Kriegserklärung an alle, die sich nicht auf die Seite der USA stellen, und andere Reden über den Kampf gegen 'das Böse' überall auf der Welt (3)
George W. Bush, Gerhard Schröder, Joseph Fischer...
1. Reden vor Beginn des Feldzuges gegen Afghanistan - September 2001:
2. TV-Ansprache von US-Präsident George W. Bush vom 7.10.2001:
3. Reden von Bundeskanzler Schröder und Außenminister Fischer Okt./Nov. 2001:
4. Rede von US-Präsident George W. Bush vor Soldaten vom 21.11.2001:
5. Bericht zur Lage der Nation, US-Präsident George W. Bush am 29.1.2002:
6. Rede von US-Präsident George W. Bush am 1.6.2002 vor der West Point Militärakademie:
7. Bericht zur Lage der Nation, US-Präsident George W. Bush am 28.1.2003:
8. Wie US-Präsident George W. Bush den Raubüberfall auf den Irak verkauft:

Schröder: "Deutschland wird ... seinen Beitrag leisten"

Aus einer Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Berlin, 7.10.2001 (Auszüge: dpa)

(...) An den Operationen ist Großbritannien beteiligt. Zur Zeit nehmen keine deutschen Soldaten teil. Deutschland wird aber ebenso wie Frankreich im weiteren Verlauf seinen Beitrag leisten, sobald das konkret erbeten wird und naturgemäß, soweit uns das von unseren Fähigkeiten her objektiv möglich ist.

Die militärischen Operationen, das gilt festzustellen, sind nur Teile eines sehr umfassenden Ansatzes zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Eines Ansatzes, den wir wirklich in vollem Umfang unterstützen und begrüßen. Sie gehen mit diplomatischen Bemühungen - sie kennen die Anstrengungen die der Bundesaußenminister (Joschka Fischer, Grüne) insbesondere im Nahen Osten unternommen hat und weiter unternimmt - einher. Sie gehen aber auch mit Maßnahmen einher, die Finanzströme der Terroristen auszutrocknen. Das, was die G-7-Finanzminister gerade dazu in Washington beschlossen haben, mag beispielhaft dafür sein.

Wichtig sind uns beiden aber auch die humanitären Anstrengungen, die unternommen werden, um das durch die Taliban verursachte Elend des afghanischen Volkes aufzufangen, jedenfalls zu mildern. Die Sache, das sage ich mit großem Respekt, dass der amerikanische Präsident 320 Millionen Dollar zur Verfügung gestellt hat, um Nahrungsmittelhilfe zu denen zu bringen, die sonst verhungern würden, zeigt, dass es hier nicht darum geht, einen Angriff gegen das afghanische Volk zu führen, sondern es geht darum, die Unterdrücker des Volkes, die den internationalen Terroristen Unterschlupf bieten, zu treffen.

Deutschland wird sich im übrigen bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems - das ist dem Bundesaußenminister und mir ganz besonders ebenso wichtig - (...) sehr beteiligen, und zwar großzügig. Ich hatte das dem Generalsekretär der Vereinten Nationen gerade erneut zugesagt.

Ich lege im übrigen Wert auf die Feststellung und will das noch einmal unterstreichen, dies ist kein Kampf gegen das afghanische Volk, sondern ein Kampf gegen den Terrorismus und gegen diejenigen, die den Terrorismus unterstützen. (...) Wir haben im übrigen diese Auseinandersetzung nicht gewollt. Er wurde uns vom internationalen Terrorismus aufgezwungen und dies in einer fürchterlichen Weise, in einer Weise der am 11. September zum Tod von über 6000 Amerikanern aber auch Europäern, Chinesen und Arabern geführt hat. Und es ist völlig klar, dass wir dagegen gemeinsam vorgehen müssen und auch gemeinsam vorgehen werden.

(...) Was die Lage in Deutschland angeht, muss nach Beginn der Militäraktionen von einer erhöhten Gefährdungssituation, wie die Fachleute sagen, ausgegangen werden. Gleichwohl, niemand muss Angst habe. Nach wie vor gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für bevorstehende Anschläge in Deutschland, und die Sicherheitsorgane bei uns sind seit längerer Zeit in erhöhter Alarmbereitschaft und in erhöhter Wachsamkeit. Gleichwohl ist größere, noch größere Aufmerksamkeit nötig und die wird auch von den dazu zuständigen Behörden geleistet.


Joseph Fischer: Frage nach Beweisen stellt sich nicht mehr

Rede von Bundesaußenminister Joseph Fischer vor dem Deutschen Bundestag am 11.10.2001

Der 11. September hat uns einen Kampf aufgezwungen, den niemand von uns wollte, nicht die Menschen in den USA, nicht die Regierung der USA, nicht die Führung der NATO, auch nicht die Bundesregierung und die Menschen in Deutschland. Dieser 11. September war ein Angriff auf die Menschen in New York, auf die Regierung der Vereinigten Staaten, er war ein Angriff auf unseren wichtigsten Bündnispartner. Insofern ist Solidarität, umfassende Solidarität, eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Er war auch ein Angriff auf die offene Gesellschaft, ein Angriff auf unsere Demokratie. Insofern sind es unsere elementaren Interessen, die uns zwingen, hier zu widerstehen, ja Widerstand zu leisten.

Es ist eine mörderische, eine totalitäre Herausforderung, vor der wir stehen. Wer gestern im Fernsehen gesehen hat, wie neue Massenmorde angekündigt werden, und wer weiß, dass es sich hierbei nicht mehr nur um Rhetorik handelt, der stellt nicht mehr die Frage nach den Beweisen, die ja vorliegen, die vorhanden sind. Alles zieht sich dorthin zu. Es gibt keine alternativen Erkenntnisse, nicht nur bei uns nicht, sondern auch im gesamten Bündnis und bei anderen Diensten nicht. Nach den vorbereiteten Erklärungen von Bin Laden und nach dem gestrigen Aufruf zu neuen Massenmorden ist völlig klar: Wir stehen hier vor einer internationalen totalitären Herausforderung, die den Islam missbraucht, die die religiösen Gefühle von Menschen missbraucht, um ihre totalitären Ziele mit dem Mittel des Massenmordes durchzusetzen. Und das darf nicht siegen, meine Damen und Herren.

Die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus ist kein Kampf der Kulturen - das anzunehmen wäre der größte Fehler, den wir innen- wie außenpolitisch machen könnten -, aber sie ist ein Wertekonflikt. Die Grundwerte der Demokratie, die Grundwerte der Menschenrechte werden hier infrage gestellt - auf mörderische Art und Weise. Deswegen geht es um die Verteidigung dieser Grundwerte und nicht um ihre Infragestellung. Wie der Bundeskanzler in seiner, wie ich finde, großen Rede heute Morgen klar gemacht hat, muss die Linie sein: Festigkeit und Besonnenheit, Entschlossenheit im Kampf gegen den Terrorismus, Entschlossenheit aber auch in der Verteidigung der offenen Gesellschaft, der Demokratie sowie - ich betone dies - des multikulturellen Charakters der offenen Gesellschaft, den wir haben.

Ich finde, das verdient nachdrücklich Unterstützung.

Die Antwort auf den Terrorismus muss umfassend sein. Das Militärische steht jetzt sehr stark im Vordergrund. Ich kann hier nur unterstreichen, was der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung gesagt hat: Die Antwort muss auf die Lösung ökonomischer und politischer Probleme ausgerichtet sein und wird sehr stark auch des kulturellen Dialogs bedürfen. Die eine Welt ist eben nicht nur eine Sonntagsveranstaltung, sondern sie ist auch voller Konflikte und voller Gefahren.

Aber die eine Welt ist unsere Zukunft. Die Pluralität der Kulturen bedarf nicht der kulturellen Konfrontation, sondern des interkulturellen Dialogs im Zentrum der internationalen Politik.

Wir reden hier über nichts Geringeres als über den Entwurf einer Friedenspolitik im 21. Jahrhundert. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges bedeutet Friedenspolitik in der einen Welt im 21. Jahrhundert internationale Ordnungspolitik im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das heißt, es geht darum, eine Weltordnung zu schaffen, die Zonen der Ordnungslosigkeit oder gar, wie es in weiten Teilen der Fall ist, des völligen politischen Ordnungsverlustes nicht mehr zulässt. Ich sage das nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Bedrohungen, die durch Zonen der Ordnungslosigkeit für uns erwachsen können; die eigentliche Gefahr besteht vielmehr in dem Leid der betroffenen Zivilbevölkerung. Das ist der entscheidende Punkt.

Wenn wir uns in letzter Zeit, was die Schaffung einer Weltordnung angeht, alle miteinander selbstkritisch etwas vorzuwerfen haben, dann vielleicht, dass wir der Illusion einer friedlichen Welt zu sehr erlegen waren. Für die Europäer gilt das zwar weniger, weil der Balkan so nahe ist - aber nur deswegen! Wenn Sie dem zustimmen, dann komme ich - völlig unpolemisch - zu der Frage, ob angesichts der neuen Herausforderungen über das Ziel eines Niedrigsteuerstaats nicht völlig neu diskutiert werden muss. Ich möchte einmal sehr ernsthaft die Frage diskutieren, ob das neue Engagement für eine auf Pluralität gründende Weltordnung, das ein Mehr an Sicherheit im Inneren und Äußeren erfordert und mehr Einsatz in der Außenpolitik, in der Friedenspolitik und in der Entwicklungspolitik notwendig macht, mit den Vorstellungen von einem Niedrigsteuerstaat, denen wir alle angehangen haben, tatsächlich noch vereinbar ist.

Eine Weltordnung schaffen, die allen Völkern die Perspektive voller Teilhabe ermöglicht, das klingt zwar sehr ambitioniert, ist aber nur die Konsequenz aus einem erfolgreichen Kampf gegen den Terrorismus. Lassen Sie mich hier unterstreichen: Multilateralismus und nicht Unilateralismus wird die Welt im 21. Jahrhundert zu bestimmen haben. Auch das ist eine wichtige Konsequenz dessen, was wir erlebt haben.

Dabei gewinnen die Vereinten Nationen eine völlig neue Bestimmung. Bei all den Tragödien, die sich ereignet haben, müssen wir auch das Positive herausarbeiten: dass der Sicherheitsrat jetzt geschlossen handelt, dass das Völkerrecht fortentwickelt wird, und zwar auf eine sehr robuste, handlungsfähige Art und Weise, wie es immer gefordert worden ist. Ich erinnere mich an all die Auseinandersetzungen über die Einsätze auf dem Balkan. Jetzt handelt der Sicherheitsrat geschlossen.

Ich stimme auch Frau Merkel völlig zu - wir haben das schon vorher nachdrücklich unterstrichen -, dass diese Koalition der Staaten die Gemeinsamkeit in den Grundwerten nicht vergessen machen darf: Menschenrechtsverletzungen sind Menschenrechtsverletzungen, auch wenn sie von Koalitionspartnern begangen werden; Unterstützung von Terrorismus ist Unterstützung von Terrorismus, auch wenn sie durch Koalitionspartner erfolgt. So wichtig es ist, dass wir in dieser Auseinandersetzung Festigkeit bewahren, so wichtig ist es auch, dass wir mehr und nicht weniger an Menschenrechtsorientierung brauchen, wenn wir diesen Kampf bestehen wollen.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der in vielen Reden, vor allen Dingen sonntags, diskutiert wird - allerdings weiß ich von vielen Kollegen, dass sie auf diesem Gebiet auch werktags sehr praktische Arbeit geleistet haben -: Was sind die Ziele des islamistischen Terrorismus? Ziel ist die Befreiung der islamischen Welt von äußerem Einfluss, was sich aktuell an den USA festmacht. Ziel ist aber auch - das ist eines der wichtigsten Ziele - die Zerstörung Israels. Hier sind wir besonders gefordert, wenn all die Erklärungen, die wir fraktionsübergreifend immer abgegeben haben und die ich immer ernst genommen habe, ernst gemeint waren. Hier haben wir eine besondere, auch historische Verantwortung und Verpflichtung. Eine Politik, die mit den Mitteln des Terrorismus und des Massenmordes auf die Zerstörung Israels zielt, verdient unseren energischsten Widerstand und den Einsatz aller Möglichkeiten, die wir haben.

Terror gegen Israel ist von uns ohne Wenn und Aber zu verurteilen, egal, ob dieser von Bin Laden, von Hamas, von einem islamischen Dschihad, von der Hisbollah oder von wem auch immer ausgeht. Terrorismus gegen Israel wird von uns nicht akzeptiert. Hier wissen wir uns mit dem Staate Israel und den Menschen dort einig.

Wir betonen hier noch einmal ausdrücklich das Existenzrecht Israels und seinen Anspruch auf sichere Grenzen und Frieden. Hier möchte ich als Freund Israels auch betonen, dass wir, weil wir das Existenzrecht Israels sichern wollen, den Friedensprozess wollen und alles tun werden, um diesen Friedensprozess weiter voranzubringen. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der legitimen Interessen des palästinensischen Volkes; das schließt sein Selbstbestimmungsrecht und die Option auf einen eigenen Staat ein, wie es in der Berliner Erklärung der Europäischen Union während der deutschen Präsidentschaft hier geheißen hat; allerdings unter Wahrung des Existenzrechtes und der Sicherheitsinteressen Israels.

Ich denke, das war eine wichtige Klarstellung, denn in Israel schaut man schon sehr genau danach, wie geschlossen unsere Haltung in diesem Punkt ist. Mir geht es hier gar nicht um kleinliche parteipolitische Aufrechnung. Was wir hier, und zwar alle Fraktionen, in Deutschland bezüglich Israel sagen, tun oder nicht tun, wird dort aufgrund der tragischen historischen Beziehungen besonders wahrgenommen. Ich erlebe das als Außenminister. Insofern weiß ich, wie wichtig es ist, dass wir hier einen partei- und fraktionsübergreifenden Konsens im Deutschen Bundestag haben.

Für mich ist, meine Damen und Herren, neben der Lösung der Regionalkonflikte noch ein anderer Punkt ganz entscheidend: Die Lösung des Nahostkonflikts wird von ganz entscheidender Bedeutung für das Gelingen des Kampfes gegen den Terrorismus sein, nicht aufgrund eines unmittelbaren Zusammenhangs, sondern weil die Gefühle von Millionen von Menschen in der Region missbraucht werden können. Andere Regionalkonflikte, zum Beispiel in Zentralasien oder auch im südlichen Kaukasus, spielen ebenfalls eine Rolle; der Maghreb wird miteinzubeziehen sein. Das sind alles Regionen, die nicht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland, aber zu Europa liegen.

Gestatten Sie mir, dass ich hier eine Entwicklung anspreche, die ich mit einer gewissen Sorge betrachte. Wir erleben gegenwärtig die Verschiebung der zentralen Achsen der internationalen Politik. Russland wird sich völlig neu aufstellen. Das liegt in unserem Interesse. Die ernsthafte Öffnung Russlands, die sich, wie Präsident Putin hier in seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat, in einer neuen russischen Politik niederschlägt, liegt im deutschen und im europäischen Interesse. Wenn wir nicht Acht geben, könnte das ungewollte Konsequenzen haben. Ich halte überhaupt nichts davon, hier eine Entwicklung negativ zu bewerten, die in unserem Interesse liegt und eigentlich positiv ist. Wenn wir sie allerdings national betrachten und in einem rückwärts gewandten Sinne missverstehen, das heißt, wenn wir gewissermaßen diesen Schönheitswettbewerb der europäischen Nationalstaaten mitmachen, ohne zu begreifen, wie kurzsichtig ein solcher ist, und die Europäische Union dafür verbal kritisieren oder ihr sogar mit einer gewissen Arroganz entgegentreten, weil sie noch nicht so weit ist, wie sie sein müsste, dann laufen wir Gefahr, einem historischen und strategischen Irrtum zu unterliegen. Wir müssen nämlich sehen, dass in der Welt des 21. Jahrhunderts, in der sich die Zentralachsen verschieben, nicht Deutsche, Franzosen oder Briten eine Rolle spielen werden, sondern nur ein integriertes Europa.

Deswegen wird es von entscheidender Bedeutung sein, jetzt das europäische Engagement zu stärken. Wir werden weniger Zeit haben, als viele von Ihnen und ich bisher dachten, weil sich die Welt jetzt dramatisch verändert. Das ist ein weiteres Argument dafür, dass Deutschland nicht abseits stehen darf. Wir sind im europäischen Konzert zu groß und zu wichtig. Es geht hier nicht um Schönheitswettbewerbe, sondern es geht neben der Solidarität, die sehr wichtig ist, auch um Humanität, Menschenrechte und ein neues Engagement in einer globalen Welt. All das wird nur eine Zukunft haben, wenn wir den europäischen Integrationsprozess mit dem ganzen Gewicht unseres Landes in der Außen- und Sicherheitspolitik und durch die Schaffung einer europäischen Demokratie voranbringen. Wenn wir jetzt am nationalen Denken festhielten, würden wir einen großen Fehler machen.

Meine Damen und Herren, Kampf gegen den Terrorismus bedeutet deswegen nicht nur das Ein treten für eine neue, humanere Weltordnung und ein neues Engagement, mit dem wir ein Mehr an Leistungen aufzubringen und ein Mehr an Risiken zu schultern haben, es müssen auch Regionalkonflikte gelöst und interkulturelle Dialoge geführt werden. Er bedeutet vor allen Dingen auch, dass wir bei der europäischen Integration vorankommen müssen. Wenn wir getrennt bleiben, werden die Europäer in der neuen Weltordnung marginalisiert.

Ich bedanke mich.

Quelle: http://www.auswaertiges-amt.de/


Schröder: "...zu uneingeschränkter Solidarität verpflichtet"

Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor dem Deutschen Bundestag am 8.11.2001 "Zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Bekämpfung des internationalen Terrorismus"

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Der Deutsche Bundestag unterstützt die Bereitschaft der Bundesregierung, den Bekundungen der uneingeschränkten Solidarität mit den Vereinigten Staaten konkrete Maßnahmen des Beistands folgen zu lassen. Dazu zählen politische und wirtschaftliche Unterstützung sowie die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

Dies hat dieses Hohe Haus bereits am 19. September dieses Jahres mit großer Mehrheit beschlossen. Es geht jetzt darum, die Konsequenzen aus diesem Beschluss des Deutschen Bundestages zu ziehen.

Rufen wir uns in Erinnerung: Am 11. September 2001 haben skrupellose, kaltblütige Terroristen mit entführten Flugzeugen Anschläge in New York und Washington verübt. Diesen barbarischen Attentaten sind Tausende unschuldiger Menschen zum Opfer gefallen. Ich kann verstehen, wenn Einzelne, sogar viele Einzelne angesichts des Grauens der Bilder, die man nicht täglich ertragen kann, zur Verdrängung dessen neigen, was geschehen ist. Das ist menschlich nachvollziehbar. Aber dies kann und darf nicht die Leitlinie politischer Entscheidungen sein; denn diejenigen, die politische Entscheidungen dieser Tragweite zu treffen haben, können und dürfen, so sehr sie das individuell bedauern mögen, nicht verdrängen, sondern sie müssen immer wieder den Gegebenheiten ins Auge schauen und die - gelegentlich leider - notwendigen Konsequenzen ziehen.

Das ist der Grund, warum der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen schon unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September die völkerrechtlich verbindliche Resolution 1368 einstimmig verabschiedet hat. Darin wird festgestellt - auch das gilt es immer wieder in Erinnerung zu rufen -, dass die Angriffe eine Bedrohung des internationalen Friedens und der Sicherheit darstellen und dass die Folge dessen die legitimierte Inanspruchnahme des Selbstverteidigungsrechtes nach Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen ist. Mir ist es im Hinblick auf die Öffentlichkeit wichtig - hier im Hohen Hause weiß man das ja -, festzustellen, dass alle Maßnahmen einschließlich der militärischen exakt auf dieser völkerrechtlich verbindlichen Basis getroffen worden sind, also durch die Staatengemeinschaft und durch das internationale Recht in vollem Umfang legitimiert sind.

Der NATO-Rat hat am 4. Oktober dieses Jahres erstmalig in der Geschichte des Bündnisses den Bündnisfall nach Art. 5 des NATO-Vertrages fest gestellt. Das ist eine Entscheidung von großer Tragweite, die uns übrigens nicht nur formal, also nach den Buchstaben des Vertrages, verpflichtet. Nein, ich denke, unsere Verpflichtung geht weiter, als lediglich eine Bündnispflicht zu erfüllen. Wir haben gemeinsam immer wieder darauf hingewiesen, dass insbesondere die Angriffe auf New York und Washington, also die Angriffe auf die Vereinigten Staaten von Amerika, nicht nur Angriffe auf die Werte waren, nach denen sich die Amerikaner politisch konstituieren, sondern auch Angriffe auf jene Werte, die für uns politisch konstitutiv sind, nämlich die Werte des Grundgesetzes. Deshalb geht es nicht nur um eine formale Verpflichtung, die aus Bündnispflichten resultiert. Das ist sie auch und das ist bereits wichtig genug. Es geht vielmehr darum: Solidarität darf in einem Bündnis keine Einbahnstraße sein. Wir haben über Jahrzehnte Solidarität erfahren. Deshalb ist es schlicht unsere Pflicht - das entspricht unserem Verständnis von Selbstachtung -, wenn wir in der jetzigen Situation Bündnissolidarität zurückgeben.

In der Öffentlichkeit sind zum Beispiel die Fragen gestellt worden: Warum leistet ihr denn Solidarität? Ist denn der Erfolg dieser Bündnisleistung gewährleistet? - Niemand kann das sagen, jedenfalls nicht mit letzter Sicherheit. Aber was wäre das für eine Solidarität, die wir vom Erfolg einer Maßnahme abhängig machten?

Deswegen denke ich: Wir haben uns gemeinsam, also das gesamte Hohe Haus - ich habe eingangs aus dem entsprechenden Beschluss des Bundestages zitiert -, zu uneingeschränkter Solidarität verpflichtet. Wir haben sie jetzt als Konsequenz aus unseren eigenen Entscheidungen auch zu leisten.

Vor diesem Hintergrund hat die amerikanische Regierung konkrete Anfragen an uns gerichtet. Sie umfassen die Bereitstellung von ABC-Abwehrkräften, einer Einheit zur Evakuierung von Verletzten, von Spezialkräften der Bundeswehr, von Lufttransportkräften zum Transport von Personen und Material sowie von Seestreitkräften zum Beispiel zur Kontrolle des freien Schiffsverkehrs und zum Schutz von Schiffen mit gefährlicher Ladung. Das Bundeskabinett hat gestern beschlossen, dieser Bitte der Vereinigten Staaten zu entsprechen. Wir erfüllen damit die an uns gerichteten Erwartungen und leisten das, was uns objektiv möglich ist und was in dieser Situation politisch verantwortet werden kann.

Alles in allem werden an der Operation "Enduring Freedom" maximal 3900 deutsche Berufs- und Zeitsoldaten beteiligt sein. Das ist eine Obergrenze, die auf der Basis der konkreten Anforderungen berechnet worden ist. Ich habe in jeder öffentlichen Verlautbarung darauf hingewiesen, dass man diese Zahlen nicht als exakte Zahlen nehmen kann; diese Obergrenze ist aber festgestellt und steht auch in dem Antrag, den die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag zugeleitet hat. Ein gleichzeitiger Einsatz aller Soldaten ist nicht zu er warten.

Das Mandat ist - nach unserer Auffassung richtigerweise - auf zwölf Monate begrenzt. Dies entspricht auch den Erwartungen unserer Bündnispartner. Bei einer Verlängerung müsste der Deutsche Bundestag erneut befasst werden. Mir ist wichtig, festzustellen, dass letzte Entscheidungen über Einsätze in vollem Umfang bei der Bundesregierung verbleiben. Ebenso wichtig ist mir, festzuhalten, dass keine Absicht besteht, die militärischen Maßnahmen auf ein anderes Land auszudehnen. Im Übrigen, kann es Einsätze - ich betone das - nur mit Zustimmung der Regierung des entsprechenden Landes geben. Das ist die Konsequenz dessen, was wir vorschlagen.

Zunächst geht es nur um die Bereitstellung der deutschen Kräfte - natürlich um die Bereitstellung zu einem Einsatz -, auch wenn der Bundestag schon jetzt um die Zustimmung zu einem späteren Einsatzbeschluss gebeten wird.

Bezogen auf die juristischen Bedenken, die gelegentlich geäußert worden sind, will ich sagen, dass das Verfahren, das wir Ihnen vorschlagen, nicht neu ist. Genauso hat der Bundestag in völligem Einklang mit der Verfassung und der Rechtslage bei seinem Kosovo-Beschluss vom 16. Oktober 1998 gehandelt.

Mir ist besonders wichtig festzuhalten: Es geht weder um eine deutsche Beteiligung an Luftangriffen noch um die Bereitstellung von Kampftruppen am Boden. Der Beitrag, den wir leisten wollen, ist auch Ausdruck unserer Bereitschaft, der gewachsenen Verantwortung Deutschlands in der Welt durch konkretes Handeln Rechnung zu tragen. Es muss deutlich werden: Es geht nicht um irgendeine außenpolitische Strategie; es geht um die Vertretung der eigenen Interessen und um den Schutz der eigenen Werte, nach denen wir leben und weiter leben wollen.

Natürlich stellen sich viele Menschen in Deutschland jetzt besorgt die Frage, welche Konsequenzen der deutsche Beitrag für uns hat und insbesondere für die Soldaten haben wird. Niemand hat darauf eine endgültige Antwort. Jedem - nicht zuletzt mir - ist bewusst, das jeder Auslandseinsatz Risiken und Gefahren in sich birgt. Aber klar ist, dass die Bundesregierung alles tun wird, um die bestmögliche Sicherheit unserer Soldaten zu gewährleisten.

Im Übrigen sind wir nicht die einzigen, die gebeten worden sind, ihrer Verantwortung auch durch einen militärischen Beitrag zur Bekämpfung des in ternationalen Terrorismus nachzukommen. Kanada und Australien zählen ebenso wie Großbritannien - das ist bekannt -, die Türkei, die Tschechische Republik sowie Frankreich und Italien als weitere europäische Partner zu den Staaten, die sich an den Maßnahmen beteiligen. Auch das gilt es zu bedenken, wenn hier im Hohen Hause darüber nachgedacht wird, ob man zustimmen kann und will oder nicht. Auch die Konsequenzen für Gemeinsamkeiten mit unseren Partnern in Europa sind bei einer politisch verantwortlich zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen.

Die militärischen Operationen richten sich auf der Grundlage der Resolution 1368 des Weltsicherheitsrates gegen das terroristische Netzwerk von Osama Bin Laden und gegen das den Terrorismus unterstützende Talibanregime in Afghanistan. Ich bitte Sie, sich in Erinnerung zu rufen und niemals zu vergessen, dass es sich um ein Gewaltregime handelt, das den Tod vieler Tausend Afghanen, vor allem Kinder und Frauen, Unterdrückung und Massenvertreibung, auch Akte kultureller Barbarei zu verantworten hat. All das fand statt - das ist für die öffentliche Diskussion wichtig -, lange bevor die militärischen Maßnahmen gegen dieses Regime begonnen hatten.

Wenn es ein Versäumnis der internationalen Staatengemeinschaft gibt, dann dies - das sollten wir in einer solchen Debatte selbstkritisch eingestehen -, dass wir alle nach dem Abzug der vormaligen Sowjettruppen aus ­ Afghanistan dieses Land und die Barbarei in diesem Land viel zu lange nicht beachtet haben.

Es handelt sich um ein Regime, das darüber hinaus ­ terroristische Bestrebungen mit dem Ziel fördert, die Stabilität arabischer und muslimischer Staaten zu erschüttern - wiederum mit gefährlichen außen- und sicherheitspolitischen Folgen nicht nur für die angegriffenen Vereinigten Staaten, sondern für die gesamte zivilisierte Welt. Deshalb betone ich noch einmal: Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus ist nicht ­ allein mit militärischen Mitteln zu gewinnen; das wissen wir sehr wohl. Deshalb müssen wir dauerhafte Anstrengungen auf vielerlei Ebenen unternehmen, um dieser Herausforderung zu begegnen. Wir können und dürfen den militärischen Beitrag daher nicht los gelöst von einer solchen umfassenden Strategie, einer Strategie für Sicherheit und für Stabilität in der Welt, diskutieren.

Meine Damen und Herren, während meiner Reise nach Pakistan, Indien, China und dann auch Russland in der vergangenen Woche habe ich eine große Übereinstimmung darüber feststellen können, dass die Überwindung des Talibanregimes als wesentliche Voraussetzung für eine menschenwürdige Zukunft Afghanistans gesehen wird. Auf die Staatengemeinschaft kommen in diesem Zusammenhang langfristig enorme Aufgaben zu. Das gilt vor allem für die Europäische Union. Ich bin der Auffassung, dass in dem Prozess, den man Post-Taliban-Prozess nennt, nicht nur die Nationalstaaten, die ganz natürlicherweise Adressat der Beistandserwartungen der angegriffenen Amerikaner waren und sind, Gesicht zeigen müssen, sondern dass - das ist auch in dem Gespräch deutlich geworden, das die europäischen Regierungschefs am letzten Sonntagabend in London geführt haben - vor allem auch das integrierte Europa, das dabei ist, eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zu schaffen, Gesicht zeigen und seine Rolle wahrnehmen muss. Wir in Deutschland treten dafür ein, dass dies für Europa möglich wird und dann auch so geschieht.

Es geht jetzt in erster Linie um humanitäre Anstrengungen, mit denen das Leid von Millionen von Afghanen gelindert werden kann. Viele scheinen das Ausmaß der humanitären Katastrophe noch gar nicht richtig erfasst zu haben. Es geht dabei nicht nur um die Versorgung von Flüchtlingen, von Flüchtlingen übrigens - das gilt es hervorzuheben -, die völlig unabhängig von den militärischen Maßnahmen, die angeordnet worden sind, weil sie notwendig sind, auf der Flucht waren und sind, sondern es geht auch um die Versorgung von Menschen, die als Folge der Unterdrückung und der Unfähigkeit des Regimes Hunger leiden. Wir müssen befürchten, dass Abertausende verhungern. Auch um diese Menschen geht es uns.

Jedenfalls müssen und werden wir unsere Anstrengungen zur Abwehr von Hunger und Flüchtlingselend noch einmal verstärken. Wenn diesem so vielfach gebeutelten Land nach Beseitigung des Terrorregimes eine Perspektive gegeben werden soll, dann brauchen wir auch eine Vorstellung davon und die Bereitschaft dazu, den Wiederaufbau zu unterstützen.

Nicht zuletzt wird es darum gehen, an den Rahmenbedingungen für das friedliche Zusammenleben der Bevölkerungsgruppen Afghanistans mitzuwirken. Ich sage noch einmal: Wir treten gemeinsam mit unseren europäischen Partnern für eine Lösung ein, die nicht von außen oktroyiert sein darf - das ist übrigens auch die Auffassung unserer amerikanischen Freunde -, sondern die sich aus dem Land heraus entwickeln muss. Es geht um eine Lösung, die alle ethnischen Gruppen einbezieht und die die berechtigten Interessen der Nachbarstaaten berücksichtigt.

Dabei kann diese Lösung für eine gewisse Zeit nur unter dem Dach der Vereinten Nationen herbeigeführt werden. In diesem Prozess dürfen sich Europa und damit Deutschland ihrer Verantwortung nicht entziehen und sie werden es auch nicht tun.

Darüber hinaus wollen und werden wir unsere Zusammenarbeit mit den zentralasiatischen Staaten ausbauen. Wir sind daran interessiert, eine Destabilisierung durch den von Afghanistan ausgehenden internationalen Terrorismus zu vermeiden.

Schließlich dürfen wir in unseren Bemühungen um eine Lösung des Nahostkonfliktes nicht nachlassen. Der ungelöste Nahostkonflikt darf keine Berufungsgrundlage für das verbrecherische Handeln der Terroristen sein.

Bezogen auf die Anstrengungen zur Lösung dieses Konflikts, gilt auch: Es gibt keine direkte Beziehung zwischen dem internationalen Terrorismus und dem schwelenden Konflikt im Nahen Osten. Anders ausgedrückt: Auch wenn dieser Konflikt morgen gelöst wäre, dann dürfte man nicht nachlassen, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, weil er unabhängig von diesem Konflikt besteht.

Die Lösung des Konfliktes - natürlich auch aus sich selbst heraus - ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil er den Terroristen die Mobilisierung von Massen für ihr verbrecherisches Handeln immer wieder erlaubt hat und - wenn wir zu keiner Lösung kommen - weiterhin erlauben wird.

Der unermüdliche Einsatz des Bundesaußenministers zur Überwindung der Gegensätze in der Region hat den Respekt vieler seiner und vieler meiner Kollegen. Er verdient auch unseren Respekt und unsere Anerkennung.

Wir würden die Möglichkeiten Deutschlands - dabei geht es auch, aber nicht nur um Personen - falsch einschätzen, weil wir sie überschätzten, wenn wir glaubten, dass dieser Konflikt allein durch unsere oder durch gemeinsame europäische Anstrengungen zu lösen wäre. In dieser zutiefst Besorgnis erregenden Situation ist es ­ erforderlich, dass insbesondere die Vereinigten Staaten erkennen, dass sie im Nahen Osten auf höchster Ebene - möglicherweise gemeinsam mit Russland, mit der Europäischen Union und naturgemäß mit den Vereinten Nationen - eine herausgehobene Verantwortung für die Lösung dieses Konflikts tragen.

Die Eindämmung des internationalen Terrorismus verlangt - das ist klar - große Anstrengungen und vor allen Dingen einen langen Atem. Wir haben ein gemeinsames Interesse, die militärischen Operationen zu einem raschen und erfolgreichen Ende zu führen. Wir begrüßen ausdrücklich die Zusage der amerikanischen Regierung, alle nur möglichen Vorkehrungen zu treffen, um zivile Opfer zu vermeiden.

Gerade mit Bezug auf die öffentliche Debatte bitte ich auch in diesem Fall um Fairness. Die Fairness besteht darin, dass man nicht einerseits sagt, man solle so vor gehen, dass möglichst wenig zivile Opfer zu beklagen sind, andererseits aber zugleich den Vorwurf erhebt, dass ein solches Vorgehen dann naturgemäß länger dauert, als wenn man anders vorginge. Beides lässt sich nicht gut verbinden.

Man muss sich entscheiden. Ich denke, auch das gehört zur Redlichkeit im Umgang miteinander und im Umgang mit unseren Partnern und muss bei Entscheidungen im Deutschen Bundestag beachtet werden.

Mit unseren humanitären Bemühungen machen wir zugleich deutlich, dass sich die militärischen Operationen eben nicht gegen das afghanische Volk richten, sondern gegen den internationalen Terrorismus, der vom Talibanregime unterstützt wird, welches insoweit Teil des internationalen Terrorismus ist. Allein Deutschland hat übrigens - das können wir ruhig selbstbewusst sagen - in den vergangenen Jahren humanitäre Leistungen in Höhe von mehr als 100 Millionen DM erbracht. Afghanistan war - das gilt ungeachtet der selbstkritischen Bemerkungen, die ich gemacht habe - immer ein Schwerpunktland unserer humanitären Hilfe. Auch deswegen haben wir in diesem Jahr den Vorsitz in der Afghanistan Support Group inne.

Mindestens ebenso wichtig wie militärisches und humanitäres Engagement sind politische und diplomatische Bemühungen. Wirtschaftliche Maßnahmen ebenso wie die notwendige Zusammenarbeit der Nachrichtendienste müssen hinzukommen. Schließlich müssen wir uns auch der geistigen Auseinandersetzung mit dem Terrorismus stellen. Das heißt, wir müssen uns vor allem der Tatsache stellen, dass Terroristen kulturelle, soziale und politische Missstände für ihre mörderischen Zwecke instrumentalisieren. Diese geistige Auseinandersetzung haben wir im Dialog mit den muslimischen Gesellschaften zu führen, die dabei - auch das gilt es einzufordern - auch ihrer eigenen Verantwortung nachkommen müssen, um das Ziel einer gemeinsamen friedlichen und humanen Entwicklung zu erreichen.

Nur auf der Grundlage eines so umfassenden Konzeptes und gemeinsamen Handelns wird die internationale Koalition im Kampf gegen den Terrorismus am Ende erfolgreich sein. Dieser Erfolg ist nicht nur notwendig, sondern - davon bin ich überzeugt - er wird auch erreicht werden. Wir stehen im Kampf gegen den Terrorismus vor einer großen Herausforderung. Sie ist nicht zu bewältigen, ohne Risiken einzugehen. Niemand hat das behauptet und niemand kann das behaupten. Sie birgt aber auch die Chance, Gefahren für die friedliche Existenz und das friedliche Zusammenleben der Völker zu Beginn des 21. Jahrhunderts dauerhaft zu beseitigen.

Ich will aber noch auf eines hinweisen: Bei der anstehenden Entscheidung geht es auch um die Bündnisfähigkeit Deutschlands, also darum, dass wir die richtige Konsequenz aus dem, was wir alle miteinander erklärt und bekannt haben, ziehen. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang ausdrücklich dafür bedanken, dass es möglich gewesen ist, die ganze Zeit über so miteinander umzugehen und uns gegenseitig so zu informieren, wie das dem Thema angemessen ist. Diesen Dank spreche ich dem ganzen Haus aus, allen, die dabei sind. Ich habe den Fraktions- und Parteivorsitzenden zugesagt - ich habe das auch dem Bundeskabinett berichtet, welches das zustimmend zur Kenntnis genommen hat -, dass ich diese angemessene Informationspolitik auch weiterführen werde, insbesondere dann, wenn es um die Konsequenzen aus dem hoffentlich mit breiter Mehrheit gefällten Beschluss in der nächsten Woche geht.

Mehr als 50 Jahre - lassen Sie mich das abschließend sagen, meine Damen und Herren - haben die Vereinigten Staaten in Solidarität zu uns gestanden. Es waren nicht zuletzt die Amerikaner, die uns die Rückkehr in die Völkergemeinschaft ermöglicht, die unsere Freiheit garantiert und letztlich unsere staatliche Einheit und deren Werden unterstützt haben.

Über viele Jahrzehnte haben wir diese Solidarität Amerikas für selbstverständlich gehalten und haben unseren Nutzen daraus gezogen. Bündnissolidarität ist aber keine Einbahnstraße. Deshalb geht es jetzt - nicht nur, aber auch - darum, unseren praktischen Beitrag zur Solidarität, die unseren gemeinsamen Werten, unseren gemeinsamen Zielen und unserer gemeinsamen Zukunft in Sicherheit und Freiheit gilt, zu leisten. Wir tun das, wie sich zeigt, in offener, in demokratischer und auch in kritischer Diskussion; das ist kein Nachteil in unserer Gesellschaft. Ich hoffe aber auch, dass wir das in großer Geschlossenheit und mit einem entsprechenden Ergebnis tun.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

Quelle: Plenarprotokoll 14/198 des Deutschen Bundestages vom 8. November 2001 (http://www.bundesregierung.de)


Schröder: "Der Kampf ... wird noch lange dauern"

Rede des Bundeskanzlers Gerhard Schröder vor dem Bundestag am 16.11.2001 anlässlich der Abstimmung über den "Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Kampf gegen den Terrorismus" und Antrag des Bundeskanzlers gemäß Artikel 68 des Grundgesetzes

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die jüngsten Entwicklungen in Afghanistan sind ermutigende Erfolge im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

In weiten Teilen des Landes sind die Menschen aus dem Würgegriff des menschenverachtenden Talibanregimes befreit worden. Die Terroristen des Netzwerkes von Osama Bin Laden sind nun auch in Afghanistan weitgehend isoliert und in ihrer Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt.

Durch die militärischen Maßnahmen ist der Weg frei geworden für die humanitäre Versorgung der Not leidenden afghanischen Bevölkerung. Gleichzeitig kann und muss jetzt der Prozess einer dauerhaften Stabilisierung des Landes beginnen. Die Lage erlaubt und erfordert es, nun rasch mit Gesprächen zu beginnen, die eine Regierungsbildung unter Einschluss aller afghanischen Bevölkerungsgruppen ermöglichen sollen. Ich begrüße es daher nachdrücklich, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, die Vertreter der verschiedenen Fraktionen und ethnischen Gruppen an einen Tisch gebeten hat. Die innere Einigung der Afghanen wird Voraussetzung für eine wirksame Hilfe beim Wiederaufbau und bei der Stabilisierung des Landes sein.

Deutschland wird sich an dieser Hilfe substanziell beteiligen; denn wir sind als Teil der Antiterrorkoalition diese Hilfe nicht nur dem afghanischen Volk, nein wir sind sie unserer eigenen Glaubwürdigkeit im Kampf gegen den Terror schuldig.

Uns sollte gleichwohl bewusst sein, dass die Erfolge, die wir erzielt haben, nur ein Etappenziel sind. Die Befriedung Afghanistans, der Beginn eines Stabilisierungsprozesses, an dessen Ende die Rückkehr Afghanistans in die Völkergemeinschaft stehen muss, das wären Ergebnisse, auf die wir im Kampf gegen den internationalen Terror wirksam aufbauen können. Das Ende dieses Kampfes wären sie allerdings nicht.

Der bisherige Verlauf dieser Auseinandersetzung zeigt uns auch, dass es richtig und wichtig war, auf eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des Terrorismus zu setzen. Dabei war es, wie ich meine, richtig, den militärischen Aspekt dieser Auseinandersetzung nicht auszublenden. Wir haben stets betont, dass wir nicht allein und schon gar nicht ausschließlich auf militärische Maßnahmen setzen. Aber es gibt Situationen, in denen eine von allen gewollte politische Lösung militärisch vorbereitet, erzwungen und schließlich auch durchgesetzt werden muss. Wer die Fernsehbilder von den feiernden Menschen in Kabul nach dem Abzug der Taliban gesehen hat - ich denke hier vor allen Dingen an die Bilder der Frauen, die sich endlich wieder frei auf den Straßen begegnen dürfen -, dem sollte es nicht schwer fallen, das Ergebnis der ­ Militärschläge im Sinne der Menschen dort zu bewerten.

Ich denke, ich spreche im Namen des ganzen Hauses, wenn ich zum Ausdruck bringe, wie erleichtert wir alle darüber sind, dass sich die Mitarbeiter von Shelter Now wieder in Freiheit befinden.

Aber machen wir uns keine Illusionen: Der Kampf gegen den Terror wird noch lange dauern und wird uns einen langen Atem abverlangen. Schnelle Erfolge sind keineswegs garantiert. Doch ist der Kampf zu gewinnen und wir werden ihn gewinnen, wenn wir alle Mittel, die notwendig sind, aufeinander abgestimmt haben, aber eben auch konsequent einsetzen.

Das betrifft zunächst die politisch-diplomatischen Mittel. Hier ist mit der Bildung einer internationalen Antiterrorkoalition eine gute Grundlage gelegt worden. Ich selbst habe in den vergangenen Wochen viele Gespräche mit zahlreichen Staats- und Regierungschefs geführt. Auch erwähne ich hier ausdrücklich die intensiven Bemühungen des Bundesaußenministers, gemeinsam mit unseren europäischen und amerikanischen Partnern den Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang zu bringen.

Die Außenpolitik dieser Regierungskoalition ist seit unserem Amtsantritt darauf gerichtet, durch Herstellung ökonomischer, sozialer und materieller Sicherheit, durch Förderung der Rechtsstaatlichkeit und regionaler Stabilitätsbündnisse, durch Krisenprävention und Friedenssicherung zur Stabilität in der Welt beizutragen.

Wo es nötig und für uns objektiv möglich und vertretbar war, haben wir uns auch mit militärischen Mitteln an Einsätzen der Staatengemeinschaft beteiligt, wie wir das zum Beispiel auf dem Balkan tun. Wir werden dies auch in Zukunft fortsetzen. Niemals haben wir dabei den Einsatz der Bundeswehr ohne begleitendes, nachhaltiges Engagement auf politischem, ökonomischem und humanitärem Gebiet beschlossen.

Nach diesem Selbstverständnis handeln wir auch heute im Kampf gegen den Terrorismus. Auch in der Auseinandersetzung um Afghanistan hat unsere Hilfe für die Menschen in der Krisenregion hohe Priorität.

100 Millionen DM haben wir bereits für die humanitäre Hilfe bereitgestellt, um die Bevölkerung vor dem drohenden Wintereinbruch wirksam zu unterstützen. Weitere 160 Millionen DM haben wir für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. Dank der militärischen Erfolge gegen die Taliban kann diese Hilfe jetzt dort, wo sie sehr dringend gebraucht wird, so wirksam ankommen, wie es nötig ist.

Wir haben außerdem sehr zielstrebig sowohl die finanziellen wie auch die polizeilichen Maßnahmen gegen den Terrorismus verstärkt. Es hat erste Fahndungserfolge und Festnahmen von Verdächtigen aus dem Umfeld des Terrornetzes von Bin Laden gegeben. Bis heute sind fast 200 Konten gesperrt worden, bei denen der Verdacht besteht, dass sie zu Transaktionen für den Terrorismus benutzt wurden. Die Zusammenarbeit der in- und ausländischen Nachrichtendienste ist schon innerhalb kürzester Zeit verbessert worden. Auch das sind wichtige Fortschritte. Aber ich betone es noch einmal: Der Kampf gegen den Terror und die terroristischen Netzwerke steht erst am Anfang.

Der Deutsche Bundestag hat heute Vormittag über den Antrag der Bundesregierung zur Bereitstellung von Bundeswehreinheiten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus zu beschließen. In Verbindung damit habe ich eine Abstimmung gemäß Art. 68 des Grundgesetzes beantragt. Ich möchte Ihnen erläutern, was mich bewogen hat, diese Vertrauensfrage zu stellen.

Es geht, kurz gesagt, um die Verlässlichkeit unserer ­ Politik, um Verlässlichkeit gegenüber den Bürgern, gegenüber ­ unseren Freunden in Europa und gegenüber unseren internationalen Partnern.

Die heutige Entscheidung über die Bereitstellung von Bundeswehreinheiten im Kampf gegen den Terrorismus stellt sicher eine Zäsur dar. Erstmals zwingt uns die internationale Situation, zwingt uns die Kriegserklärung durch den Terrorismus dazu, Bundeswehreinheiten für einen Kampfeinsatz außerhalb des NATO-Vertragsgebietes bereitzustellen. Für eine Entscheidung von solcher Tragweite, auch für daraus vielleicht noch folgende Beschlussfassungen des Deutschen Bundestages ist es nach meiner festen Überzeugung unabdingbar, dass sich der Bundeskanzler und die Bundesregierung auf eine Mehrheit in der sie tragenden Koalition stützen können.

Wir Deutschen können der Auseinandersetzung mit dem Terrorismus nicht ausweichen und wir wollen das auch nicht. Der Deutsche Bundestag hat das nicht zuletzt dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er für die Solidarität mit den Vereinigten Staaten ausdrücklich auch "die Bereitstellung geeigneter militärischer Fähigkeiten" beschlossen hat.

Die Bundesregierung hat nun in der vergangenen Woche nach einer entsprechenden Anforderung der Vereinigten Staaten den deutschen Solidarbeitrag und die Bereitstellung deutscher Streitkräfte konkretisiert. Über diesen Antrag ist heute Vormittag abzustimmen. Die Entscheidungen, die für die Bereitstellung deutscher Streitkräfte zu treffen sind, nimmt niemand auf die leichte Schulter - auch ich nicht. Aber sie sind notwendig und deshalb müssen sie getroffen werden.

Wir erfüllen damit die an uns gerichteten Erwartungen unserer Partner und wir leisten das, was uns objektiv möglich ist und was politisch verantwortet werden kann. Aber mehr noch: Durch diesen Beitrag kommt das vereinte und souveräne Deutschland seiner gewachsenen Verantwortung in der Welt nach. Wir müssen erkennen: Nach den epochalen Veränderungen seit dem Herbst 1989 hat Deutschland seine volle Souveränität zurückgewonnen. Es hat damit aber auch neue Pflichten übernommen, an die uns die Verbündeten erinnern. Wir haben kein Recht, darüber Klage zu führen. Wir sollten vielmehr damit zufrieden sein, dass wir seit den epochalen Veränderungen 1989 gleichberechtigte Partner in der Staatengemeinschaft sind.

Ich habe bewusst die Vertrauensfrage nach Art. 68 des Grundgesetzes und den Antrag über die Bereitstellung deutscher Streitkräfte für den Kampf gegen den Terrorismus miteinander verknüpft. Denn der Bundeskanzler kann seinem Amt und seiner Verantwortung für das Gemeinwohl nur dann entsprechen, wenn seine Person und sein Programm das Vertrauen und die Zustimmung der ihn tragenden Mehrheit des Hohen Hauses finden (...)

Quelle: Plenarprotokoll 14/202 des Deutschen Bundestages vom 16. 11. 2001 (http://www.bundesregierung.de)


>>> Rede von US-Präsident George W. Bush vor Soldaten vom 21.11.2001 >>>