationslagern mit der Rechtfertigung des Kriegsgegners gleichgesetzt (...) die vielleicht gefährlichste Entwicklung für den Journalismus, die aus diesem Krieg auf dem Balkan resultiert." (8)

Die Wirkung dieser Informationspolitik wurde noch bekräftigt durch die scheinbare publizistische Vielfalt der täglichen Desinformation.

Die JournalistInnen fungierten in der Propagandamaschinerie primär nicht als die "Fälscher" von Nachrichten, sondern vielmehr als die Verbreiter derselben. Die Prüfung auf den Wahrheitsgehalt von Meldungen, ein im deutschen Pressekodex von 1996 verankerter Grundsatz, wurde regelmäßig unterlassen zu Gunsten eines diskursiven Opportunismus. Protestaktionen, Demonstrationen und Stellungnahmen von KriegsgegnerInnen fanden keinerlei Niederschlag in den Medien, es wurde vielmehr der Abgesang der Friedensbewegung attestiert.

Über die größte Erfahrung im Bereich psychologischer Kriegsführung verfügen sicherlich die USA. Aber auch in der BRD wird wissenschaftlich an diesem Thema gearbeitet. Die Industrie- und Anlagenberatungsgesellschaft (IABG) in Ottobrunn versteht sich als Think Tank und TÜV für Informations- sowie Waffensysteme. 50% der Aufträge erhält der Betrieb mit seinen 13.000 MitarbeiterInnen von militärischer Seite. In einem Interview im November 1998 beschreibt Wolfgang Haas, Programm-Manager des Bereichs Führung, Information und Kommunikation der IABG, den Zielbereich von Informationspolitik:

"Das Ziel ist, dass man überlegene Informationen in Konflikten in allen Bereichen hat, und da spielt natürlich nicht nur die Information, die mit Hilfe der Technik gewonnen wird, eine Rolle, sondern auch die Kenntnis der psychologischen Lage des Kontrahenten und die Einflussnahme auf die Einschätzung der Situation durch die interessierte Öffentlichkeit. Das heißt, Information Warfare ist sehr stark ein Phänomen, das auch auf die psychologische Ebene zielt. Neben den technischen Einwirkungen sind also die Einwirkungen direkt auf die Psyche des Menschen, also das, was man früher als psychologische Kriegsführung und Propaganda bezeichnet hat, bedeutend." (9)

Dass wir es auch zukünftig mit einer vermutlich noch subtileren Propaganda zu tun haben werden, kündigte General a.D. Klaus Naumann in einem Beitrag in der Ausgabe 11/1999 der "Truppenpraxis" an: "Aber es ist ja wohl richtig, daß wir nach einem solchen Konflikt feststellen: Das machen wir beim nächsten Mal besser. Denn der nächste Konflikt wird kommen."

Es bleibt festzuhalten:
  • Desinformationspolitik und psychologische Kriegsführung, beim Kriegsgegner Propaganda genannt, ist integraler Bestandteil von Kriegsführung.
  • Sie diente im Krieg gegen Jugoslawien der Kaschierung der tatsächlichen Kriegsinteressen.
  • Das Spektrum der (Des)Informationen reicht von frei erfundenen Lügen bis zu partiellen, d.h. völlig einseitigen Wahrheiten.
  • Diese zielen direkt auf die Bevölkerung. Die Bevölkerung der BRD mußte den Krieg zunächst als unumgänglich akzeptieren oder sogar nachdrücklich fordern, um für den dritten deutschen Waffengang gegen Jugoslawien ein ruhiges Hinterland zu gewährleisten.
  • Ihre Wirkung erzielt Information Warfare insbesondere durch das Wecken von Emotionen.
  • Im Zentrum der deutschen Propaganda standen die infamen Analogien der jugoslawischen Politik mit dem deutschen Faschismus.
(1) vgl.: Covert Action Quarterly; 26. 2. 1998
(2) Merlino, Jacques: Da haben wir voll ins Schwarze getroffen. In: Bittermann, Klaus: Serbien muß sterbien, Edition Tiamat 1994, S. 153 ff
(3) vgl.: Claßen, Elvi: In ami Nr. 10, 1998
(4) "Der Krieg und ein fauler Frieden"; ARD-Dokumentation 29.10.99 und "Spiegel" Nr.: 2/2000
(5) Europäische Sicherheit; Juli '99
(6) zit. nach: www.bundeswehr.de/kosovo/pk_t_990416.htm
(7) vgl. Jungle World Nr. 46, 10. November 1999
(8) Menschen machen Medien, Zeitschrift der IG Medien; Nr. 7 Juli '99
(9) zit. nach: http://gib.squat.net/infowar/bundeswehr.html

Quelle: http://gib.squat.net/reader/propaganda-und-krieg.html


Bilder, sagt man, lügen nicht - oder vielleicht doch?

Artikel von Thomas Deichmann in der Weltwoche vom 9.1.1997

Das Symbolbild des Bosnienkriegs, die Aufnahme eines abgemagerten Gefangenen hinter Stacheldraht, war eine Täuschung

ITN-Aufnahme

Wahrheit? Anfang 1993 trat die "Weltwoche" mit einem Artikel von Peter Brock über die einseitige Berichterstattung der Medien im Bosnienkrieg eine heftige Debatte los. Peter Handke liess diese Diskussion letztes Jahr neu aufflammen. Dass es westliche Zeitungen und Fernsehsender im Bosnienkrieg mit der Wahrheit nicht immer genau nahmen, zeigt eine neue Recherche unseres Autors.

Es dauerte einige Tage, bis ich selbst daran glauben wollte: Das wohl bekannteste Bild des Bosnienkriegs war eine Täuschung. Es wurde am 5. August 1992 von einem britischen Fernsehteam aufgenommen: dem Team von Penny Marshall von ITN und Ian Williams von Channel 4 in Begleitung des Reporters Ed Vulliamy vom "Guardian". Ein abgemagerter Muslim mit nacktem Oberkörper hinter Stacheldrahtzaun, Fikret Alic, in Trnopolje, einem Lager der bosnischen Serben. "The Proof" - der Beweis - schrieb die "Daily Mail" zwei Tage später in dicken Lettern über die Ablichtung des Bildes: "Das sind Szenen wie die in Schwarz und Weiss flimmernden Bilder aus fünfzig Jahre alten Filmen über Konzentrationslager der Nazis."

Weltweit wurde das Bild in millionenfacher Auflage reproduziert. Es ist ein Dokument der Zeitgeschichte geworden: ein angeblicher Beweis für die Existenz von Konzentrationslagern in Bosnien fünfzig Jahre nach dem Holocaust. Dass an der Korrektheit dieses Stacheldrahtbildes mit Fikret Alic in Trnopolje nicht zu zweifeln sei, dachte zunächst auch ich.

Als ich ITN-Aufnahmen betrachtete, die im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden, stiess mich meine Frau zunächst auf ein kleines Detail: Wenn es sich bei der Aufnahme um ein Bild von Insassen eines mit Stacheldrahtzaun umgebenen Lagers drehte, warum war der Stacheldraht an die mächtigen Pfosten von der Seite angebracht, auf der sich auch die Lagerinsassen befanden? Zäune werden normalerweise aussen an den Pfosten befestigt, ein Gelände somit eingezäunt.

Was hatte es mit diesem Bild auf sich? Ich machte mich auf den Weg nach Bosnien. Meine Recherchen, die auch die Ansicht des unbearbeiteten ITN-Filmmaterials umfassten, ergaben, dass nicht die gefilmten Lagerinsassen und in ihrer Mitte Fikret Alic von einem Stacheldrahtzaun umgeben waren, sondern die britischen Journalisten, die aus einem so umzäunten Grundstück heraus in das Lagergelände hineinfilmten. Auf dem Grundstück, auf dem die Journalisten standen, befand sich eine Scheune. Daran angrenzend war das eigentliche Lagergelände: eine Schule, eine Art Bürgerhaus, genannt "Dom", mit Sporthalle und medizinischem Versorgungszentrum und ein Freigelände mit Sportanlage.

Wie war es zu diesen Aufnahmen gekommen? Das britische Journalistenteam war Ende Juli 1992 auf Einladung des damaligen Präsidenten der bosnischen Serben, Radovan Karadzic, nach Bosnien gereist. Karadzic hatte in London an einer internationalen Konferenz teilgenommen und wurde vor seiner Abreise von Redaktoren von ITN und vom "Guardian" auf Gerüchte über brutale Internierungslager angesprochen. Er stritt deren Existenz ab und willigte ein, einem Journalistenteam den Besuch dieser Orte zu gestatten.

Am 28. Juli trafen Vulliamy, Marshall und Williams in Belgrad ein. Im Gepäck hatten sie ein Papier der bosnischen Regierung, auf dem "Konzentrationslager" der Serben aufgelistet waren. Um die Zeit zu überbrücken, besuchten die Reporter von Belgrad aus zwei solcher Orte und stellten fest, dass es sich um einfache Flüchtlingslager drehte. Von KZs konnte keine Rede sein. Am 3. August wurde nach Pale geflogen. Am nächsten Tag ging es weiter nach Banja Luka und am darauffolgenden, dem 5. August, nach Prijedor. Die Journalisten wurden in Begleitung einer Militäreskorte nach Omarska und Trnopolje gebracht. Ein Artikel von Roy Gutman über Omarska mit dem Titel "Todeslager" war am 2. August in "Newsday" erschienen, und die Erwartungshaltung der Redaktionen in London war gewaltig. Marshall schrieb nach der Rückkehr in einem Artikel für die "Sunday Times", dass sie und Williams von ihren Chefredaktoren die Order erhalten hatten, nichts zu senden, bevor sie die Geschichte über die Lager im Kasten hatten.

Der Besuch des Lagers Omarska war für das Reporterteam eine bedrückende Erfahrung, aber auch eine Enttäuschung: Lagerinsassen, die von Wärtern mit Schnellfeuerwaffen bewacht wurden, und ausgehungerte Menschen, die offensichtlich eingeschüchtert waren und nicht mit den Journalisten sprechen wollten. Dennoch: Die Aufnahmen, die sie machten, waren "nicht schockierend", waren "nicht der Beweis für Folter und Mord", kommentierte auch Monika Gras in ihrer Südwestfunk-Reportage "Omarska - Das Todeslager". Marshall und Williams waren verärgert, weil ihnen trotz des Versprechens von Karadzic nicht erlaubt wurde, alle Gebäude zu betreten. Nach einem erfolglosen Wortduell mit den Militärs machten sie sich auf den Weg zur letzten Station ihrer Reise: Trnopolje, nur wenige Kilometer von Omarska entfernt.

Die Reporter filmten dort im Schulgebäude, das mit Matratzen und notdürftigen Schlafplätzen überfüllt war, im Bürgerhaus, wo sich das gleiche Bild zeigte, und im Aussenbereich, wo sich mehrere hundert Menschen aufhielten. Am gleichen Tag, als die Reporter eintrafen, war eine Gruppe von Muslimen aus dem Lager Keraterm gebracht worden.

Im mehrstündigen Filmmaterial, das aufgenommen und tags darauf in Budapest bearbeitet, nach London gesendet und abends ausgestrahlt wurde, fanden sich auch Aufnahmen von Gesprächen der Journalisten durch den Stacheldrahtzaun hindurch mit Muslimen, darunter Fikret Alic. Diese Aufnahmen, die den Eindruck erweckten, das Lager sei von Stacheldraht umgeben, kamen zustande, indem Marshall und ihr Kameramann Irvin von einer Strassengabelung von Süden her das mit Stacheldrahtzaun umzäunte Grundstück betraten. Dort gab es vor dem Krieg Agrargüter zu kaufen, und auch Baugeräte wurden dort füher untergebracht. Um das Material vor Diebstahl zu schützen, wurde lange vor dem Krieg ein Stacheldrahtzaun errichtet. Die Journalisten passierten zunächst das Trafohäuschen und die Scheune und näherten sich dann dem Stacheldrahtzaun an der Nordseite, wo sich rasch Neugierige versammelten. Vom Innenbereich dieses Grundstücks wurden die berühmten Aufnahmen gemacht.

Das unbearbeitete ITN-Filmmaterial, das ich einsah, zeigte mir, auf welche Einstellungen der Kameramann aus war. Er zoomte von verschiedenen Positionen aus durch den Zaun hindurch, stellte mal den Maschendraht und mal den Stacheldraht scharf. Das Kameraauge war auch stets auf der Suche nach abgemagerten Menschen. Alic, der am 17. August 1992 auf der Titelseite der "Time" abgebildet wurde, bot das passende Profil. Die Mehrheit der Flüchtlinge war zwar von den Kriegsmonaten gezeichnet, ihre Statur war mit der von Alic aber nicht vergleichbar.

Kein Wort zum Stacheldraht

Marshall schrieb in ihrem Artikel für die "Sunday Times": "Jeremy Irvin, unser Kameramann, wusste, dass er mit starken Bildern aus Prijedor zurückgekehrt war. Aber erst als wir die Aufnahmen in unserem kleinen Filmstudio in Budapest betrachteten, begannen wir, ihre Wirkung zu erahnen." Vulliamy fasste diese Wirkung in seinem Buch "Seasons in Hell" zusammen: "Mit seinem Rippenkäfig hinter dem Stacheldrahtzaun von Trnopolje wurde Alic zur symbolischen Figur des Krieges, auf jedem Magazinumschlag und Fernsehbildschirm der Welt" (Seasons in Hell. Simon & Schuster, London 1994, S. 202).

Als ich Trnopolje besuchte, sprach ich mit Familie Baltic, die das Gelände von früher her kannte. Der 17jährige Dragan ging bis etwa April 1992 in Trnopolje zur Schule. "Ausser im vorderen Kreuzungsbereich, um diese Art Scheune herum, hat es nirgends einen Stacheldrahtzaun gegeben", erklärte er mir. Seine 19jährige Schwester Dragana bestätigte dies und fügte hinzu, dass es an der Strasse auf Höhe der Schule einen kleinen, etwa einen Meter hohen Metallzaun gab. Er steht noch heute und ist auch auf den ITN-Bändern zu sehen. Flüchtlinge lehnen daran, und an anderer Stelle springen sie darüber. Dragana erinnerte sich daran, dass es im vorderen Strassenbereich, anschliessend an den Stacheldrahtzaun, schon vor dem Krieg einen kleinen, etwa ein Meter zwanzig hohen Maschendrahtzaun gab, "wie man ihn für die Hühnerhaltung verwendet".

Pero Curguz traf ich in seinem Büro in Prijedor. Er leitet das regionale Rote Kreuz, war während des Betriebs des Flüchtlingszentrums in Trnopolje und wurde im August 1992 auch vom britischen Reporterteam interviewt. Er erklärte damals, die Menschen seien freiwillig auf das Gelände gekommen, um Schutz zu suchen. Er berichtete mir, dass zu keiner Zeit des Lagerbetriebs irgendein Zaun aufgestellt wurde. Im Gegenteil: Als andere Lager in Keraterm und Omarska geschlossen wurden, sei Trnopolje überfüllt gewesen. Bis zu 7500 Menschen seien dort gleichzeitig untergebracht worden. Die Flüchtlinge hätten auch die Zäune in der Umgebung eingerissen, um sich Zelte und kleine Schutzhütten zu bauen. Curguz insistierte, dass es sich nicht um ein Gefangenenlager gehandelt habe, sondern ein Sammelzentrum für vertriebene Muslime. Dem ITN-Filmmaterial konnte ich entnehmen, dass das grosse Lagergelände zum Zeitpunkt der Aufnahmen nicht mit Stacheldraht umzäunt war. Man erkennt deutlich, dass sich die Menschen auf der Strasse und auf dem Gelände bewegten und einige sich bereits kleine Schutzzelte errichtet hatten. Auch auf dem mit Stacheldraht eingezäunten Grundstück sieht man eine Gruppe von etwa 15 Personen, darunter Frauen und Kinder, unter einem Baum im Schatten sitzen. In einer weiteren Bandsequenz sah ich noch einmal die kurz zuvor eingetroffene Gruppe von Männern aus Keraterm aus anderer Perspektive. Der Kameramann stand nicht mehr im Stacheldrahtgelände, sondern etwa 20 Meter westlich daneben. Die Flüchtlinge standen hinter einem weiteren niedrigen Maschendrahtzaun, der sich an den Stacheldrahtzaun um das Scheunengrundstück anschloss und bis zur hinteren Ecke der Sporthalle reichte. Sie warteten dort auf ihre Registrierung und auf weitere Anweisungen, erklärte mir Igor Curguz, ein ehemaliger Lagerwärter.

Wie man wohl mit einem solchen "Scoop" noch ruhig schlafen könne, fragte ich mich. Vulliamy hatte seine Reportage bereits einen Tag nach dem Besuch Trnopoljes fertiggestellt. Sein Artikel erschien am 7. August im "Guardian", wenige Stunden nachdem die ITN-Bilder erstmals am Abend des 6. August ausgestrahlt wurden. Auffällig ist, dass Vulliamy, der bei der Fertigstellung seines Textes den ITN-Fernsehbeitrag vermutlich noch nicht gesehen hatte, kein Wort über einen Stacheldrahtzaun verlor und zudem auch korrekt festhielt, dass Trnopolje nicht als Konzentrationslager bezeichnet werden könne. Seine recht ausgewogene und objektive Darstellung der Situation enhielt auch die Wiedergabe von Gesprächen mit vertriebenen Muslimen, die ihm berichteten, dass keine Gewalt gegen sie angewendet wurde und der Platz ihnen eine gewisse Sicherheit bot.

Der Tonfall des "Guardian"-Reporters bei der Beschreibung seiner Eindrücke von Trnopolje sollte sich aber bis zur Herausgabe seines Buches "Seasons in Hell" 1994 drastisch ändern. Anscheinend beflügelt von der Resonanz auf die Bilder, änderte er einige Passagen, und der Stacheldraht, den er in seinem ersten Artikel nicht einmal für erwähnenswert hielt, bekam auf einmal eine zentrale Bedeutung. Seine ersten Eindrücke von Trnopolje beschrieb er nun wie folgt: "Noch mehr schmutzige Wege, noch mehr abgebrannte Dörfer und letztlich etwas, was früher eine Schule war und ein weiterer erschreckender Unglücksort: ein überfülltes Lagergelände, umgeben mit Stacheldrahtzaun" (S. 104). Inar Gnoric, eine Muslimin, unterhielt sich mit Vulliamy in Trnopolje und erzählte ihm, dass sie aus Sicherheitsgründen freiwillig gekommen war. Im "Guardian"-Artikel wurde sie von Vulliamy mit den Worten zitiert: "Hier ist es sicherer, aber wir wissen nicht, welchen Status wir haben. Wir sind Flüchtlinge, aber es gibt Wärter und den Drahtzaun." Welchen Zaun sie auch immer gemeint haben mag: In Vulliamys Buch findet sich das Zitat in etwas abgewandelter Form, am Ende spricht Gnoric von einem Stacheldrahtzaun.

Wachsendes Selbstvertrauen im Umgang mit dem Stacheldrahtbild liess sich auch bei Marshall beobachten. Sie schrieb einen grossen Bericht für die "Sunday Times" am 16. August 1992. Dieser wirkte stellenweise wie eine Entschuldigung, so als sei ihr der Trubel um die besagten Bilder unangenehm gewesen. Sie verwies auf ihren Kameramann Irvin, der die Aufnahmen gemacht hatte, und auf ihren Chefredaktor, der bereit war, das Risiko des Unternehmens zu tragen.

Marshall erwähnte in ihrem ersten Artikel entgegen Vulliamy den Stacheldrahtzaun. Sie schrieb schlicht: "Draussen gab es Stacheldraht." Ihre Eindrücke bei einem zweiten Besuch des Lagers wenige Tage später hielt sie im gleichen Artikel wie folgt fest: "Draussen hatte sich das Lager in der Woche seit unserem ersten Bericht verändert. Der Stacheldrahtzaun war entfernt worden, und die Serben hatten den Gefangenen Material überlassen, um sich Schutzhütten zu bauen."

Kein Konzentrationslager

Die Schwachstelle ihrer Reportage, der Stacheldrahtzaun, war verschwunden. Doch Marshall hatte die Wahrheit geschrieben, denn die Zäune, die ihr Kameramann beim ersten Besuch filmte, wurden tatsächlich bis zu ihrer Rückkehr fast alle entfernt. Das konnte ich dem Filmmaterial entnehmen, das sie vom zweiten Besuch mit nach Hause brachte. Stehen blieben lediglich der niedrige Metallzaun um das Schulgebäude, einige kurze Zaunpfosten im Bereich der Strasse und um die Scheune mächtige Metallpfosten, an denen der Stacheldrahtzaun zuvor befestigt war. An der Westseite dieses Grundstücks blieben bis heute Reste des Stacheldrahts hängen.

Vulliamy schrieb in seinem Buch: "Vier Tage nach unserem Besuch in Trnopolje wurde der Zaun entfernt..." (S. 113). Auch er liess so das in der Öffentlichkeit verankerte Bild, das gesamte Gelände sei von Stacheldraht eingezäunt gewesen, unangetastet. Die unmenschlichen Zustände während des Krieges erscheinen für Beobachter in Westeuropa schwer nachvollziehbar und die Existenz solcher Zentren wie Trnopolje, in denen Menschen unter erbärmlichen Bedingungen lebten, zu Recht als Qual. Doch in Zeiten des Krieges sind zivile Normen nicht mehr gültig, und unter Berücksichtigung dieser Umstände lässt sich sagen, dass in Trnopolje das Leben relativ geordnet ablief. Meine Nachforschungen liessen mich zum Schluss kommen, dass die Bezeichnung dieses Ortes als Gefangenen- oder gar Konzentrationslager in dem Sinne, dass dort Menschen als Teil eines rassistischen Aggressionsplanes getötet und misshandelt wurden, jeglicher Grundlage entbehrt. Zweifelsohne kam es auch in Trnopolje zu Übergriffen und auch zu Vergewaltigungen und Morden. Doch so befremdlich es sich anhören mag: Hätte es dieses Zentrum für Vertriebene zum Zeitpunkt einer enormen Brutalisierung des Krieges und den Schutz durch serbische Soldaten nicht gegeben, hätten wohl weit mehr schutzlose muslimische Zivilisten ihr Leben verloren.

Die ITN-Reportage hatte ein falsches Bild des Lagers Trnopolje geliefert, und sie hatte auch Einfluss auf die westliche Politik gegenüber den bosnischen Serben. Eine Welle verschärfter Repressionen bis hin zur Androhung von Militärschlägen waren die Folge. Auch beim ersten Prozess des Kriegsverbrechertribunals in Den Haag gegen den bosnischen Serben Dusko Tadic spielte der Stacheldrahtzaun eine bedeutende Rolle. Tadic wurde vom Zeugen "L" - später bekannt als Dragan Opacic und überführt, von der Polizei in Sarajevo zur Falschaussage gezwungen worden zu sein - beschuldigt, im Lager Trnopolje an Morden und Vergewaltigungen teilgenommen zu haben. Opacic hatte am 15. August 1996 im Gerichtssaal in Den Haag auf eine Skizze gezeichnet, wie der Stacheldrahtzaun angeblich das gesamte Lagergelände einzäunte.

Auch Vulliamy wurde in den Zeugenstand geladen. Am 6. und 7. Juni 1996 gab er seine Erfahrungen über verschiedene Aspekte des Balkankriegs wieder. Seine Ausführungen wurden über weite Strecken vom Abspielen von ITN-Bändern begleitet. Als sich Vulliamy der Stelle mit dem Stacheldrahtbild mit Fikret Alic näherte, bat er darum, das Videogerät abschalten zu lassen: "Ich weiss nicht, wer darüber mehr verblüfft war, die anderen zu sehen. Wir, die wir die Leute hinter dem Stacheldrahtzaun erblickten, oder sie, die eine Gruppe von Leuten mit Notebooks und Kameras aus dem Bus steigen sahen. Wir liefen ihnen über ein Stück Land entgegen. Wir haben einigen von ihnen die Hände geschüttelt. Das war verwirrend. Ich beschreibe, wer hinter dem Zaun war, lieber mit abgeschaltetem Video, weil ich es besser kann, wenn ich nicht versuche, den Bildverlauf zu kommentieren."

Warum Vulliamy gerade diese eindrucksvollen Szenen nicht vorgeführt sehen wollte? Meine spontane Idee war, dass er möglicherweise Rückfragen über den Stacheldraht vermeiden wollte. Die Krönung offerierte mir Rechtsanwalt Wladimiroff. Er erzählte mir, dass er Opacic, einen Tag nach seiner Entlarvung als Lügner, über die Hintergründe seiner Falschaussage befragte. Opacic berichtete, dass ihm in Polizeigewahrsam in Sarajevo Videoaufnahmen von Dusko Tadic und von Trnopolje, das er nur flüchtig kannte, vorgeführt wurden. Darunter sei auch das Filmmaterial von ITN mit dem Stacheldrahtzaun gewesen. Wäre Opacic nicht vorzeitig der Lüge überführt worden, hätte Tadics Verteidiger den Stacheldraht zur Sprache gebracht, und möglicherweise wäre schon dann das ITN-Bild aufgeflogen.

* Thomas Deichmann (34) ist freier Journalist, Novo-Redaktor und Mitarbeiter des "London International Research Exchange". Eine Dokumentation seiner Untersuchungen mit Interviews, Fotos und Skizzen erscheint in diesen Tagen (Thomas.Deichmann@t-online.de).

Quelle: http://www.weltwoche.ch/archiv/ausland/02.97.bosnien.html


Propagandamaterial als Beweismittel im Prozeß gegen Ex-Präsidenten Slobodan Milosevic

ARD-Tagesschau vom 14.2.2002 zeigt das Propaganda-Bild unkommentiert

Bildunterschrift im Online-Angebot der Tagesschau:

"Beweisvideo im Prozess: Gefangene im Lager Trnopolje in Bosnien im Sommer 1992"

Ohne auf die bewußte Manipulation einzugehen, die mit dem Videomaterial des britischen Fernsehsenders ITN betrieben wurde, greift die Tagesschau ein Bild aus dem Videomaterial auf, das wie kaum ein anderes zur Stimmungmache gegen "Die Serben" verwendet wurde, indem es suggerierte, "Die Serben" würden Konzentrationslager errichtet haben.

In der WDR-Sendung Polis vom 24.9.2001 heißt es dazu: "In Bosnien wurden 1992 Fernsehbilder aus angeblichen Folter-KZs ausgestrahlt - nicht nur wider besseres Wissen, sondern bewusst gefälscht. Ein bis auf die Knochen abgemagerter Mann mit nacktem Oberkörper hinter Stacheldrahtzaun wurde zum bekanntesten Bild des Krieges: ein britisches Kamerateam hatte die Aufnahmen gemacht, sie dienten lange Zeit als Beweis für die Existenz von Konzentrationslagern in Bosnien. Erst nach dem Krieg wurde die Szene als Fälschung entlarvt."

In der Tagesschau vom 14.2.2002 ist das alles offensichtlich "vergessen". Die Fragwürdigkeit des Beweismaterials wird in keiner Weise thematisiert. Stattdessen werden der WDR-Monitor-Beitrag über das angebliche Massaker von Racak vom 8.2.2001 und die entlarvende Dokumentation "Es begann mit einer Lüge" vom 8.2.2001, die Milosevic zu seiner Verteidigung heranzieht, in ihrer Aussagekraft relativiert.

Im Monitor-Beitrag zu Racak war dargelegt: Die Ergebnisse legen den Schluß nahe, daß die Szene in diesem kleinen Tal arrangiert gewesen war, so die leitende Pathologin Dr. Helen Ranta, die im November 1999 die Untersuchungen an den Leichen durchgeführt hatte. Und diese Schlußfolgerung sei auch an den Gerichtshof in Den Haag weitergegeben worden. Dr. Helen Ranta: "Botschafter Walker kam am Samstag nach Racak, und es war seine persönliche Entscheidung von einem 'Massaker' zu sprechen." Und General a.D. Heinz Loquai (OSZE): "Walker hat etwa 30 Journalisten um sich versammelt, ist mit ihnen dahin gefahren, und hat nach kurzer Zeit verkündet, daß es sich um ein Massaker der Serben handele... Mit diesem Verhalten hat Walker die Lunte zum Krieg gezündet."

Im Tagesschau-Beitrag dagegen heißt es:

"Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic hat bei seiner ersten Verteidigungsrede vor dem UN-Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag die gegen ihn erhobenen Vorwürfe pauschal zurückgewiesen. Der Prozess gegen ihn beruhe auf Lügengeschichten und sei "eine Schandtat gegen eine ganze Nation". Alle Anklagepunkte seien Fälschung.

Milosevic warf der NATO Propaganda und Völkermord vor. Die NATO-Angriffe auf das Kosovo im Jahr 1999 stellten eine "Verletzung des internationalen Rechts" dar und seien deshalb als Kriegsverbrechen zu bewerten. NATO und Westen hätten den Krieg gegen Jugoslawien mit "einem Ozean von Lügen" gerechtfertigt.

Als Untermauerung seiner Rede zeigte Milosevic ein Video, das Ausschnitte aus der WDR-Sendung "Monitor" vom 8.Februar 2001 und einem anschließend an die Sendung gezeigten Film "Es begann mit einer Lüge" enthielt. In der umstrittenen Dokumentation meldeten die WDR-Autoren Zweifel an der Berichterstattung über den Kosovo-Krieg an. Außerdem enthielt das Milosevic-Video Ausschnitte aus einem Film des britischen Senders BBC.

Am Mittwoch hatte Milosevic das Tribunal erneut als nicht rechtmäßig bezeichnet. Richter May erklärte die Auffassung Milosevics über die Rechtmäßigkeit des Tribunals für belanglos. Das Gericht habe hierzu bereits alle Fragen entschieden. Zuvor hatte die Anklage beim UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ihre Vorwürfe gegen Milosevic mit drastischen Bildern und Videoaufnahmen untermauert.

Milosevic muss sich seit Dienstag vor dem UN-Tribunal verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, während der drei zwischen 1991 und 1999 geführten Kriege auf dem Balkan Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Milosevic wird für den Tod von 900 Kosovo-Albanern und für die Vertreibung von 800.000 Zivilisten verantwortlich gemacht. Zudem wird ihm der Tod Hunderter Kroaten und die Deportation von 170.000 Menschen aus Kroatien vorgeworfen. Die Anklage zum Bosnien-Krieg wirft Milosevic Völkermord vor und Schuld an der Vertreibung und Inhaftierung von mehr als 250.000 Menschen."

Quelle: http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,2044,OID556296,00.html


Unter den Trümmern der Dresden-Debatte liegen die Leichen des Jahres 1999

Jürgen Elsässer in 'junge Welt' vom 14.02.2005 - "Vergessene Bombenopfer"

Das Gedenken gilt nur denen, die vor 60 und mehr Jahren ermordet wurden. Die Toten der letzten sechs Jahre werden beschwiegen, vor allem die jugoslawischen

Ganz Deutschland trauert. Die eine Hälfte gedenkt der toten Deutschen, die im Zweiten Weltkrieg zum Beispiel in Dresden Opfer alliierter Luftangriffe wurden. Die andere Hälfte gedenkt der toten Juden, die zur selben Zeit zum Beispiel in Auschwitz vergast wurden. Kein Fernsehabend ohne marschierende SS-Leute, den geifernden Hitler, Krematorien vor untergehender Sonne. Guido Knopp, Lea Rosh oder Jörg Friedrich langweilen auf allen Kanälen.

Sieg über den Rest der Zeit

Je weiter das Nazireich in die Vergangenheit entschwindet, um so manischer die Beschäftigung damit. Nie wurde das Leiden der Verfolgten schöner beschworen als von Iris Berben, nie der Führer mehr vermenschlicht als von Bruno Ganz. Nie war Deutschland mehr in die eigene Geschichte vertieft – und die Regierung und das Kapital profitieren davon. Denn wer traut sich im Schatten der Shoa und des sogenannten Bombenholocausts noch solche Banalitäten zu beklagen wie sechseinhalb Millionen Arbeitslose?

Der Sieg der Vergangenheit über den Rest der Zeit geht mit einem Vergessen der Opfer der Gegenwart einher. In den vergangenen zwei Tagen schlugen sich einige tausend Leute in Dresden beinahe die Köpfe über die Frage ein, ob die Stadt vor 60 Jahren zu Recht oder zu Unrecht bombardiert wurde, ob es sich dabei um barbarische Massenvernichtung (so die Nazis), um antifaschistische Befreiung (so die sogenannten Antideutschen) oder um ein bißchen von allem (so die Stadtverwaltung und die Kerzenträger) handelte. Man wünschte sich, daß es eine ähnliche heftige Diskussion und ähnlich gut besuchte Demonstrationen wegen der Bombenopfer der vergangenen sechs Jahre gäbe. Wer beweint die Toten von Belgrad und Novi Sad, von Kabul und Tora Bora, von Bagdad und Falludscha?

Unter den Trümmern der Dresden-Debatte liegen vor allem die Leichen des Jahres 1999 – sie sind noch mehr vergessen als die toten Afghanen und Iraker. Dabei war es gerade die NATO-Aggression gegen Jugoslawien, die ohne die Antreiberei der Bundesregierung nie stattgefunden hätte. »Die Amerikaner waren nicht sehr interessiert, sich auf dem Balkan zu engagieren. Die Europäer haben die Amerikaner gedrängt«, bilanzierte Wolfgang Schäuble im April 1999, auf dem Höhepunkt der Luftangriffe.

Tödliche Politik Schröders

Die NATO bombardierte Jugoslawien 78 Tage lang ununterbrochen. Nach eigenen Angaben wurden 38400 Einsätze geflogen und 23614 Sprengsätze abgeworfen, darunter langfristig radioaktive und toxische Uranmunition im Gesamtgewicht von etwa zehn Tonnen. Zwar flogen US-Jets etwa 95 Prozent der Angriffe, aber speziell ausgerüstete deutsche Tornados waren für Zielaufklärung, Ausschaltung der gegnerische Luftabwehr und Flankenschutz unersetzlich. Trotz dieses Luftterrors gelang es dem Nordatlantikpakt lediglich, 14 Panzer, 18 Truppentransporter und 20 Artilleriegeschütze der Jugoslawen auszuschalten. Gleichzeitig wurden 82 Brücken, 422 Schulen, 48 Einrichtungen des Gesundheitswesens, 74 TV-Stationen und Transmitter sowie zahlreiche Elektrizitätswerke, Fabriken und Straßen zerstört. Nach Angaben der jugoslawischen Regierung starben mehr als 2000 Zivilisten unter den Bomben, ein Drittel davon Kinder und Jugendliche.

Müßte eine gegenwartsbezogene Linke in diesem Land nicht genau das thematisieren – also die tödliche Politik eines Kanzlers, der noch im Amt ist, anstatt jenes anderen, der schon vor 60 Jahren in sein Walhalla flüchtete?

Quelle: http://www.jungewelt.de/2005/02-14/004.php


Sarajewo 5.2.1994 - Bomben für den Frieden

Ralph Hartmann in 'Ossietzky', Ausgabe 8/2005

„Bomben für den Frieden. Stoppt die Nato die Serben?“ Mit dieser Schlagzeile überschrieb der 'Spiegel' im Februar 1994 seine Titelgeschichte über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina. Was war geschehen?

Fernsehbilder vom 5.2.1994 Fernsehbilder vom 5.2.1994 Fernsehbilder vom 5.2.1994

Am 5. Februar 1994 waren bei einem Bombenanschlag auf den kleinen Markale-Marktplatz in Sarajewo 68 Menschen ums Leben gekommen und 200 verletzt worden. Die Nachrichten und Filmberichte der Medien über das blutige Massaker verbreiteten weltweit Entsetzen. Was die deutschen Fernsehstationen sendeten, ging bis an die Grenze des Erträglichen. Die Bilder der verstümmelten Leichen, der toten Kinder, der blutüberströmten Männer und Frauen, aufgenommen mit einer hin- und herzuckenden Kamera, trugen das Grauen in jedes Wohnzimmer, und ein spontanes Verlangen ward übermächtig: Dieses Blutvergießen muß beendet werden, den Mördern muß das Handwerk gelegt werden!

Die Kommentatoren der schockierenden Bilder wiesen den Gefühlen Richtung und Ziel. Die Explosion hatte sich gerade ereignet, die UNO-Beobachter und Blauhelme vor Ort hatten mit der Untersuchung von Ursachen und Schuld noch nicht einmal begonnen, da wußte der ARD-Korrespondent Friedhelm Brebeck in seinem erschütternden Tagesschau-Bericht vom 5. Februar schon, daß es sich um eine »serbische Granate« gehandelt habe.

Dabei blieb es, auch als es sich herausstellte, daß die Opfer an der unteren Körperhälfte getroffen waren, niemand an diesem Tag überhaupt einen Granatenabschuß in Sarajewo gehört hatte, auf dem Marktplatz keine Granatenteile zu finden waren und die moslemische Seite sich mit der Begründung, mit Mördern könne man nicht zusammenarbeiten, weigerte, einer nationalen Untersuchungskommission zuzustimmen. Als dann schließlich international Berichte erschienen, die Explosion sei von moslemischer Seite herbeigeführt worden, und die UNO in einem offiziellen Untersuchungsbericht von der »Unmöglichkeit« sprach, »die Granate vom 5. Februar einer der beiden Seiten – der serbischen oder der bosnischen – zuordnen zu können«, wurde das von der Mehrheit der bundesdeutschen Medien ignoriert. Einmal Serben, immer schuldig! Es gab keinen Grund, sie zu entlasten, zumal dem eiligen Schuldspruch unter dem Beifall der erregten Öffentlichkeit die Strafe auf dem Fuße gefolgt war: Die NATO drohte den Serben mit dem Einsatz der Luftwaffe.

Als sich am 20. August 1995 auf dem selben Marktplatz ein zweiter Anschlag ereignete, dem 37 Menschen zum Opfer fielen, wurde ungeachtet anderer Erkenntnisse den Serben wiederum die Schuld zugeschoben. Und die NATO begann ein zeitlich unbefristetes Dauerbombardement gegen die serbische Bürgerkriegspartei. Der Kriegspakt hatte den Angriff lange zuvor geplant. Die Toten von Sarajewo lieferten lediglich den Politikern und Militärs den Vorwand und den Propagandisten die grauenhaften Bilder der Opfer der Gewalt, die ihrerseits nach Gewalt schrieen. Den Serben wurde ein Kainsmal eingebrannt, „Markale“ wurde zum Symbol ihrer Grausamkeit.

In jüngster Zeit ist die Diskussion um die Schuldigen an dem Massaker jedoch wieder aufgeflammt. Die kroatische, in Zagreb erscheinende Wochenschrift Globus berichtete, daß nicht die Serben die Bluttat begangen haben, sondern daß der Kommandeur des Kroatischen Verteidigungsrates HVO (Hrvatsko vijece obrane) im Raum Sarajewo, Ivica Rajic, verdächtigt wird, dafür verantwortlich zu sein. Globus berief sich dabei auf ein zehnseitiges Geheimdossier des kroatischen militärischen Abwehrdienstes.

Der auflagenstärksten Belgrader Zeitung, Vecernje novosti, gab dieser sensationelle Bericht Veranlassung, mit dem in Petersburg lebenden ehemaligen russischen Obersten Andrej Demurenko, 1994 Stabschef eines Sektors der UN-Blauhelme in Sarajewo und Kommandant des russischen UNPROFOR-Kontigents, zu sprechen. Dieser berichtete, auf Druck der Amerikaner sei unmittelbar nach der Explosion auf dem Markt in Sarajewo eine Analyse erstellt worden, die den Serben die Schuld zuwies. Nach einer Untersuchung des Ortes, von dem angeblich serbische Granatwerfer das tödliche Geschoß abgefeuert hatten, sei er, so Demurenko, zu dem Schluß gekommen, daß von dieser Stelle nach allen militärtechnischen Gesichtspunkten unter keinen Umständen der Marktplatz zu treffen war. Nachdem er darüber die Medien informiert habe, hätten die Amerikaner von Moskau seine sofortige Ablösung verlangt. Noch heute sei er der festen Überzeugung, daß weder die Kroaten, also auch nicht Rajic, noch die Serben den Platz bombardiert hätten, sondern daß es sich nach allen Anzeichen bei der Explosion um einen ferngesteuerten Sprengsatz gehandelt habe. Die Amerikaner seien nicht bereit gewesen, diese Variante zu untersuchen.

Im Unterschied zu dem russischen Offizier geht der damalige Kommandeur der UN-Friedenstruppen, der französische General Philippe Morion, von einem Beschuß des Marktes aus. Bereits im vergangenen Jahr erklärte er in einem Interview für die in Sarajewo erscheinende Zeitung Slobodna Bosna, er wisse nicht, wer die Granate auf Markale abgefeuert habe: „Die bosnische Regierung unter Izetbegovic hat einen guten Grund gehabt, daß das geschah. Alle hatten einen guten Grund, daß das geschah, sogar dafür, auf die eigene Bevölkerung zu schießen.“

In die gleiche Richtung, wenn auch wesentlich direkter, wies die französische Krankenschwester Ives Crepen, die 1994 der UNPROFOR zugeordnet war. Im Prozeß gegen Slobodan Milosevic vor dem Haager Tribunal sagte sie aus, daß alle Experten und Offiziere vor Ort überzeugt waren, daß das Massaker das Werk moslemischer Kräfte gewesen sei.

Major Pierre-Henri Bunel, der als Stabschef im Büro des französischen Vertreters im Militärausschuß der NATO diente und Belgrad vor dem Überfall auf Jugoslawien ein detailliertes Einsatzkonzept mitsamt der Ziele der Luftangriffe zugespielt haben soll, sieht dagegen in ausländischen Kräften die Verantwortlichen für den Anschlag. In seinem Buch „Kriegsverbrechen in der NATO“ bezeichnete er die Serben als die „wahren Opfer der Bombardierung von Markale“. Befragt, wie er zu dieser Schlußfolgerung komme, äußerte er gegenüber der bereits erwähnten Vecernje novosti: „Darüber gibt es Geheimdienstangaben... Es gibt interessante Befunde des Radars Cimbelin (für die Beobachtung der Flugbahn von Minenwerfergeschossen) mit den Koordinaten darüber, woher die Projektile abgeschossen wurden. Zwei Radare haben uns bestätigt, daß die Lokalität, von der aus geschossen worden war, in der Nähe der Moslems lag. Während meiner Dienstzeit habe ich geheime Aufnahmen gesehen, auf denen Leute auf Motorrädern auf die moslemische Seite flüchteten, und zwar genau von dem Ort aus, von dem gefeuert worden war. Diese Personen ähnelten überhaupt nicht Jugoslawen. Im Gegenteil, sie ähnelten Russen oder Amerikanern. Das waren große Leute mit blonden Haaren.“

Dragan Todorovic, Vorsitzender des Exekutivausschusses der Serbischen Radikalen Partei, schließt Russen als Täter völlig aus. Nach seiner Auffassung wurden die Markale-Verbrechen vom CIA organisiert.

Wie dem auch sei, die Aussagen sind unterschiedlich, zum Teil widersprechen sie einander. In einem aber stimmen sie überein: Es waren nicht die Serben, die die folgenschweren Anschläge verübten. Doch weder der Spiegel noch die anderen Medien, die seinerzeit so schreiend und rachedurstig über die serbische Untat auf dem kleinen Stadtmarkt in Sarajewo berichtet haben, verschwenden bisher auch nur eine Zeile über die jüngsten Enthüllungen. Warum sollten sie auch? Hat doch Markale seinen Zweck erfüllt, genauso wie später das angebliche Massaker an der albanischen Zivilbevölkerung in Racak: Die NATO-Raketen konnten fliegen – „für den Frieden“.


Anmerkung: Die Rolle, die die Medien in Zusammenhang mit der Explosion auf dem Marktplatz von Sarajewo gespielt haben, wird auch heute noch von interessierten Kreisen gepriesen. "Denn nicht der Granatenangriff auf den Marktplatz von Sarajewo hat 1994 dazu geführt, dass die NATO in den Balkankrieg eingriff, sondern die Fernsehbilder von dem Massaker." So lesen wir etwa 10 Jahre später in 'aktuell - Zeitung für die Bundeswehr' (in der Ausgabe vom 5.1.2004), ohne daß darin irgendwelche Fragen nach der Urheberschaft gestellt würden.


>>> Der Fall 'Srebrenica' >>>