Krieg gegen den Terror - Analysen, Einschätzungen und Stellungnahmen
Washingtoner Erpresser - Nicht nur gegenüber Pakistan machen die USA Druck - auch gegenüber den Europäern
Artikel von Rainer Rupp in 'junge Welt' vom 19.9.2001 (Teil 1)

Obwohl die Kriegserklärung des US-amerikanischen Imperators George Bush hiesigen Machtpolitikern zur Verfolgung ihrer innen- und außenpolitischen Ziele entgegenkommt, ist das Ausmaß des vorauseilenden Gehorsams der sonst gegen US-Befehle eher aufmüpfigen Europäer erstaunlich groß. Wie zu erfahren, haben dabei allerdings auch massive Warnungen aus Washington geholfen. Der als regierungsnah bekannte Stratege Ed Luttwak vom Center for Strategic and International Studies in Washington erklärte dazu: "Die Vereinigten Staaten bitten ihre Verbündeten in vielen Dingen um Unterstützung, und dabei erwarten sie, daß die Verbündeten dieser Bitte nachkommen. Und sollten die Alliierten sich weigern - um z.B. ihre kommerziellen Interessen zu schützen -, werden die Vereinigten Staaten sehr grob reagieren."

Wenn das imperiale Washington sogar gegenüber engsten Freunden sehr grob reagiert, dann haben die Machthaber des mit den Taliban in Afghanistan befreundeten Militärregimes in Pakistan erst recht nichts zu lachen. Um gegen bin Laden und die Taliban losschlagen zu können, brauchen die Vereinigten Staaten Pakistan als regionalen Brückenkopf. Zum Losschlagen benötigen die USA u.a. Überflugrechte für ihre Militärflugzeuge, Transit- und Stationierungsrechte für die Transporte von Kommando- und anderen Militäreinheiten. Noch wichtiger aber ist für die USA die Zusammenarbeit mit dem pakistanischen Geheimdienst, der sich in Afghanistan im Gegensatz zu westlichen Geheimdiensten bestens auskennt. Schließlich hat der pakistanische Geheimdienst stets beste Beziehungen zu den Taliban gepflegt.

Mit der bewährten Methode "Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein" hat die amerikanische Regierung nun den Militärmachthabern in Pakistan die Pistole auf die Brust gesetzt und sie dazu gezwungen, ihr Land als amerikanisches Aufmarschgebiet zur Verfügung zu stellen. "Die Vereinigten Staaten haben uns gesagt, entweder seid ihr für uns oder ihr seid gegen uns", erklärte ein hoher pakistanischer Regierungsbeamter gegenüber der britischen Financial Times und fügte resigniert hinzu, daß "unter diesen Umständen nichts anderes übrigblieb, als zu unterschreiben".

Die Unterstützung der Amerikaner durch die pakistanische Regierung läuft jedoch Gefahr, eine explosive Situation im Lande heraufzubeschwören, denn bin Laden wird in weiten Teilen der Bevölkerung als Held verehrt. Schon haben radikal-islamistische Organisationen in Pakistan verkündet, daß sie jeden amerikanischen Soldaten töten werden, der seinen Fuß auf den Boden ihres Landes setzt. Befürchtungen regionaler politischer Beobachter, daß Pakistan unter Umständen sogar in einen Bürgerkrieg abgleiten könnte, mehren sich. Zugleich sind sich auch amerikanische Militärexperten darüber einig, daß der Erfolg konventioneller militärischer Schläge gegen die Al-Qaida- Organisation von Osama bin Laden in Afghanistan mehr als fraglich ist.

Vieles deutet derzeit darauf hin, daß man in Washington noch zwischen zwei Optionen hin und her schwankt. Die erste Option gleicht der menschenverachtenden Strategie, die die US-amerikanischen Militaristen bereits seit über zehn Jahren erfolglos gegen Irak praktizieren. Die andere scheint den Ersteinsatz von taktischen Atomwaffen zu beinhalten. Die selbsterklärte führende Zivilisation der Welt, die vor allem wegen ihrer Fast-Food-Kultur und Gewaltverherrlichung hervorsticht, wird - unterstützt von den anderen "zivilisierten" NATO-Mächten, demnächst also die ohnehin bereits bettelarme Bevölkerung Afghanistans endgültig in die Steinzeit bomben. Dabei wird die atlantische Wertegemeinschaft dem höchsten Prinzip der abendländischen Zivilisation huldigen, nämlich der Rache und Vergeltung. Aber keiner der selbstgerechten Heuchler in den Regierungen der NATO-Länder wird auch nur auf den Gedanken kommen, daß ihr selbstgerechter, heiliger Krieg gegen den Terrorismus nichts anderes sein wird als organisierter Massenmord.

Quelle: http://www.jungewelt.de


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